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Beitrag vom 11.03.2011
Kari Herbert - Polarfrauen. Mutige Gefährtinnen großer Entdecker
Ute Vetter
Der erste Mensch, der den geographischen Nordpol zu Fuß erreichte, war der Brite Sir Walter William Herbert im Jahr 1969. Seine Tochter Kari Herbert porträtiert vor dem Hintergrund abenteuerlich-...
... männlicher Lebensläufe sechs Ehefrauen berühmter Polarforscher. Der längst vergangene Wettstreit um das Erreichen der Pole, entfaltet sich bildhaft vor den Augen der LeserInnen.
Die eisigen Breiten der Arktis haben bis heute ihre faszinierende Aura nicht verloren. Bittere Kälte, schneidende Stürme und unberechenbares Packeis zählen zu den natürlichen Herausforderungen der arktischen Regionen. Seefahrer und Abenteurer des 19. Jahrhunderts riskierten Leib und Leben. Teure Expeditionen, nach höchstem wissenschaftlichen Kenntnisstand ausgestattet, wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu nationalen Wettkämpfen stilisiert. Das Erreichen der Pole stand symbolisch für Fortschritt, Mut und Macht.
Um als erste den Ausgangspunkt der Längengrade mit Fahnen und Fußstapfen zu markieren schreckten Forscher vor rühmlichen und unrühmlichen Taten nicht zurück. So gaben 1909 Robert Peary und Frederick Cook unabhängig voneinander vor, den Nordpol erreicht zu haben. Beiden wurde später nachgewiesen, dass ihre strapaziösen Unternehmungen nicht "den angegebenen Erfolg" hatten. Ihre Diskreditierung war eine schwerer Schlag für Wissenschaft und Forschung.
Die Autorin, Journalistin, Fotografin und Verlegerin Kari Herbert wählte sechs Ehefrauen von fünf berühmten Polarforschern der letzten zwei Jahrhunderte aus: Eleanor Anne Porden (verheiratete Franklin), Lady Jane Franklin, Josephine Peary, Emily Shackleton, Katleen Scott und Marie Herbert, die Mutter der Autorin. Sie erzählt die Lebensgeschichte der Frauen anhand von Briefen, Aufzeichnungen, allgemeingesichert und bekannte Daten und Fakten.
Das persönliche und intime Wissen um die Gefühle der Frauen ist stark durch eigene Erfahrungen geprägt. Kari Herbert reiste als Kleinkind 1971 mit ihren Eltern nach Nordwestgrönland und lebte dort zwei Jahre lang in einer Dorfgemeinschaft mit Inuit-Jägern. Ihre Familiengeschichte fließt deutlich in den Text mit ein.
Die Autorin setzt die LeserInnen über bedeutende Expeditionen zu den Polen ausführlich in Kenntnis. Auch die dunklen Seiten der ehrgeizigen Unternehmungen finden ihren Platz. So brachte Robert Peary 1897 eine Gruppe von sechs Inuit nach New York, die für Schaulustige und Forschungszwecke im Museum zu betrachten waren. Bis auf zwei starben die Mitglieder der kleinen Inuit-Gruppe nach kurzer Zeit. Um nicht mit leeren Händen von seiner Expedition zurückzukehren raubte er den BewohnerInnen der Arktis nicht nur den mythenumrankten "Eisernen Berg", der später für 40 000 Dollar verkauft wurde, sondern exhumierte auch Leichen von Jägern, die er kannte, um sie in Fässern für das American Museum of Natural History in New York einzuschiffen.
Über die Frauen gibt es zu erfahren, dass Jo Peary, als eine der wenigen ihren Ehemann mehrere Male in die Arktis begleitete. Sie lebte dort mit den Inuit und brachte 1991 dort ihr erstes Kind in der arktischen Kälte zur Welt. Später hielt sie Vorträge vor der National Geographic Society, um Geld zu sammeln mit dem Schiffe für ihren Mann ausgestattet werden konnten. Geschäftstüchtig, geduldig und aufopfernd wahrte sie nach Ausführungen der Autorin, Kari Herbert, stets die Interessen ihres Mannes. Marie Herbert, gebar ebenfalls eine Tochter in der Arktis und veröffentlichte Bücher über das Leben der Inuit in Grönland.
