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Beitrag vom 10.11.2007
Der neue Brockhaus in sechs Bänden
Ilka Fleischer
Was das klassische Nachschlagewerk der Online-Konkurrenz entgegensetzt, wo es passen muss, wo es auftrumpfen kann.
Die guten alten Nachschlagewerke – in der Regel zwar wenig genutzt, aber kaum wegzudenken aus einem halbwegs „anspruchsvollen“ Bücherregal. Früher jedenfalls, in der Zeit vor Wikipedia & Co. Heute werden BildungsbürgerInnen, die an ihren einst wertvollen Meyer-, Duden- und Brockhaus-Lexika festhalten, eher belächelt: „Guckst Du da wirklich noch rein? Hast Du kein Internet?“
Je nach HüterIn des Nachschlagewerkes fallen die Antworten dann gern unterschiedlich originell aus – von - „Auf die Do-it-yourself-Definitionen von Wikipedia will ich mich lieber nicht verlassen“, über
- „Ich muss beim Lesen einfach was in der Hand halten“ oder
- „Die Definitionen von über 98% der Begriffe haben sich im letzten Jahrhundert eh nicht geändert“ bis hin zu
- „Ich find’s einfach viel stilvoller und dekorativer als Wikipedia!“
Alles irgendwie nicht von der Hand zu weisen…
Aber werden hier nicht ohnehin Äpfel mit Birnen verglichen?
Erfüllen Online- und papierne Nachschlagewerke nicht unterschiedliche Bedürfnisse? Wenn’s nach der Pressestelle des Bibliographischen Instituts & F.A. Brockhaus AG ginge, offenbar nicht. Denn laut Presseinformation setzt „der Brockhaus in sechs Bänden der unübersichtlichen Informationsflut im Internet strukturiertes, sorgfältig aufbereitetes und verlässliches Wissen entgegen.“ Lieber gleich in die Offensive gehen, scheint hier das Motto zu sein. Schließlich sind die Argumente der KritikerInnen längst bekannt.
Dann starten wir doch mal einen kleinen AVIVA-tauglichen Vergleich und lassen Wikipedia und den neuen Brockhaus in sechs Bänden gegeneinander antreten:
Feminismuslaut Brockhaus:
Richtung innerhalb der Frauenbewegunglaut Wikipedia (Kurzbeschreibung):
Der Begriff Feminismus wurde bereits im 19. Jahrhundert gebraucht. Heute wird mit ihm vor allem die Neue Frauenbewegung bezeichnet (seit ca. 1968) und auch die Theorie der Neuen Frauenbewegung, wobei diese Theorie aus vielen einander ergänzenden und einander auch widersprechenden theoretischen Ansätzen besteht. Genderlaut Brockhaus:
Nach der Differenztheorie der Geschlechterforschung Bezeichnung für Geschlecht als gesellschaftlich bedingter sozialer Sachverhalt (gegenüber „Sex“ als natürlich gegebenes biologisches Faktum); umschließt als Begriff u. a. die Selbstwahrnehmung von Männern und Frauen und, davon abgeleitet, ihr gesellschaftliches (Rollen-)Verhalten. laut Wikipedia (Kurzbeschreibung):
Der Begriff Gender bezeichnet das „soziale“ oder „psychologische“ Geschlecht einer Person im Unterschied zum biologischen Geschlecht (engl. sex). Der Begriff wurde aus dem Englischen übernommen, um auch im Deutschen die Unterscheidung zwischen sozialem (gender) und biologischem (sex) Geschlecht treffen zu können, da das deutsche Wort Geschlecht in beiden Bedeutungen verwendet wird. Es dient vor allem als Terminus technicus in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Gleichstellunglaut Brockhaus:
>> Gleichberechtigunglaut Wikipedia (Kurzbeschreibung):
Unter Gleichstellung versteht man die Maßnahmen der Angleichung der Lebenssituation von benachteiligten gesellschaftlichen Gruppen, Behinderte, Migranten, Kinder bildungsferner Eltern, in allen Lebensbereichen, wie die Chancengleichheit und die soziale Gerechtigkeit auf Grundlage der Menschenrechte. Ziel der Gleichstellung ist eine zukünftige Gleichbehandlung aller Gruppen unter Berücksichtigung der spezifischen Situation. Kein repräsentativer Vergleich? Und ohnehin: Auch Wikipeda besticht hier nicht durch fachliche Brillanz? Stimmt. Aber eigentlich ersetzen beide Quellen keine Fachwörterbücher und daher stellt sich eher die Frage: Wozu sind sie jeweils am besten geeignet? Und wozu nicht?
Mit 130 000 Stichwörtern, 7 000 Fotos, 100 Bildkomplexen, 3 300 Grafiken, 500 Karten und 200 Tabellen ist der Brockhaus in sechs Bänden sicher ein umfangreicher Vertreter seines Genres, aber keine Konkurrenz für die quantitative Fülle Wikipedias. Auch bei der Tiefe und Aktualität der Definitionen und Begriffserläuterungen kann das Offline-Werk nur schwer mit der Online-Enzyklopädie mithalten.
Schwieriger ist die Informationsqualität und -zuverlässigkeit zu vergleichen: Hier brüsten sich papierne Werke gern mit fachlicher Seriosität und Verlässlichkeit - ein Blick auf o. g. Beispiele zeigt aber, dass zumindest nicht alle Wissensgebiete von Fachleuten abgedeckt werden. Gleiches gilt für den WWW-Riesen: Nicht nur in der Wissenschaft gilt Wikipedia als unseriöse Quelle. Schließlich ist die Mammut-Datenbank durch die Einflussnahme von PR und Marketing, durch stümperhafte Pseudofachleute oder auch durch gezielte Diskreditierungsversuche und entsprechend manipulierte Einträge schon häufiger in Verruf geraten. Dennoch weist die Mehrheit der Datensätze sowohl bei Wikipedia als auch beim Brockhaus in sechs Bänden ein hohes Informationsniveau auf.
Die großen Trümpfe der Papierversion, die auch als „klassisches Familienlexikon“ angepriesen wird, sind vor allem ihre Offline-Verfügbarkeit, die strukturierte und übersichtliche Informations-Aufbereitung und das äußerst dekorative Erscheinungsbild. Die dezent elegante Gestaltung des Einbandes mit seiner feinen Silberprägung lässt den optischen Wert jeder Büchersammlung nach oben schnellen und macht selbst das Nachschlagen von unschönen Begriffen zu einer ästhetischen Wohltat. Ein ideales Weihnachtsgeschenk für wissensdurstige Bücherwürmer mit einem Faible für die Kombination aus Information und Dekoration.
Der Brockhaus in sechs Bänden1. Auflage
5952 Seiten
ISBN: 978-3-7653-3230-2
299,00 € [D]