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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 13.04.2011


Marie Marcks - Meister der komischen Kunst
Claire Horst

Marie Marcks ist eine der bedeutendsten deutschsprachigen CartoonistInnen. Seit einem halben Jahrhundert kommentiert sie das politische Geschehen in Zeitungen und Zeitschriften. Nicht nur die ...




... Frauenbewegung der 60er Jahre hat sie kritisch begleitet, auch wenn sie mit diesem Thema bekannt geworden ist.

In der Reihe "Meister der komischen Kunst" stellt der Verlag Antje Kunstmann bedeutende CartoonistInnen vor. Marie Marcks steht dabei gleichberechtigt neben Künstlern wie Chlodwig Poth und F.K. Waechter.

Das hat sie auch verdient. Denn in ihren Zeichnungen und Bildergeschichten hat Marcks immer schon aktuelle Debatten pointiert aufs Korn genommen – ob es um den "neuen Mann" und um die emanzipierte Frau ging oder um den Umweltschutz. Heute sind es eher Themen wie die arrivierten ehemaligen 68er, die sich mit Veuve Cliquot zu ihrer kämpferischen Vergangenheit beglückwünschen. "Tja, es war ein langer Marsch (durch die Institutionen)… Aber er hat sich ausgezahlt!", prosten die ehemals Langhaarigen sich vor der eigenen Villa zu.

Ihre Zeichnungen sind ebenso unverwechselbar wie ihre Texte. Dabei hat die 1922 geborene Künstlerin kaum Zeit gehabt, sich um eine formelle Ausbildung zu kümmern. Nach der Geburt ihres ersten Kindes brach sie ihr Architekturstudium ab, bekam noch vier weitere Kinder, die sie teilweise allein aufzog, und begann bereits Ende der 40er Jahre als freie Grafikerin und Illustratorin zu arbeiten.

Zunächst waren es Werbeplakate, etwa für einen Jazzclub, die sie illustrierte. Erst in den 60er Jahren kamen auch Bücher dazu, später dann Illustrationen für die Zeitschrift "atomzeitalter". Vielleicht angeregt durch ihre eigene Familie, begann sie dann Kinderfilme zu zeichnen und übernahm Karikaturen für große Tageszeitungen. Für ihr Lebenswerk wurde sie 1994 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, außerdem erhielt sie zahlreiche weitere Preise.

Neben einer Zusammenstellung von Zeichnungen der Künstlerin aus verschiedenen Jahrzehnten enthält der Band auch einen Aufsatz ihres früheren Herausgebers Claus Koch und ein Interview. Was Marcks´ Zeichnungen von anderen unterscheidet, stellt Koch heraus: "Satire war ihr immer zu wenig… Marie Marcks bleibt notfalls etwas unwitziger – weil sie zeigen möchte, dass man ein tapferes Herz haben kann." Das führt dazu, dass Marcks` Zeichnungen zum Teil etwas harmlos und zahnlos wirken. Ihre "Assistentin", die einem doppelt so großen Vorgesetzten (oder Ehemann?) den Aschenbecher hält, drückt trotzdem genau aus, was an der üblichen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau so falsch ist. Marcks` Zeichnungen vermitteln ihre Botschaft leise, aber trotzdem deutlich. Brüllendes Gelächter lösen sie sicher nicht aus. Zum Nachdenken bringen sie definitiv.

Marie Marcks legt zwar großen Wert darauf, ihre Unabhängigkeit zu betonen – so habe sie weder politisch in eine bestimmte Richtung festgelegt, noch sei sie jemals Teil der Frauenbewegung gewesen. Trotzdem hat sie sich nie gescheut, eine klare Meinung zu gesellschaftlichen Themen zu vertreten. Die Welt, die sie zeichnet und beschreibt, kennt sie genau.

"Ich hatte sicher als Frau, damals als einzige Frau in einer von Männern dominierten Zeitungswelt, einen ganz anderen Blick auf das Weltgeschehen – ich hatte fünf Kinder, drei Mädchen und zwei Jungen, und wenn es etwa um Kriegsgefahr und Wiederbewaffnung ging, waren die natürlich beim Zeichnen immer in meinem Hinterkopf. Die männlichen Kollegen brachten diese emotionale Komponente sehr viel weniger in ihre Arbeit ein, sie reflektierten und thematisierten diese ganz persönlichen Bedrohungen praktisch überhaupt nicht. Ähnlich war es mit dem Paragraph 218, Schwangerschaftsabbruch: Die Männer machten zwar die Gesetze, aber die Sache selber interessierte sie nicht wirklich – mich schon."

AVIVA-Tipp: Die Zeichnungen waren alle schon irgendwo zu sehen und finden sich auch in zahlreichen Anthologien. Trotzdem ist diese Zusammenstellung etwas Besonderes, weil die Entwicklung der Zeichnerin von den 40er Jahren bis heute nachzuvollziehen ist. Die Zeichnungen bilden den veränderten Zeitgeist über die Jahrzehnte hinweg ab – und zeigen zugleich unveränderte Realitäten, wenn etwa ein Witz über die Lohnungleichheit heute noch genauso aktuell ist wie vor 40 Jahren. Schade ist nur, dass die Einzelnachweise zu den Karikaturen fehlen.

Zu der Autorin: Marie Marcks (Jahrgang 1922) – die "Grande Dame" der Karikatur hat seit den frühen 1960er Jahren wesentlich dazu beigetragen, Themen wie Emanzipation und Umweltschutz im Bewusstsein der Deutschen zu verankern. Ihre Zeichnungen prägten darüber hinaus das Erscheinungsbild von Medien wie der Süddeutschen Zeitung, des SPIEGEL, des STERN und vieler anderer Blätter. (Verlagsinformationen)

WP Fahrenberg (Herausgeber)
Meister der komischen Kunst: Marie Marcks

Verlag Antje Kunstmann, erschienen am 28. März 2011
16,40 Euro
112 Seiten, vierfarbig, gebunden
ISBN 978-3-88897-717-6

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Beitrag vom 13.04.2011

Claire Horst