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Beitrag vom 31.01.2011
Zwei neue Ratgeber zum Thema Wechseljahre
Claire Horst
Seit seiner Gründung 1974 erscheinen im Orlanda-Verlag vor allem politische Frauenbücher und Bücher zum Thema Frauengesundheit. Zwei interessante Werke beschäftigen sich mit einem ...
... für viele unangenehmen Thema, mit den Wechseljahren.
Dr. Mimi Szyper, Dr. Catherine Markstein - Gestern jung und morgen schön
Die beiden Ärztinnen Mimi Szyper und Catherine Markstein wollen Schluss machen mit der pathologisierenden Sicht auf die Wechseljahre. Schließlich handele es sich nicht um eine Krankheit, sondern um einen ganz normalen, natürlichen Vorgang. Auch die Autorinnen selbst mussten sich einst von eigenen Vorurteilen befreien - das geschah im Zuge der Frauenbewegung der 70er Jahre.
Doch der historische Überblick, den die Autorinnen bieten, holt noch weiter aus: Die Entwicklung der Frauenheilkunde zeichnen sie von Anfang an nach. Bereits im 19. Jahrhundert wurden die meisten Hebammen aus der Berufswelt verdrängt, ihre Tätigkeit übernahmen meist männliche Ärzte. Ein weiteres einschneidendes Ereignis ist für Szyper und Markstein die Entdeckung des Östrogens. Diese Entwicklung führte zur Erfindung der "Krankheit" Wechseljahre in den 1920ern.
Die neue "Mode" Hormontherapie seit den 1960ern, das Horrorszenario Osteoporose - zahlreiche vermeintlich neutrale medizinische Neuerungen befriedigen den Autorinnen zufolge vor allem die finanziellen Interessen der Pharmaindustrie. Von Anfang an waren es vor allem Feministinnen, die sich gegen derartige Entwicklungen wehrten, auch das wird in dem Buch deutlich.
Doch Szyper und Markstein klagen nicht nur, sondern bieten Gegenstrategien an. Denn es geht ihnen darum, die Verantwortung selbst zu übernehmen. Statt von immer neuen Medikamenten abhängig zu sein, die gar nicht helfen, sollten Frauen sich "andere Rollen zuschreiben und diese auch einnehmen."
Neben den rein körperlichen Begleiterscheinungen der Wechseljahre geht es also vor allem um den psychologischen Aspekt. Zwar nennen Szyper und Markstein auch natürliche Heilmittel, die bei Hitzewallungen oder zur Prävention von Osteoporose helfen. Vor allem geht es ihnen aber um eine Versachlichung und um ein Ende der Pathologisierung der Wechseljahre.
AVIVA-Tipp: Wie können Frauen für sich selbst sorgen -gesundheitlich, seelisch, sexuell? Die Wechseljahre sind eine Zeit der Veränderung und des Aufbruchs - und das ist durchaus positiv gemeint! Selbst wenn der Ratgeber nur zu einer positiveren Einstellung führt, wäre ein Ziel der Autorinnen schon erreicht.
Zu den Autorinnen:
Dr. Mimi Szyper ist Neuropsychiaterin. In den USA wie in Europa arbeitete sie in verschiedenen Kliniken und hat zuletzt die Kinderneurologie der Universitätskinderklinik in Brüssel gegründet und geleitet. 50-jährig zieht sie sich für ein kontemplatives Leben aus dem Klinkalltag zurück.
Dr. Catherine Markstein hat 22 Jahre als Klinikärztin gearbeitet. Mit 48 Jahren kündigt sie in der Klinik, trifft Julia Onken und Rina Nissim. Von feministischen Gesundheitskonzepten angeregt, gründete sie selbst Frauenorganisationen und leitet seit 2004 Gruppen, in denen Frauen gemeinsam die Zeit der Wechseljahre erleben. (Verlagsinformationen)
Dr. Mimi Szyper/ Dr. Catherine Markstein
Gestern jung und morgen schön. Wechseljahre - Schluß mit den Vorurteilen
Erschienen 2010
220 Seiten
17,90 Euro
ISBN: 978-3-936937-77-0
Rina Nissim - Wechseljahre Wechselzeit. Ein Handbuch für Frauen
Auch Rina Nissim betont die positiven Aspekte der Wechseljahre. Diese Zeit ermöglicht Neues, denn endlich haben viele Frauen Raum zur Selbstentfaltung und Neuentdeckung des Selbst. Für die Heilpraktikerin Nissam sind negative Einstellungen der Umwelt und die Macht der Pharmaindustrie am schlechten Bild der Wechseljahre schuld. "In unserer Gesellschaft werden wir über unsere Weiblichkeit, d.h. auch über unsere Gebärfähigkeit definiert." Wer nicht mehr gebären kann, hat seine Existenzberechtigung eigentlich verloren.
