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Beitrag vom 08.09.2008
Beate und Serge Klarsfeld – Endstation Auschwitz. Die Deportation deutscher und österreichischer jüdischer Kinder aus Frankreich
Franziska Nixdorf
Ãœber 11.400 Kinder wurden im Nationalsozialismus aus Frankreich in Vernichtungslager deportiert und dort ermordet. Beate und Serge Klarsfeld erinnern mit ihrem Buch an deren Gesichter und Geschichte.
Bis heute ist es unbeschreiblich, mit welcher Grausamkeit Juden während des Nationalsozialismus in den europäischen Ländern gefangen genommen und getötet wurden. Keinem Menschen gelingt es, die Sinnlosigkeit und Erschütterung darüber in Worte zu fassen. Dies ist der Grund, warum Beate und Serge Klarsfeld in ihrem Buch "Endstation Auschwitz. Die Deportation deutscher und österreichischer jüdischer Kinder aus Frankreich" nicht nur Worte, sondern auch Bilder für sich sprechen lassen.
Es zeigt die unbeschwerten Gesichter von Kindern und Jugendlichen, die nicht ahnten, wie kurz ihr Leben sein würde. Sie wussten nicht, dass sie zu den jüdischen Kindern gehören würden, die zwischen 1942 und 1945 von den NationalsozialistInnen aus Frankreich verschleppt und ermordet werden würden. BetrachterInnen lernen ihre Namen kennen, ihre Geschichte, ihr Schicksal. Mit seiner Einleitung geht Serge Klarsfeld in "Endstation Auschwitz" auf diese Hintergründe ein. Im Anschluss folgen die rekonstruierbaren Lebensläufe von 163 Kindern mit Fotos und anderen Dokumenten sowie eine vollständige Liste der ermittelten Kinder. Dadurch können sie als individuelle und nicht als Massenopfer in Erinnerung bleiben. Briefe der Ermordeten dokumentieren zusätzlich ihren tragischen Weg in den Tod getrennt von ihren Eltern.
Die Familien der Kinder stammten aus Deutschland und Österreich. Nachdem Hitler und sein NS-Regime an die Macht gekommen waren, planten die jüdischen Eltern zu ihrem Schutz die Flucht mit ihren Kindern nach Frankreich. Doch obwohl sie sich dort sicher glaubten, wurden die Familien von der französischen Vichy-Regierung verraten und an die deutschen NationalsozialistInnen ausgeliefert.
Unter ihnen 11.400 jüdische Kinder im Alter zwischen zwei und achtzehn Jahren. Sie wurden gewaltsam von ihren Eltern getrennt und in Begleitung anderer Erwachsener nach Auschwitz deportiert, um den Schein zu wahren, dass Familien nicht entzweit wurden. Der erste von sieben Transporten mit Kindern war der Transport Nr. 20, in dem sich etwa 584 Kinder und Jugendliche befanden. In späteren Transporten wurden selbst Neugeborene deportiert.
Zu den AutorInnen: Serge Klarsfeld, der 1935 als Sohn jüdischer Eltern in Bukarest geboren wurde, ist Rechtsanwalt und Historiker. Auch er erlebte die Flucht vor den NationalsozialistInnen mit seiner Familie und verlor seinen Vater, der in Auschwitz ermordet wurde.
Beate Klarsfeld wurde durch ihre Ohrfeige am 7. November 1968 gegen den damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger berühmt, dem sie seine Nazivergangenheit vorwarf. Die 1939 in Berlin geborene Journalistin kämpfte zusammen mit ihrem Mann unermüdlich für die Bestrafung von NS-Verbrechern. Es ist vor allem ihnen zu verdanken, dass gegen einige Hauptverantwortliche des NS-Polizeiapparates in Frankreich Strafprozesse geführt wurden. 1971 versuchte sie gemeinsam mit ihrem Mann, den für die Deportation von 76.000 Menschen aus Frankreich verantwortlichen Kurt Lischka gewaltsam aus Deutschland zu entführen und der Justiz in Paris auszuliefern. Weiterhin bewirkten sie unter anderem Verfahren gegen Herbert Hagen, Ernst Heinrichsohn, Klaus Barbie und Alois Brunner, die ebenso für die Ermordung hunderttausender Juden verantwortlich waren.
Beate Klarsfeld ist zusammen mit ihrem Mann Serge Klarsfeld Begründerin der französischen Organisation "Fils et Filles des Déportés Juifs de France", FFDJF, und der Beate Klarsfeld Foundation, die auf die Vergangenheit zahlreicher NS-Verbrecher aufmerksam machte und Gerechtigkeit forderte. Die französische Bahn SNCF unterstützte das Fotoprojekt der Organisation über die 11.400 ermordeten jüdischen Kinder und zeigte drei Jahre lang auf 18 Bahnhöfen eine Wanderausstellung. Die Deutsche Bahn hingegen lehnte diese Ausstellung "aus Sicherheitsgründen" ab. Erst 2006 fand eine Einigung über die Wanderausstellung "Sonderzüge in den Tod" statt.
Weitere Informationen zur Beate Klarsfeld Foundation finden Sie unter:
www.klarsfeldfoundation.org
Weitere Informationen zur französischen Organisation "Fils et Filles des Déportés Juifs de France"/FFDJF (Söhne und Töchter der jüdischen Deportierten Frankreichs) finden Sie unter:
ffdjf.org
AVIVA-Tipp: Beate und Serge Klarsfeld konnten nach jahrezehntenlangen Recherchen mit "Endstation Auschwitz" ein Gedenkbuch an die Deportation aller jüdischer Kinder aus Frankreich schaffen, das unter die Haut geht. Die fröhlichen, unbeschwerten Augen, die die BetrachterInnen auf den Bildern anschauen und die nicht ahnten, welches Schicksal ihnen bevorstand, lassen einen nicht mehr los. Das Buch ermöglicht nicht nur eine historisch informative, sondern ebenso eine sehr persönliche Betrachtungsweise der Schicksale tausender junger Menschen, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatten. Ihr sinnloser und grausamer Tod sollte eine Mahnung sein und jedem/r vor Augen halten, dass solche Verbrechen nie wieder geschehen dürfen.
Beate und Serge Klarsfeld
Endstation Auschwitz
Deportation deutscher und österreichischer jüdischer Kinder aus Frankreich
Ein Erinnerungsbuch
Böhlau Verlag, 1. Auflage, erschienen im August 2008
Gebundene Ausgabe, 187 Seiten, 24 x 16 x 1,8 cm
ISBN: 978-3-412-20156-2
Preis: 17,90 Euro
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