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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 07.10.2020


Andrea Petković – Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht. Erzählungen
Sylvia Rochow

In 18 sehr persönlichen Kapiteln beschreibt die Tennisspielerin mit viel Spaß an ihrem Sport, dem Leben und der Literatur die Höhen und Tiefen einer Profikarriere. Dabei vermittelt sie anschaulich und sprachlich ausgefeilt mal humorvoll, mal nachdenklich die Einflüsse ihrer vor dem Bürger*innenkrieg im ehemaligen Jugoslawien geflohenen Familie, der neuen Heimat in Hessen sowie ihren Aufbruch in die internationale Welt des Tennis.




Andrea Petković ist seit 14 Jahren Tennisprofi, liebt ihren Sport ebenso wie die Literatur und Musik. So scheint es nur folgerichtig, dass die Darmstädterin diese drei Leidenschaften in ihrem Buchdebüt "Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht. Erzählungen" zusammenführt. Einem Großteil der 18 Kapitel ist ein Zitat aus einem Songtext oder eine Liedzeile vorangestellt, immer wieder greift die Autorin auch innerhalb ihrer äußerst unterhaltsamen Autofiktion Passagen auf, die für sie untrennbar mit bestimmten Situationen oder Erlebnissen verbunden sind.

"Lassen Sie sich keinen Bären aufbinden" warnt Petković gleich im ersten Satz ihres Erstlingswerkes und veranschaulicht diesen wohlgemeinten Hinweis mit einem Vorgeschmack auf ihre geschichtenerzählende Familie. Alles, was die 33-Jährige auf den folgenden knapp 300 Seiten erzähle, sei zwar genau so passiert, wie nahe das Geschilderte der Wahrheit komme, lässt sie dann jedoch wohlweislich offen. Soviel sei vorweggenommen: Es tut der Lesefreude keinen Abbruch!

Die 1987 in Tuzla Geborene begreift Tennis als Spiegel des Lebens. Oft genug haderte sie mit ihrem Sport, bloß um ihn nach den größten Rückschlägen umso inniger zu lieben. Nur eine von manch scheinbaren Widersprüchlichkeiten, die einem den Menschen hinter dem Tennisprofi Petković bei der Lektüre von "Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht" näherbringen.
In zahlreichen Anekdoten gewährt "Petko" Einblicke in das Leben einer Spitzensportlerin, die durch ihre bosnisch-serbische Familie gleichermaßen geprägt wurde wie von den überwiegend deutschen und wenigen ebenfalls migrantischen Mitschüler*innen an Grundschule und Gymnasium in Darmstadt, später zudem durch die Internationalität der Tenniswelt. Andrea Petković erzählt eine Coming-of-Age-Story im besten Sinne, von der fortwährenden Zerrissenheit eines Migrant*innenkindes, das der in der Nachbarschaft vorgelebten deutschen Bürgerlichkeit auf eine paradoxe Weise versuchte, nachzueifern. Den Schlüssel zum selbst ausgegebenen Ziel, um alles in der Welt nicht aufzufallen – vor allem nicht negativ –, sah sie beispielsweise in einer Art Überkompensation, einem unbändigen Ehrgeiz, der nicht nur zu einem Notenschnitt von 1,2 im Abitur, sondern sie auch bis in die Top Ten der Tennis-Weltrangliste führte.

Andrea Petković nimmt die Leser*nnen mit auf zahlreiche faszinierte und faszinierende Reisen zwischen ihren verschiedenen Welten, berichtet von Alltäglichem genauso gekonnt wie von Glanz und Glamour, der auf der Tennis-Tour hin und wieder doch durchscheint. Dabei werden beinahe nebensächliche Bemerkungen, tiefschürfende Analysen und übermütige Schlussfolgerungen, wie sie jede vom Diskutieren am eigenen Küchentisch oder nach dem (zu) tiefen Blick ins (Cocktail-)Glas kennt, aus der digitalen Feder der 33-Jährigen zu einem unterhaltsamen Gesamtkunstwerk.