Nissams Kritik der Schulmedizin richtet sich vor allem gegen die negativen Folgen vorschneller Medikamentengabe. So gehört auch Krebs zu den Nebenwirkungen von Hormontherapien - die dennoch leichtfertig verordnet werden. Statt Hormonbehandlung und Vitaminpräparaten sind eine gesunde Ernährung und sportliche Betätigung sinnvoller. Nissim, die eine heilkundliche Praxis führt, nennt pflanzliche Rezepte und Bewegungstipps gegen häufig auftretende Beschwerden. Tees und Tinkturen, Sude und Lotionen zum Selbermachen geben der Leserin das Gefühl, vielleicht doch nicht auf hormonelle Hämmer angewiesen zu sein. Zudem erklärt Nissam auch die Gründe für die unterschiedlichen Beschwerden - woher kommen überhaupt diese Hitzewallungen? Was passiert im Hormonkreislauf, welche organischen Veränderungen treten ein?
Wie Szyper und Markstein greift auch Nissim Äußerungen zahlreicher Frauen auf. So wird deutlich, wie unterschiedlich die Erfahrungen mit den Wechseljahren sind. Positiv hervorzuheben ist bei ihrem Buch, dass sie auch die Situation von Transsexuellen hinweist, die ja zeitlebens auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen sind. Auch zum Sexualleben hat Nissam vieles zu sagen. Wechseljahre bedeutet auf keinen Fall ein Ende des Geschlechtsverkehrs, auch wenn diese Meinung weit verbreitet ist.
AVIVA-Tipp: Die Wechseljahre lustvoll erleben, das ist auch hier das Ziel. Die vielen Tipps zur Selbstbehandlung ermöglichen eine aktivere Haltung und helfen dabei, sich "den Hormonen" weniger ausgeliefert zu fühlen.
Zur Autorin: Rina Nissim ist Heilpraktikerin, Autorin und Mitgründerin des Genfer Frauengesundheitszentrums. Seit 20 Jahren führt sie eine eigene Praxis in Genf sowie den Verlag Éditions Mammamélis. Bei Orlanda erschienen außerdem "Lustvoll" und "Naturheilkunde in der Gynäkologie. Ein Handbuch für Frauen." (Verlagsinformationen)
Rina Nissim
Wechseljahre Wechselzeit. Ein Handbuch für Frauen
überarbeitete und erweiterte Neuauflage 2008
ca. 200 Seiten
978-3-936937-61-9
15,90 Euro
Passend zum Erscheinen der beiden Bände weist das feministische FrauenGesundheitszentrum Berlin auf eine neue Studie hin. Diese belegt die negativen Folgen der Hormontherapie:
"Die neuesten Ergebnisse der von der Deutschen Krebshilfe geförderten MARIE-Studie an 10.000 Frauen belegen, dass 30 Prozent aller Fälle von Brustkrebs nach den Wechseljahren durch den Verzicht auf die Hormontherapie und mehr Bewegung zu vermeiden wären. 19,4% der Fälle von invasivem Brustkrebs gehen auf die Hormoneinnahme zurück, 12,8% auf den Mangel an körperlicher Aktivität. Wenn diese Zahlen zugrunde gelegt werden, würden jedes Jahr ca. 10.000 Frauen in Deutschland allein aufgrund der Hormoneinnahme erkranken, weitere 5000 Frauen aufgrund zu geringer Bewegung." (Presseerklärung des FFGZ
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