Emily Shackleton, war stets auf sich gestellt. Sie musste zwei Kinder durchbringen und gleichzeitig noch für Sponsorengelder sorgen. Nach dem Tod ihres Mannes im Eis ordnete sie seine Hinterlassenschaften und zahlte seine Schulden ab. Ihr Mann, der britischem Forscher Ernest Henry Shackleton, versuchte den geographischen Südpol im Jahr 1909 zu erreichen. Er verfehlte ihn um tragische 180 km.
Jane Griffin hingegen, die zweite Frau Franklins, galt als unternehmungslustige Gattin, die den australischen Kontinent und Tasmanien auch ohne ihren Mann durchquerte und ihre große Reiselust stillte. Nach dem spurlosen Verschwinden ihres Mannes auf seiner letzen Expedition zur Erforschung der Nordwestpassage engagierte sie sich hartnäckig für die Finanzierung umfangreicher Suchaktionen und akquirierte schwindelerregende Summen. Sie brachte damit die größte Rettungsaktion in der Polargeschichte auf den Weg.
Das Buch gibt einen informativ-unterhaltsamen Einblick in die Epoche der nationalen Erforschung der Pole und macht den Zusammenhang von Marine, Forschung, privater Abenteuerlust und wirtschaftlichen Interessen einzelner Staaten deutlich.
Die ansonsten sehr gelungene und kurzweilige Darstellung leidet ein wenig unter Kari Herberts Auffassung von "weiblichen Gefährtinnen". Sie schiebt ihre sehr persönlichen Ansichten von Ehefrauen als loyale Unterstützerinnen der Männer auffällig unauffällig über den Text. Sie bleiben so, trotz der ursprünglichen Absicht der Autorin, diese in den Fokus zu stellen, in deren Schatten. Kari Herbert rüttelt am Image der zielstrebigen und forschenden Männer als Helden der Arktis keinesfalls. Der persönliche und sensible Duktus, der "Polarfrauen. Mutige Gefährtinnen großer Entdecker" ausmacht, liegt vermutlich in der Biografie der Autorin begründet. Ihr Vater, Sir Wally Herbert, erreichte mit der "British Trans-Arctic Expedition" 1969 zu Fuß den Nordpol.
Zur Autorin: Kari Herbert, Jahrgang 1970, war zehn Monate alt, als ihr Vater Sir Wally Herbert sie und ihre Mutter zu seiner Forschungsarbeit im hohen Norden Grönlands mitnahm. Sie wuchs dort in einer Inuitgemeinde auf und arbeitet heute als Autorin, Journalistin, Fotografin und Verlegerin in London. 2004 erschien ihre gefeierte Autobiografie "The Explorer´s Daughter" (www.polarworld.co.uk).
(Quelle: Verlagsinformationen)
AVIVA-Tipp: "Polarfrauen - Mutige Gefährtinnen großer Entdecker" erschienen im Malik Verlag, ist eine spannend zu lesende, einfühlsame und sehr informative Lektüre über Frauen, die an der Seite ihrer besessenen polarforschenden Ehemänner ausharrten. Für Liebhaberinnen der arktischen Breiten eignet sich dieses Buch hervorragend, denn die Lektüre bietet nicht nur eine Zusammenfassung von 200 Jahren abenteuerlicher Polargeschichte, sondern auch Einblicke über die finanzielle Realisierung arktischer Expeditionen des 19./20. Jahrhunderts.
Kari Herbert
Polarfrauen - Mutige Gefährtinnen großer Entdecker
Originaltitel: Heart of the Hero
Aus dem Englischen von Frank Auerbach, Theresia Übelhör, Linde Wiesner
Malik Verlag, erschienen im September 2010
Piper Verlag/Malik
Gebunden, 368 Seiten, mit 22 Schwarz-Weiß-Fotos
ISBN: 9783890293820
22,95 Euro