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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 14.05.2011


Amazonen - herausgegeben von Nadine Barth
Marie-Luise Wache

Für das Brustkrebsprojekt von Uta Melle inszenierten die Fotografinnen Jackie Hardt und Esther Haase starke Frauen, die sich ihrer Erkrankung und den Konsequenzen stellen. Diese Fotostrecken...




... sind in einem beeindruckenden Bildband im Mai 2011 im Kehrer Verlag erschienen.

Der Gedanke zu diesem Projekt kam Uta Melle (42), damals noch Kontakterin für eine Berliner Werbeagentur, als sie von ihrer Diagnose Brustkrebs erfuhr. Aus einer letzten Fotosession vor der Operation, ein Geschenk der befreundeten Fotografin Jackie Hardt, entstand die Idee, auch Nachher-Bilder auf Film festzuhalten. Mit ihrem Mut und dem uneingeschränkt, selbstbewussten Auftreten hat sie es schließlich geschafft, zwanzig Frauen, geboren zwischen 1956 und 1974, für das Projekt zu begeistern. Wer den Bildband aufschlägt, sieht nun eine Armee aus beeindruckend selbstbewussten und femininen Amazonen, die den Kampf gegen den Krebs aufgenommen haben. Zusätzlich zu den Fotografien lieferten Sophie Albers, Journalistin und Kulturredakteurin bei stern.de und Beate Wedekind, frühere Chefredakteurin von Elle und Bunte, einführende Texte über das Projekt und die Frau die dies alles realisierte, Uta Melle.

"Amazonen" - damals und heute

Der Legende nach amputierten sich Amazonen in der Antike eine Brust, um besser mit Pfeil und Bogen umgehen zu können. Für die Arbeit mit den an Krebs erkrankten Frauen hätte es keinen besseren Titel geben können. Denn so wird deutlich, dass mit fehlenden Körperteile nicht gleichzeitig Schwäche einhergehen muss. Selbst wenn, im Gegensatz zu der Geschichte der Amazonen, das Schicksal nicht selbstgewählt ist, verkörpern die in diesem Bildband portraitierten Frauen die Anmut und Stärke des weiblichen Geschlechts. Es sind Kriegerinnen, die in diesem Fall die Kraft gefunden haben, gegen den Krebs anzukämpfen.

Ähnlich wie mit der Sage um das Volk der Amazonen existiert in unserer Gesellschaft oft nur eine vage Vorstellung der Krankheit Brustkrebs und was diese für Folgen für die Betroffene mit sich bringt. Das Thema wird seit Jahren durch verschiedene Benefiz-Veranstaltungen wie dem Avon-Running-Frauenlauf für die Berliner Krebsgesellschaft e.V. publik gemacht. Auch treten viele prominente Frauen wie Melissa Etheridge, Kylie Minogue oder Sheryl Crow mit ihrer Diagnose an die Öffentlichkeit und verhelfen somit zu einem breiteren Bewusstsein, was die Auswirkungen und Komplikationen der Krankheit betrifft. Durch den 2010 entstandenen Bildband "Amazonen" treten die zwanzig porträtierten Kämpferinnen mit ihrem Schicksal ans Licht und machen das Thema "Brustkrebs" nun auf künstlerische Art und Weise publik.

© Esther Haase: Anne, Sammy, Ursula, Rita, Lina, Uta, Martina, Marina


Das, was alle miteinander verbindet, ist eine im Prozess der Krankheit gewonnene, gesunde Portion Egoismus und die Erkenntnis, dass zu wenig Zeit verbleibt, um sich mit heuchlerischen oder oberflächlichen Menschen, unwichtigen Problemen oder leeren Worten auf die keine Taten folgen abzugeben.

Anne (geboren 1965):
"Ich achte darauf, dass ich mir den Stress durch andere Menschen erspare. Jemand der mich auf meinen Körper reduziert, ist mir als Umgang nicht passend."

Diesen Prozess hat Jede anders erfahren und durchlebt.
Von einem "kurzen Einknicken", "einem Problem von vielen" bis hin zu einer positiven Änderung des Lebensstils in Richtung Zurückgezogenheit oder einem mutigeren Auftreten und Verlangen nach dem, was man begehrt.

