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Beitrag vom 26.05.2019
Sophia Mott - Dem Paradies so fern. Martha Liebermann
Bärbel Gerdes
In ihrem zweiten Roman begibt sich die Musikerin, Autorin und studierte Germanistin und Musikwissenschaftlerin Sophia Mott auf Spurensuche. Im Herbst 1941 sitzt die 84jährige Witwe des Malers Max Liebermann in Berlin fest. Die Jüdin schwebt in höchster Gefahr.
"Ich glaube, sie ist sich noch immer nicht bewusst, dass es hier nicht nur um Besitz, Geld oder die Bilder ihres Mannes geht, sondern vielleicht um ihr Leben."
Im Salon der Widerstandskämpferin Hanna Solf sorgen sich Freunde und Freundinnen um das Leben Martha Liebermanns und eruieren Möglichkeiten, sie aus Deutschland zu bekommen. Ein Affidavit für die Einreise in die USA liegt vor, ihre Tochter und ihr Schwiegersohn sind dorthin emigriert, doch die Ausreise gestaltet sich schwierig. 50.000 Reichsmark müssen zu ihrer Rettung aufgebracht werden.
Elisabeth von Thadden, Maria Gräfin von Maltzan und Edgar Baron von Uexküll sind sich in ihrer politischen Meinung über das Naziregime einig. Auch Albrecht Graf von Bernstorff gehört zu der bürgerlich-liberalen Widerstandsgruppe. Er war bereits drei Monate im Konzentrationslager Dachau inhaftiert.
Martha Liebermanns Leben ist inzwischen auf ihre Wohnung begrenzt. Unglaubliche Sühneleistungen [habe] sie zahlen müssen, Konten seien gesperrt, das Haus in Wannsee schon lange zwangsverkauft worden. Zwei Haushälterinnen kümmern sich um die alte Frau.
Parallel zu den Versuchen, Martha Liebermann zu retten, erzählt Sophia Mott in Rückblenden aus der Vergangenheit: wie Martha Max kennenlernt, der durch sein skandalöses Bild Jesus im Tempel plötzlich Berühmtheit erlangt. Von der Geburt des ersten und einzigen Kindes, der Tochter Käthe. Von Ausstellungen, sich mehrendem Reichtum und dem Bau der Villa am Wannsee.
Alles wird in der Zeit reflektiert: hier sehen wir das Deutsche Kaiserreich, dort beobachtet Max die Revolten in der Weimarer Zeit. Hier hören wir den Jubel auf den Straßen zu Beginn des 1. Weltkrieges, Unter den Linden schließen während der Wirtschaftskrise die Geschäfte. Der sich immer stärker bemerkbar machende Antisemitismus erhebt seine grässliche Fratze.
Sehr bildhaft lässt Sophia Mott diese Welt vor den Augen der Leserin erstehen. Und doch: es scheint, wir betrachten Genrebilder aus unterschiedlichen Zeiten. Die Herren rauchen Zigarren auf der Terrasse, das Ehepaar erfreut sich der Tochter, noch unverheiratet in München bewohnt Max ein großes Atelier... Wie hineingestellt wirken die Personen und erwachen nicht wirklich zum Leben.
Damit wir nicht vergessen, dass der Großteil des Romans in Berlin stattfindet, wird auf Teufel komm raus berlinert.
Die größte Abwesenheit in diesem Roman ist jedoch die der Martha Liebermann. Die Rückblenden beziehen sich fast ausschließlich auf Max und seine Karriere. Wer aber ist Martha Liebermann, rufen wir fragend aus, und wo ist sie? Etwa in der Mitte des Buches gibt uns die Autorin endlich die Antwort. Martha habe es nie danach gedrängt, einen Beruf zu erlernen, sie habe keine besondere Leidenschaft gehabt. Das jedenfalls diktiert Max seinem Biographen Julius Elias. Und: Die Frau solle Geistiges, Künstlerisches, in sich aufnehmen, sie solle sich pflegen und sich schmücken … und so weiter. So dass Sophia Moll konstatiert: Als Martha anfing Max Leben zu teilen, da teilten sie sich sein Leben und nicht ihres.
Doch auch wenn Sophia Mott ihre Leinwand manches Mal zu stark mit Lokalkolorit einfärbt und die Charaktere oft vage bleiben, lohnt sich das Lesen dieses Romans. Wie sehr sich die Freund*innen für die alte Frau einsetzen, wie sie sogar ihr Leben riskieren, weil sie es nicht ertragen können, Martha Liebermann von den Nazis deportiert zu sehen, ist ein großes Beispiel für Zivilcourage und Mut. Im Epilog zeichnet die Autorin das weitere Schicksal der Freunde und Freundinnen und nicht zuletzt der Nachkommen Martha und Max Liebermanns kenntnisreich nach.
AVIVA-Tipp: Sophia Moll gelingt es nicht durchgehend, uns Martha Liebermann nahe zu bringen. Zu schemenhaft bleibt sie, zu sehr wird ihr Mann Max in den Vordergrund gerückt. Als Erzählung über mutige Menschen, die Widerstand leisten, taugt dieser Roman jedoch allemal.
Zur Autorin: Sophia Mott, geboren 1957 in Baden-Baden, studierte Kontrabass in Würzburg und Frankfurt und arbeitete in verschiedenen Orchestern. In Heidelberg Studium der Germanistik und Musikwissenschaften. 2002 veröffentlichte sie ihren ersten Roman Der Fall Doria. Die Ehe von Elvira und Giacomo Puccini. Sophia Mott lebt in Fulda. (Verlagsangaben)
Sophia Mott
Dem Paradies so fern. Martha Liebermann
ebersbach & simon, erschienen im Februar 2019
336 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-86915-172-4
Euro 22,00
Mehr zum Buch: www.ebersbach-simon.de
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