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Beitrag vom 15.07.2010
Frauen, einfach genial - Barbara Sichtermann und Ingo Rose
Marie Heidingsfelder
Überrascht stellen die AutorInnen in ihrer Einleitung fest, dass es nicht immer männliche Genies sind, die hinter den Erfindungen des Alltags stecken. Ach was. Ein gut gemeintes, aber...
...anachronistisches Portrait von 18 Erfinderinnen, "die unsere Welt verändert haben".
Glaubt man den Geschichtsbüchern, so ist die geistige Sphäre der Genies Männern vorbehalten: Man spricht von Aristoteles, da Vinci oder Goethe und ihrer außerordentlichen Intelligenz, Kreativität und Schaffenskraft. Der Knesebeck-Verlag gönnt den Frauen immerhin das Adjektiv "genial" und stellt 18 Erfinderinnen vor, deren Produkte - ohne dass wir es immer wissen - unseren Alltag prägen: Zu den präsentierten Entwicklungen gehören der Minirock von Mary Quant, die Einwegwindel von Marion Donovan, der Geschirrspülautomat von Josephine Cochran, der Teddy von Margarete Steiff, der Kaffeefilter von Melitta Bentz...
Aber Moment, da fällt doch etwas auf. Denn die Welt, die dem Buchtitel nach verändert wurde, passt in mehr als der Hälfte der Fälle zwischen vier große Ks: Kinder, Küche, Kirche und der eigene Körper. Zwar werden auch der Scheibenwischer von Mary Anderson, der Paketfallschirm von Käthe Paulus oder das Frequenzsprungverfahren von Hedy Lamarr vorgestellt, aber der Tenor des Buches bleibt doch ein fast ungläubiges Staunen angesichts technisch versierter Frauen.
Das ist schade, denn die Intention, den unzähligen Daniel Düsentriebs des Kollektivgedächtnisses ein paar Danielas entgegen zu stellen, ist nicht nur gut, sondern auch wichtig. Subversiv arbeitet der Text von Barbara Sichtermann und Ingo Rose aber gegen seinen eigenen Inhalt: Er quillt vor Füllwörtern beinahe über und ist so pathetisch, dass die LeserInnen in einigen Passagen das Gefühl beschleicht, die portraitierten Frauen würden überhaupt nicht ernst genommen. So liest man zu Marion Donovan: "Sie war eine sehr zugewandte Mutter. Aber das ewige Wechseln der Windeln lag ihr gar nicht - wobei das dabei stets statt findende Spiel mit dem Baby noch seine beglückende Seite hatte. Sie hasste das niederdrückende Gefühl der Vergeblichkeit, wenn, wie es häufig vorkam, die Windel kurz nach dem Wechsel schon wieder ´voll´ war - Diese Sisyphusarbeit passte so gar nicht zum Mutterglück.". Und über den Wert der von Josephine Cochrans erfundenen Spülmaschine heißt es: "Hausfrauen in aller Welt sind der Erfinderin dankbar."
Selbstverständlich sind die Erfindungen in vielen Fällen vom häuslichen Erfahrungshorizont der Frauen des 18. und 19. Jahrhunderts geprägt, aber in der sprachlichen Darstellung entsteht teilweise der Eindruck, auch das Interesse der Frauen sei auf eben diesen Horizont beschränkt.
Auf der anderen Seite kann man in "Frauen, einfach genial" einige interessante, überraschende und inspirierende Frauenportraits finden. Der Forscherinnengeist von Hedy Lamarr, die sich neben ihrer Schauspielkarriere dem - ihren Studio-Bossen zufolge - "bizarren Hobby" der Funkverschlüsselung widmete und das Frequenzsprungverfahren erfand oder der Mut der Fallschirmerfinderin und -springerin Käthe Paulus demonstrieren, dass die tradierten "Männerdomänen" in Frage gestellt und geöffnet werden müssen.
Ohne Frage wissen das auch die beiden AutorInnen und erklären im Vorwort die schwierigen gesellschaftlichen Umstände, denen sich ihre Erfinderinnen stellen mussten - an der unangemessenen und unerträglich schwülstigen Darstellung ändert dieses Wissen aber nichts.
AVIVA-Fazit: Im besten Fall ist "Frauen, einfach genial" ein hübsches Coffee-Table-Buch für Frauenmagazin-Leserinnen mit intellektuellem Anspruch - im schlechtesten Fall die Propagierung eines mittlerweile hoffentlich überholten Frauenbildes, in dem Intelligenz und Durchsetzungsfähigkeit als weibliche Fähigkeiten noch immer überraschen.
Zur Autorin: Barbara Sichtermann wurde 1943 in Erfurt geboren und gehörte der Intellektuellen-Szene der 68er an. Sie studierte Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre in Berlin und arbeitet seit 1987 als freie Publizistin für verschiedenen Printmedien und den Rundfunk. Ihre Themenschwerpunkte sind Medienkritik, Geschlechterbeziehung und Leben mit Kindern. 1985 wurde sie mit dem Jean-Améry-Preis für Essayistik ausgezeichnet. Neben verschiedenen Sachbüchern hat sie zwei Romane veröffentlicht und ist Jurorin des Adolf-Grimme-Preises.
Weitere Informationen zu Barbara Sichtermann finden Sie unter: www.barbarasichtermann.de
Frauen, einfach genial
Barbara Sichtermann und Ingo Rose
Knesebeck-Verlag, erschienen Februar 2010
Gebunden, 128 Seiten
ISBN: 978-3868731170
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