Martina (1966):
"Ich möchte anderen Frauen Mut machen. Krebs bedeutet nicht Tod. Der Weg, den ´man` gehen muss, ist teilweise sehr schwer, man verändert sich nicht nur äußerlich, sondern auch innen. Aber es lohnt sich zu kämpfen, denn das Leben ist auch danach schön."

Die international renommierte Beauty- und Modefotografin Jackie Hardt, die sich für mehrere Charityprojekte, unter anderem Oxfam International engagiert, inszeniert in "Amazonen" die Frauen als verführerische, kriegerische Wesen.
Mit der Requisite für ihre im Studio entstandenen Porträts reist sie durch die wechselvollen und mächtigen Zeiten der Menschheit. Rüstungen, Helme, barocke Gewänder, majestätisches Geschmeide oder Kopfschmuck aus Federn dienen dazu, die Frauen als eine die Jahrtausende überdauernde Herrscherin darzustellen. Zusätzlich zu den perfekt ausgeleuchteten Aufnahmen, die wie Gemälde anmuten, stehen autobiografische Texte, in welchen die Frauen erzählen, wie der Krebs ihr Leben verändert hat.

Im Gegensatz dazu zeigen die Fotografien von Esther Haase, die mit ihren vielschichtigen und aufwendigen Fotografien unter anderem mit dem Reinhold-Wolf-Preis und dem Kodak-Pixel-Award ausgezeichnet wurde, eine verspieltere Seite. Bilder, die wie Schnappschüsse wirken, zeigen die Frauen intimer und verletzbarer. Esther Haase inszeniert die Amazonen als wilde und verführerische Wesen. Dabei wird den Porträtierten viel Raum für eigene Vorstellungen gelassen, so konnte Jede selbst entscheiden, wie weit sie sich inszenieren mochte. Neben den sorgfältig ausgewählten, intimen Szenen sind die Frauen auch vor aufwendig inszenierten Kulissen mit glanzvoller Requisite und Kostümen in Szene gesetzt.

Durch die bewusst glamouröse und gleichzeitig sensible Darstellung der Frauen wird deutlich, dass die Schönheit und Attraktivität Jeder genauso präsent ist wie vor der Operation. Auch um den Zusammenhalt der Frauen in guten wie auch schwierigeren Zeiten zu verdeutlichen, treten diese auf den Fotos nahbar, humorvoll und melancholisch in Gruppen auf. Ähnlich wie die Porträts von Jackie Hardt zeigen die Bilder Esther Haases erneut, dass Amazonen aufgrund ihrer zwei Gesichter, dem Kämpferischen und dem Erotisch-Weiblichen, faszinierende Wesen sind.

© Jackie Hardt: Elena


Beate (1969):
"Ich habe viele Menschen während der Chemotherapie ohne Haare gesehen. Ich empfand sie trotzdem alle als schön. Ich habe Frauen ohne Brüste gesehen. Ich empfand sie als schön. Schönheit ist nicht das, was wir ursprünglich annahmen, was Schönheit zu sein hat."

Auch wenn Ursula, eine der Amazonen, den Kampf inzwischen verloren hat, steht die Arbeit der fotografierten Frauen, der Fotografinnen und Herausgeberinnen dafür, der Krankheit mutig entgegenzutreten.

AVIVA-Tipp: Mit der Bewunderung für die Amazonen, dem Stolz auf den Kampfgeist der abgebildeten Frauen, dem Wissen, dass ein Verlust von etwas Äußerlichem keinesfalls ein Verlust der Attraktivität bedeutet und dem Gefühl, dass in Jeder eine Kriegerin stecken kann, wird frau den Band sicher öfter in die Hand nehmen wollen.

Zu den Fotografinnen:

Jackie Hardt
arbeitete lange als internationales Model und Schauspielerin bevor sie erfolgreich hinter die Kamera wechselte. Spezialisiert hat sie sich seit 2005 auf die Bereichen Beauty, Mode und Porträt. Ihre Fotografien sind unter anderem in vielen international anerkannten Magazinen wie Elle, Rolling Stone oder Vanity Fair erschienen.
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.jackiehardt.com

