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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 18.05.2010


Emma Dante - Mitternacht in Palermo
Jana Muschick

Zwei Frauen treffen sich auf einer engen Gasse in Palermo und stehen sich mit ihren Autos gegenüber. Nach den harten Jahren, die hinter ihnen liegen, will keine die andere vorbei lassen.




Eine göttliche Komödie in der Provinz

An einem heißen Tag, in einer der engsten Gassen Palermos, fahren zwei Frauen in ihren Autos aufeinander zu. Als sie fast Motorhaube an Motorhabe stehen bleiben, erwartet jede von der anderen, dass sie sie vorbei lässt. Doch sowohl die junge Rosa als auch die alte Samira lassen sich nicht vom Weg abbringen. Beide mussten in ihrem Leben viele harte Schläge einstecken und sind an diesem einen Punkt nicht bereit, zurück zu stehen.

Missbilligte Homosexualität

Rosa ist die attraktive Wahl-Mailänderin, die mit ihrer Freundin Clara auf Sizilien unterwegs ist, um dort Urlaub und Entspannung zu finden – dabei ist die Beziehung zwischen den beiden Frauen so voller Spannungen, dass sie sich auf der Reise eher verstärken. Clara will nur, dass Rosa endlich zu ihrer Liebe steht. Doch Rosa wurde als Jugendliche von ihrem Vater wegen ihrer Homosexualität so häufig verprügelt, dass sie sich nicht traut, Clara auch in der Öffentlichkeit ihre Liebe zu zeigen.

Der Traum von der Neuen Welt

Die alte Samira ist eine albanische Einwanderin, die nach Sizilien gekommen ist, um ihrer Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen. In Albanien verkaufte Samira als junge Frau ihren Körper, um Geld für die Reise nach Sizilien zu verdienen. Sie wurde von ihrem Vater geschwängert, musste das elterliche Haus verlassen und versuchte schließlich, dieser Hölle mit ihrer Tochter zu entrinnen. Der Traum von einem besseren Leben in Palermo zerbrach jäh, als ihre Tochter an Krebs erkrankte und starb. Zu dem Zeitpunkt, in dem Samira der fremden Frau im Auto gegenübersitzt, steht sie unter dem Befehl ihres großkotzigen Schwiegersohns, der ihr verboten hat, der "Ausländerin" die Straße frei zu machen.

Harte Leben

Beide Frauen machten in ihren Leben schreckliche Erfahrungen mit ihren eigenen Vätern. Nun stehen sie allein auf der Straße in Palermo und wollen nicht nachgeben – es handelt sich hierbei nicht um einen Kampf der Geschlechter, sondern um das Durchsetzen des eigenen Willens gegen eine Welt, die durch die ignorante Gewalt anderer aus den Fugen zu geraten scheint.

Emma Dante inszeniert in ihrem kurzen Roman eine groteske Komödie. Angeheizt durch Wetteinsätze der StraßenbewohnerInnen und Schaulustigen wird die Situation bald zum Auslöser einer Fiesta, der Schwiegersohn von Samira funktioniert die Straße zur Baustelle um und Rosas Freundin Clara vergnügt sich derweil mit dessen Sohn am Strand. Das Treffen der beiden Frauen wird zur Farce,
die Demonstration "weiblicher" Macht ist komisch und traurig zugleich – weil die Frauen in ihrer eigenen Welt nichts mehr ausrichten können, beginnen sie, Theater zu spielen und glänzen– jede für sich – in ihren unterschiedlichen Rollen.

Zur Autorin: Emma Dante wurde 1967 in Palermo geboren und ist eine preisgekrönte Theaterautorin und Regisseurin. Sie gilt in Italien als das "Wunder der Theaterszene" (Quelle: La Repubblica). Dante inszeniert ihre Bühnenstücke unter anderem in Rom, Paris und New York. Ihre Stücke spielen meistens in der Familie, die in Süditalien sehr mächtig ist, dabei entlarvt Dante diese als Brutstätten von Missgunst, Heuchelei und Neid.

AVIVA-Tipp: "Mitternacht in Palermo" ist eine sizilianische, danteske Komödie, in der es nicht um das religiöse, übermächtige Armageddon geht, sondern um den Tod im Kleinen, der beide Frauen mit sich reißt. Das Figurenensemble der sizilianischen Familien ist zu groß für die kurze Erzählzeit, doch alles in allem bekommt man den Trubel des südlichen Temperaments durch Dantes dramaturgischen Stil sehr gut zu spüren. Eine explosive und zugleich melancholische, literarische Mixtur.


Emma Dante
Mitternacht in Palermo

Ãœbersetzerin: Christiane v. Bechtolsheim
"Via Castellana Bandiera"
Luchterhand Verlag, erschienen: Februar 2010
Taschenbuch, 146 Seiten
ISBN: 978-3-630-62177-7
8 Euro


Literatur

Beitrag vom 18.05.2010

AVIVA-Redaktion