Sie schlägt gekonnt eine Brücke zwischen Sport und Literatur, Profialltag und Gesellschaft. "Petko" formuliert aus tiefster Überzeugung feministische Standpunkte und hadert nur wenige Seiten später nachvollziehbar damit, dass die Top 10 ihrer persönlichen Literaturhitliste ausgerechnet von zwei narzisstischen Männern (David Foster Wallace und Philip Roth) angeführt wird. Die French Open-Halbfinalistin von 2014 lässt einen in ihrer Autofiktion mitleiden und mitlachen, vermittelt, wie es ihr gelungen ist, trotz manch krachender Niederlage und schmerzhafter Verletzung die Freude am Spiel nicht zu verlieren und wie sie in einer Welt der Rivalität und des ständigen Unterwegsseins alte Freund*innenschaften pflegt, neue aufbaut und andere einbüßt.

AVIVA-Tipp: Andrea Petković ist mit ihrem Buchdebüt – im Tennisjargon gesprochen – ein direkter Gewinnschlag gelungen. Ebenso unterhaltsam wie eingängig schildert sie nicht nur ihre Erlebnisse aus der großen, weiten Welt des „weißen Sports“, sondern fasziniert zugleich mit ihrem scharfen Blick für die scheinbar unbedeutenden Details. Bei der 33-Jährigen wird so auch der Bericht über eine Getränkebestellung an einem beliebigen Bartresen zum Erlebnis. Mit klarer, zutiefst ehrlicher Sprache sowie einer großen Prise Humor gelingt es Petković, persönliche Geschichten authentisch abzubilden. Sie zeichnet anekdotenhaft und klar formuliert ein vielschichtiges Bild sowohl von sich selbst, als auch den unterschiedlichsten Charakteren, die ihr im Leben auf und neben dem Tennisplatz begegnet sind. "Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht" bündelt auf 272 wie im Fluge zu lesenden Seiten 18 Erzählungen, die jede für sich genug Stoff für einen eigenen Roman bieten würde und nicht nur Tennisfans begeistern werden.

Zur Autorin: Andrea Petković wurde am 9. September 1987 in Tuzla (heute Bosnien) geboren und kam im Alter von sechs Monaten mit ihren Eltern nach Deutschland. Sie wuchs in Griesheim bei Darmstadt auf und begann als Sechsjährige mit dem Tennissport. 2009 gewann "Petko" ihren ersten Titel auf der WTA Tour. Fünf weitere folgten bislang, jedoch auch zahlreiche teilweise monatelange Verletzungspausen. Die leidenschaftliche Leserin hatte von 2008 bis 2011 bereits eine eigene Kolumne in der FAZ, schreibt seit Frühjahr 2017 für das Racquet Magazine und berichtete im SZ-Magazin unter dem Titel "30–LOVE“ von ihrem Leben als Tennisprofi.

Andrea Petković im Netz:

twitter.com/andreapetkovic
www.andreapetkovic.de

"30–LOVE" – unterwegs mit Andrea Petković

Online-Lesekreis "Racquet Book Club" mit Andrea Petković bei Instagram

"Racquet Book Club"-Podcast mit Andrea Petković bei Soundcloud

Andrea Petković – Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht. Erzählungen
Kiepenheuer & Witsch Verlag, Erscheinungstermin 08.10.2020
Gebunden, 272 Seiten
ISBN 978-3-462-05405-7
Euro 20,00
Mehr Infos zum Buch und Lesungstermine unter: www.kiwi-verlag.de

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Die gebürtige Jugoslawin war lange Zeit die beste deutsche Tennisspielerin und begeistert mit ihrer extrovertierten Art Fans weltweit. 2009 gewann sie ihren ersten Titel auf der WTA Tour. Fünf weitere folgten bislang, jedoch auch zahlreiche teilweise monatelange Verletzungspausen. Am Rande des Nürnberger Versicherungscups vom 20. bis 26. Mai 2018 sprach Petković über ihre Kolumne "30–LOVE" im SZ-Magazin, Erfolgsdruck und ihr Leben mit und nach dem Tennis.


Copyright Text: Sylvia Rochow


Literatur

Beitrag vom 07.10.2020

Sylvia Rochow