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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 24.03.2010


Nathalie Abi-Ezzi - Rubas Geheimnis
Adriana Stern

Die achtjährige Ruba wächst in einem kleinen Dorf nahe Beirut auf, in ihrer eigenen, beinahe mystischen Welt. Dort ist sie umgeben von Geschichten, Farben, Geräuschen und Gerüchen inmitten der...




... komplizierten Beziehungen ihrer Eltern und Verwandten und dort erlebt sie auch den Libanonkrieg hautnah mit.

Sie sucht im Laufe des Jahres 1981/1982 in dem Wahnsinn des Krieges nach glaubhaften Erklärungen für viel zu viele beunruhigende Ereignisse, deren Zeugin sie wird.
Von ihrem Dorf Ein Douwra aus kann Ruba, die aus einer christlichen Familie kommt, an klaren Tagen bis nach Beirut sehen, wo es schon seit einer Weile zu gefährlich geworden ist und wohin sie nicht mehr darf. Ihr geliebter Onkel Wadih lebt dort und er scheint, genau wie ihr Vater, viele Sorgen mit sich herumzuschleppen, die Ruba nur spüren, sich aber nicht erklären kann.

Wenn sie sich nicht in ihrem geliebten Wald aufhält oder mit ihrem Bruder Naji durch das Dorf streift, beobachtet sie die Erwachsenen, in der Hoffnung, all das Unerklärliche doch noch entschlüsseln zu können, auch wenn die Erwachsenen sie für solche Erkenntnisse für viel zu jung erachten.
Denn ihre Mutter, ihre Großmutter und der Rosenmann im Nachbarhaus scheinen genau Bescheid zu wissen, was damals mit dem Vater in Beirut geschah, weshalb er sich so sehr verändert hat, als läge der Fluch einer Hexe auf ihm. Ruba weiß genau, wer diese Hexe ist und sie sucht nach Möglichkeiten, den Fluch dieser Hexe zu bannen und ihren Vater zu retten. Als sie ein Glasauge im Wald findet, ist sie überzeugt, der Lösung nun ganz nahe gekommen zu sein und den Bann über den Vater endlich beenden zu können.

Ruba nimmt ihre Umwelt mit allen Sinnen auf, ist eine sehr gute Beobachterin und hört ihren Eltern, ihrerGroßmutter Teta und ihrem Onkel wissbegierig zu. Sie schafft sich ihre eigenen, poetischen Bilder, mit denen sie ihre Umwelt zu begreifen sucht. "Mutter gab Geräusche von sich. Ein knappes Einatmen, wenn sie sich geschnitten hatte, ein Ts, wenn sie Fatayir in Päckchen rollte und der Teig nicht richtig zusammenhielt, das Rascheln des Unterrocks, der gegen ihre Beine rieb, das Klappern ihrer Holzpantinen, das Klirren ihrer beiden Goldarmreifen, das leise Klick, wenn sie sich die Frisur hochsteckte... Vater war still wie ein Stein." Sie möchte den Vater wiederhaben, den sie schon so lange vermisst und den sie geliebt hat. Es gibt nichts auf der Welt, dass sie sich mehr wünscht.

Teta hatte einmal gesagt, dass immer dann, wenn die Zikaden mit ihrem pulsierenden Gezirpe innehielten, ein Mensch gestorben sei, aber sie hielten nicht oft inne. erfahren wir von Ruba auf der ersten Seite dieses Romans.
Ruba wächst mitten im Krieg auf, den sie nicht verstehen kann und dem sie sich doch stellen muss, denn ihr bester Freund Karim ist Moslem, genau wie Ali, der Nussladenbesitzer. Ihre Großmutter erklärt ihr: "Vor dem Krieg haben wir alle zusammen in denselben Dörfern gelebt, egal, welche Religion wir hatten. Nun leben wir meistens in getrennten Dörfern und getrennten Gebieten. Es gibt immer noch ein paar Muslime hier, aber nicht mehr viele. Und sie sind immer noch Teil des Dorfes, genau wie wir."
Doch der zehnjährige Naji ist anderer Meinung."Sie haben Beirut aufgeteilt, um die Moslems von uns fernzuhalten. Wir sollten Ein Douwra auch aufteilen, damit sie wegbleiben."

Der Krieg, der für Ruba zu Beginn des Romans noch weit weg stattfindet, kommt im Laufe des Jahres immer näher, wird immer bedrohlicher und nimmt immer mehr Raum in ihrem und dem Leben ihrer Familie ein. Bald dürfen sie und ihr Bruder das Haus nicht mehr verlassen. Von der Terrasse aus sehen sie, wie Flugzeuge vom Himmel fallen und müssen erleben, dass immer mehr Granaten in der Nähe des Hauses einschlagen.

An dem Tag, als Bashir Jumayyil Präsident wird, erreicht der Krieg und seine schrecklichen Folgen endgültig auch die Welt Rubas. Karim flieht mit seiner Familie kurz vorher nach Abu Dhabi, Ruba beobachtet Kinder, die unerbittlich Tiere quälen und flieht entsetzt vor dieser Gewalt ins Dorf. Sie hat das Geheimnis um die Herkunft des Glasauges endlich entschlüsselt und vergräbt es für immer im Wald. Nichts, dessen ist sie sich sicher, kann ihren Vater jetzt noch retten. Als sie durcheinander, verwirrt und verzweifelt nach Hause zurückkehrt "merkte ich, dass die Zikaden aufgehört hatten zu singen."
Wie es Ruba schließlich doch noch gelingt, ihren Vater von dem Bann zu befreien, auch davon erzählt dieser Roman.

AVIVA-Tipp: Ein wunderbar poetisch, eindringlich und liebevoll geschriebenes, wichtiges Buch mit einer hervorragenden Ãœbersetzung. Unbedingt lesen!

Zur Autorin: Nathalie Abi-Ezzi, 1972 im Libanon geboren, lebt seit 1983 in Großbritannien. Sie hat bereits Kurzgeschichten veröffentlicht. "Rubas Geheimnis", ihr erster Roman, fand ein großes Presseecho und wurde für den Author´s Club Best First Novel Award nominiert. (Quelle Rowohlt Berlin)
Zur Übersetzerin: Annette Meyer-Prien studierte Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte, im Nebenfach Mediaevistik in Paris und Hamburg, nach langen Aufenthalten in Amerika und Großbritannien, ist als Quereinsteigerin seit 1992 selbständige Lektorin und Übersetzerin von AutorInnen wie Faye Kellermann, Isabelle Duquesnoy, Raj Kamal Jha, Anna Quindlen und vielen anderen. (Quelle Annette Meyer-Prien / AVIVA – Berlin)

Nathalie Abi-Ezzi
Rubas Geheimnis

Rowohlt Verlag Berlin, erschienen: 16.01.2010
Originalausgabe: A Girl Made Of Dust 2008 bei Fourth Estate, einem Imprint von Harper Collins
Ãœbersetzung aus dem Englischen: Annette Meyer-Prien
Hardcover: 288 Seiten
ISBN: 978-3-87134-651-4
19,95 Euro

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Beitrag vom 24.03.2010

AVIVA-Redaktion