Hannah Höch - Bilderbuch - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur





 

Chanukka 5785




AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 07.11.2008


Hannah Höch - Bilderbuch
Margret Müller

Das phantastische Bilderbuch der Grande Dame der DADA-Bewegung - Hannah Höch - aus dem Jahr 1945 erschien nun im Verlag "The Green Box" und ist damit erstmals der Öffentlichkeit zugänglich.




Nach dem dadaistischen - vor allem von Hannah Höch entwickelten - Prinzip der Fotocollage erstellte sie 19 faszinierende Collagen in denen Tiere die Hauptrolle spielen. Zu jedem Bild schrieb Hannah Höch einen kurzen märchenhaften Begleittext, von Fabelwesen wie Schnippeldebonchen, den Langfransens, der Borstenflirle, dem Mantelfässchen, Madame Emmchen und weiteren. Schon die phantastischen Namen weisen auf die bezaubernd kindliche Kreativität und Grenzenlosigkeit der Phantasie Hannah Höchs hin. Die Bilder werden eingerahmt in witzige, kleine Geschichtenanfänge zu "Schnifti und seinen Kameraden", die zum Weiterspinnen einladen und nicht selten von allzu menschlichen Schwächen handeln. Trotzdem bleibt die Stimmung des Buches heiter und spitzbübisch. Diese Grundhaltung Hannah Höchs attestierte der Philosoph und Schriftsteller Salomon Friedländer der Künstlerin einmal so: "Im Grunde genommen bist Du ein fabelhaftes und wunderbares Mädchen - und wer dich nicht begreift, muss ein läppischer und vollkommen unmöglicher Bursche sein. Und wer dich begreift? Der ist ein Kind, Dir gleich."

Dieses Bilderbuch ist nicht nur für Kinder begeisternd, sondern auch für Erwachsene - zumindest als ein wichtiges Kunstdokument einer der bedeutendsten deutschen Künstlerinnen der klassischen Moderne. Direkt nach Ende des Zweiten Weltkrieges gehörte sie zu den Ersten, die das Kulturleben Deutschlands wieder aufleben und mitgestalten wollte. In dieser Zeit entstand auch das Bilderbuch. Mitten in die triste Nachkriegszeit hinein gestaltete sie ihre exotischen, phantasievollen und bunten Collagen. Der Farbdruck stand noch in den Kinderschuhen, ihren Fotocollagen konnte Hannah Höch nur mithilfe eigens erfundener gefärbter Faser etwas Farbe geben. Zu komplex erschien allerdings den Verlegern das notwendige Druckverfahren und die Texte, so dass das Kunstwerk erst im Jahr 1975 in einer Berliner Ausstellung öffentlich zu sehen war.

Das Sehen hielt Hannah Höch für Wichtiger als Malen, da Ersteres nicht erlernbar sei. Mittels dieser Gabe befreite sie Bilder von ihrem ursprünglichen Charakter und gab ihnen in den Collagen eine ganz neue Bedeutung. Sie spielte mit Proportionen und schöpft eine ganz neue Realität. Zwar beeindrucken die Tierwelt-Collagen schon auf den ersten Blick, auf den zweiten aber zieht die Vielfalt und Genialität der Mischung verschiedenster Elemente komplett in den Bann.

Die 1889 in Gotha geborene Künstlerin Hannah Höch zog mit 22 Jahren nach Berlin, um Kunst zu studieren. Während des ersten Weltkrieges lernte sie Raoul Hausmann kennen, der ihr enger Freund und Künstlerpartner werden sollte. Bei der Gründung der Berliner Dada-Bewegung im Jahr 1917 war Höch die einzige Frau unter den DadaistInnen. Auf der "Ersten Internationalen Dada-Messe" im Jahr 1920 wurde sie durch ihren berühmten "Schnitt mit dem Küchenmesser Dada durch die letzte Weimarer Bierbauchkulturepoche Deutschlands" bekannt. Sie setzte sich stark mit Rollen, die von der Gesellschaft vorgegeben werden auseinander, vor allem mit dem Phänomen der "Neuen Frau" in den Medien - die ihr besonders durch ihre Anstellung in der Moderedaktion des Ullstein-Verlags bekannt war - und der Diskrepanz zur Realität.

Ihr besonderes Markenzeichen war die zeitkritische Fotomontage, die "emotionale Hemmungen... leichter zu überwinden" mache als Zeichnungen. Nach dreijährigem Aufenthalt in Holland kehrte sie 1929 nach Deutschland zurück, erschüttert über die wachsende nationalsozialistische Bewegung. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs zog sie sich in ihr abgeschiedenes Haus in Berlin-Heiligensee zurück und gehörte im Jahr 1945 zu den ersten aktiven KünstlerInnen Berlins. Ihre Kunst wurde in den 1950er und 1960er Jahren in Dada-Ausstellungen unter anderem im Museum of Modern Art in New York und in der Kunsthalle Düsseldorf ausgestellt. Hannah Höch starb am 31. Mai 1978 in Berlin-Heiligensee.
Weitere Infos zu Hannah Höch unter: www.hoech-hannah.de und www.hannah-hoech-haus.de

AVIVA-Tipp: Dieses Bilderbuch ist eine echte Bereicherung. Spät aber dennoch - endlich ist der Öffentlichkeit dieser phantasievolle Band zugänglich gemacht worden, dessen liebevolle Details und entzückende Geschichtchen sowohl Kinder als auch KunstliebhaberInnen ins Schwärmen und Träumen versetzen sollten.

Lesen Sie auch unsere Rezension zu:
Hannah Höch - "Aller Anfang ist DADA!", erschienen 2007 im Hatje Cantz Verlag.


Hannah Höch Bilderbuch
Gestaltung: Anja Lutz
Verlag THE GREEN BOX, erschienen Oktober 2008
44 Seiten, 275 x 225 mm,
Fadenheftung, Pappband
ISBN 978-3-908175-35-3
24 Euro


Literatur

Beitrag vom 07.11.2008

AVIVA-Redaktion