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Beitrag vom 03.05.2009
Manuela Arand und Thomas Knuth - Berlin 1989-2009
Yvonne de Andrés
Zwanzig Jahre Mauerfall und der geteilte Himmel fließt langsam zusammen. Zwölf BerlinerInnen und elf Streiflichter – Zeit für einen Rückblick auf die rasanten Entwicklungen. Berlin Story Verlag
"Berlin und Deutschland, das ist ungefähr so wie New York und die USA. In beiden Städten leben viele schwarze Schafe. An Berlin reizt mich der Verruchte, Unfertige, Raue, das Dunkle und Mysteriöse. Als die Mauer fiel, war dies hier das land of opportunity" erzählt die US-amerikanische Entertainerin Gayle Tufts, die seit 1991 fest in der Stadt lebt. Für sie strahlt Berlin ungeheure Energie aus und bietet eine Atmosphäre des work in progress, was die Künstlerin fasziniert. Ihre ersten Arbeitseindrücke 2003 im Friedrichstadt-Palast begannen mit viel Händeschütteln vor der Probe. Etwas steif wurde gesiezt doch dann ging es "sehr professionell und ganz ohne Eitelkeit" weiter. Einen Unterschied stellt die Künstlerin zu den Einstellungen der ehemaligen Ost-BerlinerInnen fest: "Wie wenig kann ich machen, um trotzdem über die Runden zu kommen und mein Geld, meine Gage bekommen?" Dies war eine ganz andere Erfahrung als in New York. Ansonsten fällt ihr auf: "Die anderen Hautfarben fehlen mir ein wenig in Berlin. Es wäre auch schön, wenn farbige Menschen sich in allen Bezirken auch nachts ohne Angst bewegen könnten."
Den Fall der Mauer schildert die in Schwerin geborene und in Ost-Berlin lebende Schauspielerin Kathrin Sass so: "Einerseits riesige, unbeschreibliche Freude, andererseits Angst vor der Zukunft und Ungewissheit. [...] Bis zum 11. November habe ich gewartet. Man brauchte keinen Stempel mehr und ich bin dann mit meinem Lada nach West-Berlin getuckert. Ich dachte wirklich, ich träume." Sie beschreibt, wie groß die Sehnsucht nach Freiheit war und dass nicht nur auf Konsum im Vordergrund stand: "Heimweh konnte bei mir nicht aufkommen. Ich hatte den Westen vor der Haustür und konnte im Osten bleiben. Besser ging es nicht." Großes Missvergnügen brachte ihr der Einblick in die eigene Stasi-Akte. Unfassbar, wer sie aus ihrem direkten Umfeld ausspioniert hatte. Das Zusammenwachsen gelingt nach ihrer Meinung nicht. Sie pendelt heute zwischen Mecklenburg und Berlin und schlägt um die "Ökoschwaben" und die "Schickimicki-Szene" des Prenzlauer Bergs einen großen Bogen. Dennoch gibt es in diesem Bezirk auch noch ruhigere Ecken, wo sie sich wohlfühlt.
Ossis, Wessis und Zugezogene geben Auskunft, was sich in diesen letzten zwanzig Jahren in der Stadt erneuert hat. Erfrischend persönlich reflektieren sie, wie sie an den Veränderungen und Prozessen mitgewirkt haben, welche hochfliegenden Pläne geschmiedet wurden und wie deren Realisierung heute aussieht. Die befragten Personen bilden eine gute Mischung aus Politik, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft. Sie haben in unterschiedlichen Funktionen und Zusammenhängen die Berliner Jahre nach dem Mauerfall erlebt.
Die Interviewten sind: Klaus Wowereit, Gayle Tufts, Hans Stimmann, Dieter Lenzen, Kathrin Sass, Hanns Peter Nerger, Friedel Drautzenburg, Hubertus Knabe, Hermann Parzinger, Kenan Kolat, Hardy R. Schmitz und Hans-Georg Filker. Besonders spannend sind die Gespräche mit Pfarrer Hans-Georg Filker, Direktor der Berliner Stadtmission und mit Kenan Kolat, dem Bundesvorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Es wäre erfreulich gewesen, weitere Gesprächspartnerinnen in dem Band vorzufinden.
Zu den AutorInnen:
Manuela Arand, geboren 1959 in Berlin, arbeitet als freiberufliche Medizinjournalistin für Fach- und Publikumszeitschriften wie die Medical Tribune. Sie veröffentlicht zusammen mit ihrem Mann diesen Interviewband.
Thomas Knuth, geboren 1956 in Mannheim, Studium der Geschichte und Germanistik in Heidelberg. Seit 2002 lebt er in Berlin, wo er heute als freiberuflicher Autor und Gästeführer arbeitet. 2007 erschien sein Buch "Berlin for Beginners" das bereits in der dritten Auflage vorliegt. Weitere Informationen: Berlin for beginners
AVIVA-Tipp: Eine kurzweilige Lektüre, die aufzeigt, wie sich Berlin in den letzten zwanzig Jahren verändert hat. Diese unterhaltende Berliner Geschichtsstunde lebt durch den Blick hinter die Kulissen und diverse Perspektivwechsel. Interessant für BerlinerInnen und seine BesucherInnen.
Manuela Arand und Thomas Knuth
Berlin 1989-2009
Eine Bilanz in 12 Gesprächen
Berlin Story Verlag, erschienen April 2009
Kartoniert, 192 Seiten
ISBN: 978-3-86855-010-8
14,95 Euro