Esther Haase,1966 in Bremen geboren, fand erst über eine Ballettausbildung an der Tanzakademie Köln und einer darauffolgenden knapp dreijährigen Bühnenerfahrung am Bremer Theater ihren Weg zur Fotografie. Mit ihren opulenten und vielschichtigen Bildinhalten, der Begeisterung für sich bewegende Körper, Freude an der Verkleidung und dem Skurrilen ist Esther Haase Preisträgerin vieler weltweit anerkannter Preise. Seit knapp 16 Jahren arbeitet sie nun für bekannte internationale Modemagazine und WerbekundInnen. 2010 erschien ihr Bildband "Rock´n´Old" im Kehrer Verlag.
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.estherhaase.de

Zu den Autorinnen:

Sophie Albers
arbeitet derzeit als Kulturredakteurin für stern.de. 1970 wurde sie in Hamburg geboren und hat zunächst Film, Geschichte und Literatur studiert bevor sie begann, als Journalistin für verschiedene Magazine zu arbeiten. Im Herbst 2009 traf sie auf Uta Melle, um mit ihr zum ersten Mal das Amazonen-Projekt zu besprechen. In einem Vortext zum Bildband "Amazonen" schildert Sophie Albers die Situation am Set auf sensible und eindrückliche Art und Weise. 2011 wurde ihr Debütroman "Wunderland" im Knaus Verlag herausgegeben.

Beate Wedekind, Jahrgang 1951, lebt derzeit als Produzentin und Autorin in Berlin. Vor dem Beginn ihrer journalistischen Laufbahn 1979 als Volontärin bei der Berliner Zeitung arbeitete sie zunächst als Bankkauffrau, Stewardess, Sekretärin, Übersetzerin sowie Entwicklungshelferin in Äthiopien. Nachdem sie ihre Posten als Chefredakteurin für Elle und Bunte verlassen hat, ist sie nun Herausgeberin der Zeitschrift 365_OneWorldMag. Neben ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin war sie auch als Co-Autorin zum Beispiel für die Biografie von Susanne Juhnke tätig.
Weitere Informationen finden Sie unter:
Informationen zum 365_OneWorldMag
beatewedekind50plus.blog.de

Zur Herausgeberin:

Nadine Barth
ist 1964 in Hamburg geboren. Seit 1991 arbeitete sie als freie Autorin unter anderem für Spiegel, Focus, Die Woche und Süddeutsche Zeitung. Von 2003 bis 2004 war sie zusätzlich stellvertretende Chefredakteurin der Zeitschriften Amica und Amico. Mit ihrer Agentur barthouse culture concepts organisiert sie nun Ausstellungen und Kulturprojekte und publiziert über Fotografie.
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.barthouse.de

Amazonen – herausgegeben von Nadine Barth
Das Brustkrebs-Projekt von Uta Melle

Mit Fotografien von Jackie Hardt und Esther Haase, Texten von Sophie Albers, Beate Wedekind und den porträtierten Frauen
Festeinband, 128 Seiten
30 Farb- und 47 S/W-Abbildungen
Kehrer Verlag, erschienen 2011
www.kehrerverlag.com
ISBN 978-3-86828-209-2
30 Euro

Weitere Informationen zum Thema Brustkrebs:

Aktiv handeln gegen Brustkrebs: www.brustkrebs-aktion.de

Breast Cancer Action Germany - eine unabhängige Interessengemeinschaft: www.bcaction.de

Brustkrebs Deutschland e.V. – Prognose Leben, u.a. mit Lexikon!: www.brustkrebsdeutschland.de

Brustkrebs Info e.V.: www.brustkrebs-info.de

Brustkrebs – Initiative Hilfe zur Brustgesundheit e.V.: www.brustkrebs.net

Die Deutsche Krebsgesellschaft: www.krebsgesellschaft.de
Deutsche Krebshilfe: www.krebshilfe.de

Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums: www.krebsinformationsdienst.de/brustkrebs

mamazone e.V. - eine Patientinnen-Initiative: www.mamazone.de

Initiative "Welt ohne Brustkrebs" der Marken Estée Lauder, Clinique, Aramis and Designer Fragrances, Origins, Bobbi Brown, Aveda, Jo Malone, La Mer: www.Welt-ohne-Brustkrebs.de

The Breast Cancer Research Foundation: www.bcrfcure.org


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Sophie Albers - Wunderland

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Bedrohung Brustkrebs – Vor- und Nachteile der Mammografie

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Elizabeth Subercaseaux - Eine Woche im Oktober

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Literatur

Beitrag vom 14.05.2011

AVIVA-Redaktion