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Beitrag vom 22.07.2008
Hanna Zweig-Strauss - Saly Mayer, 1882 - 1950
Yvonne de Andrés
Saly Mayer, ein Retter jüdischen Lebens, der vom loyalen Patrioten zum Helfer im Untergrund wurde. Sein Engagement blieb lange Zeit unbekannt. Die Biographie ermöglicht neue Zugänge und Einblicke.
Saly Mayer war von 1936 bis 1943 Präsident des "Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes", "SIG". Bereits ab 1929 hatte er auf ehrenamtlicher Basis das Sekretariat der Organisation geführt. Er wurde 1882 in Basel geboren, die jüdische Familie war aus Süddeutschland eingewandert. Gemeinsam mit seinem Bruder Max gründete Mayer 1907 in England eine Textil-Exportfirma. Nachdem der Bruder 1911 verunglückte, ging Saly Mayer nach St. Gallen. Dort baute er sein Unternehmen erfolgreich aus und wurde das Oberhaupt der Familie. 1930 erwarb er das Bürgerrecht der Stadt. Er engagierte sich auf lokaler Ebene bis 1933 in der Freisinnigen-Demokratischen Partei (FDP), war Mitglied des Stadtparlaments. Die Biografin Zweig-Strauss spekuliert, dass "in St. Gallen die FDP früh auch Juden als Kandidaten für öffentliche Ämter, sei es als Interessensvertreter, sei es möglicherweise auch nur als Stimmenfänger" benannte.
Die "SIG" unterschätzte den seit Dezember 1933 wachsenden Antisemitismus in der Schweiz und das Aufkommen der Nationalsozialisten in Deutschland. Um den Arbeitsanforderungen als Präsident der SIG gerecht zu werden, reduzierte er ab 1936 die Tätigkeit in seinem eigenen Unternehmen. Ab 1940 nahm er zusätzlich auch die Funktion eines Vertreters des "American Jewish Joint Distribution Commitee" (JOINT) an. St. Gallen wurde die finanzielle Drehscheibe für die Verteilung der Gelder der Hilfsorganisation an Juden und jüdische Organisationen in den von Nazi-Deutschland besetzten Gebieten.
Diese Aufgabe, den Opfern nationalsozialistischer Verfolgungs- und Vernichtungspolitik zu helfen, war unlösbar. Sie hätte jede Person überfordert. Saly Mayer hat mit außergewöhnlichem Engagement diese ihm übertragene Anforderung im Verborgenen zu lösen versucht. Finanzielle Engpässe, personelle Unstimmigkeiten und viele andere Dinge erschwerten seine Arbeit zusätzlich. In den letzten Kriegsjahren förderte im Auftrag von JOINT zusätzlich die illegale Einwanderung nach Palästina. Nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde Mayer und sein Engagement häufig verkannt. Vor allem wurde ihm sein wenig kommunikativer und angespannter Stil vorgeworfen, autoritär sei er gewesen. Dabei wurde nicht berücksichtigt, dass die Aufgabe für einen einzelnen Menschen sehr groß war und darüber hinaus die Umstände nicht immer demokratische Verfahrensweisen und Absprache erlaubten.
Zur Autorin: Hanna Zweig-Strauss, geboren 1931 in Frankfurt am Main. Studium der Medizin in Zürich, war als Ärztin tätig. Seit ihrem Ruhestand beschäftigt sie sich intensiv mit der neueren jüdisch-schweizerischen Geschichte. Sie hat vielfältige Artikel publiziert. 2002 erschien ihr Buch "David Farbstein (1868-1953). Jüdischer Sozialist - sozialistischer Jude. Ein Leben im Kampf gegen Benachteiligung und Ausgrenzung". Sie lebt heute in Egg in der Schweiz.
AVIVA-Tipp: Die Biografin Hanna Zweig-Strauss ermöglicht einen neuen Blick auf die Tätigkeit Saly Mayers im Nationalsozialismus. Ein integrer Mann, dem ab 1936 die schwierige Aufgabe übertragen wurde zu entscheiden, welche Juden gerettet werden konnten. Er musste in dieser Sache auch direkt mit der SS zu verhandeln. Half er – so wurde deshalb nach dem Krieg häufig gefragt - oder war er mitverantwortlich für den Tod von Verfolgten? Dieses faktenreiche Buch weist akribisch nach, dass Saly Mayer wichtigstes Anliegen der Stopp des Mordens an den europäischen Juden war.
Hanna Zweig-Strauss
Saly Mayer 1882 - 1950
Böhlau Verlag, erschienen März 2007
Gebunden, 416 Seiten
ISBN: 9783412200534
40,00 Euro