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Beitrag vom 21.11.2008
Alison Lurie - Paare
Stefanie Denkert
Jane Mackenzies Ehemann wird seit 15 Monaten von Rückenschmerzen geplagt und mutiert dadurch zum Tyrannen. Oder war Alan das schon immer? Die Ehekrise wird zum Neuanfang für die Mittvierzigerin.
"An einem heißen Sommervormittag blickte Jane Mackenzie nach über sechzehnjähriger Ehe aus einer Entfernung von fünfzehn Metern auf ihren Mann und erkannte ihn nicht." So der erste Satz in Alison Luries Roman, der nicht treffender die Geschichte und Stimmung von "Paare" einleiten könnte.
Die kinderlosen Eheleute Jane und Alan Mackenzie, Anfang fünfzig, er ist Architektur-Professor an der selben Universität, an der seine Frau in der Verwaltung tätig ist, stecken in einer Krise. Und keiner von beiden spricht es an. Die aufopfernde Jane umsorgt seit anderthalb Jahren stillschweigend ihren Rückenkranken Mann, und stellt nun zu ihrem Entsetzen fest, dass sie seine schlechte Laune und sein Gejammer nicht mehr ertragen kann. Aus Janes Mitgefühl wird langsam eine stille Abneigung, während Alan sich mittlerweile als chronischkranke "Ruine" sieht und resigniert hat.
Die Wende kommt mit einem neunmonatigen Forschungsstipendium für Alan, durch das er nicht mehr der körperlich anstrengenden Lehrtätigkeit nachgehen muss. Zusammen mit den anderen StipendiatInnen bekommt er ein Büro in dem Campusgebäude, bei dem Jane die Aufsicht hat - so kann er sich von ihr auch auf der Arbeit bemuttern lassen. Doch seit er der berühmtesten Stipendiatin im Haus, der exzentrischen Schriftstellerin Delia, begegnet ist, will er das gar nicht mehr.
Alan verliebt sich sofort in die Südstaatenschönheit, die durch ihre Migräneattacken quasi eine Leidensgenossin ist.
Jane hingegen fühlt sich von Delias sensiblen Ehemann angezogen, der das Gegenteil von Alan und seiner teilweise altbackenen, machohaften Männlichkeit repräsentiert. Während die von Jane verachtete Egomanin Delia für Alan wiederum das aufregende Gegenstück zu seiner Ehefrau darstellt. Doch bis die zwei unterschiedlichen Paare sich in einer anderer Konstellation neu zusammenfinden ist ein langer Weg...
Was tun, wenn der/die PartnerIn durch chronische Schmerzen nicht mehr der selbe Mensch ist - und es vielleicht nie wieder sein wird? Ein selten behandeltes Thema, in das Alison Lurie einen guten Einblick durch die abwechselnden Perspektiven von Jane und Alan gibt. Letztlich sind Alans Schmerzen jedoch auch metaphorisch und aus der Krise, die auch durch mangelnde Kommunikation zwischen dem Paar resultiert, entsteht die Möglichkeit für einen Neuanfang.
Zur Autorin: Alison Lurie, geboren 1926, Kindheit in New England, heute Englischprofessorin an der Cornell University in Ithaca/New York, wohnt abwechselnd in New York, Florida und London. (Verlagsinfo)
AVIVA-Tipp: Zunächst einmal ein großes Lob an Alison Lurie, dafür dass sie sich mit dem Tabuthema der chronischen Krankheit beschäftigt hat. Die Literaturprofessorin, die bekannt für ihre Gesellschaftssatiren ist, hat auf den ersten Blick einen typischen Frauenroman geschrieben. In der Tat wirkt "Paare" teilweise melodramatisch, hat jedoch einen positiven Seifenoper-Effekt: als LeserIn kann man das Buch nicht beiseite legen, weil man unbedingt wissen will, wie es weitergeht! Ironische Situationsbeschreibungen und detailgenaue Charakterzeichnungen machen den Roman zu einem großen Lesevergnügen und einer empfehlenswerten Lektüre!
Alison Lurie
Paare
OT: Truth and Consequences
Diogenes Verlag, erschienen im November 2008
Gebundene Ausgabe, 308 Seiten
ISBN-10: 3257066694
ISBN-13: 978-3257066692
20,90 Euro