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Beitrag vom 25.03.2019
Mona Høvring - Was helfen könnte
Bärbel Gerdes
Als Lauras Mutter ins Wasser geht, ist sie in der ersten Klasse. Neun Jahre alt ist sie, als ihre Mutter ihr nachts im Traum das Schwimmen beibringt. In ihrem stillen Buch erzählt die norwegische Lyrikerin und Autorin Mona Høvring von Einsamkeit und Trauer, Erwachsenwerden und der erwachenden Sexualität eines Mädchens.
Erst ganz allmählich entfaltet sich der Hintergrund der Geschichte mit ihrer Mutter. Und es ist auch eigentlich nicht die Frage, weshalb sie es tat. Viel wichtiger ist das Weiterleben, das Überleben, das wieder vertrauen lernen.
Laura erzählt ihre Lebensgeschichte mit großer Gegenwärtigkeit und Unmittelbarkeit. Sie erinnert sich, wie es war, als sie Marie das erste Mal wahrnahm und wie die beiden Mädchen schnell Freundinnen wurden. Wie besonders es war, dass Marie voller Selbstbewusstsein erzählte, dass ihre Eltern geschieden seien. Wie sie lachend vorschlug, dann könnten doch Lauras Vater und Maries Mutter heiraten, damit die beiden Halbschwestern würden.
Es sind die Innenansichten eines Mädchens, die im Vordergrund stehen. Nur schemenhaft erfahren wir, dass ihr Vater oft mehrere Tage hintereinander nicht zu Hause ist, weil er zu See fährt. Wir lernen den Bruder kennen, der bald in einer anderen Stadt studiert. Geredet wird kaum miteinander. Laura geht zur Schule – doch von den MitschülerInnen erfahren wir wenig.
Andere Dinge sind wichtig, und die stellt Mona Høvring radikal in den Vordergrund. Wichtig sind die Beobachtungen und Fantasien, die Laura (sich) macht: den Mann, dem im Schwimmbad versehentlich die Hose herunterrutscht, steht in ihrer Vorstellung plötzlich in ihrem Zimmer und entkleidet sich langsam. Sie beobachtet die Körper der Frauen in der Duschkabine, deren Üppigkeit sie bewundert. Sie genießt das Einseifen ihres Körpers durch Maries Mutter und verdrängt abends im Bett die Erinnerung daran, dass sie dabei wesentlich mehr empfand.
Laura entdeckt Männer und Frauen, sie beobachtet Familien und stellt sich ihre Eltern mit ihren beiden Kindern vor. Sie trinkt mit Andreas, einem älteren Gärtner, und seiner Frau Tee und denkt, wenn uns jetzt jemand fotografieren würde, sähen wir aus wie eine ganz normale Familie. Sie beginnt, sich für Botanik zu interessieren, und indem sie mit Andreas Bäume pfropft und beschneidet, hat sie kurz das Gefühl, dass ich über mein Leben bestimmte.
Lauras Trauer und das Schweigen, das sie umgibt, werden nicht reflektiert und nicht kommentiert, sondern unmittelbar erfahren. Auch ihre Erlebnisse, etwa das kurze erotische mit einer wesentlich älteren Frau oder die zarte beginnende Beziehung zum gleichaltrigen Peter, geschehen und werden verwoben in Lauras Alltag. Doch Grübeln, Nach-Denken, Analysieren bleiben außen vor. Das macht diesen Roman so intensiv und eindringlich.
Mona Høvrings Sprache ist sinnlich und visuell, was große Authentizität in den Text bringt. Die mehrfach ausgezeichnete Autorin erzeugt dadurch bei aller Ruhe und Schönheit eine große Sogwirkung.
AVIVA-Tipp: Was helfen könnte wurde mit Françoise Sagans Bonjour Tristesse verglichen. Hovring hat einen sexuell expliziten Roman geschrieben, ohne je pornographisch zu sein, einen Coming-of-Age-Roman, der der Protagonistin breiten Raum gibt, ihr Leben und ihre Veränderungen zu erfahren.
Zur Autorin: Mona Høvring wurde 1962 in Norwegen geboren. Seit 1998 hat sie zahlreiche Gedichtbände veröffentlicht. 2004 debütierte sie als Prosaschriftstellerin mit dem hier vorliegenden Roman Noe som hjelper. Es folgten drei weitere Romane, darunter 2012 Venterommet i Atlanteren und 2018 Fordi Venus passerte en alpe ol den dagen jeg blei født. 2012 wurde sie für ihr Gesamtwerk mit dem Språklig samlings litteraturpris ausgezeichnet, im März 2019 mit dem Kritikerpreis für den besten norwegischen Roman.
Zur Übersetzerin: Ebba D. Drolshagen, 1948 in Büdingen geboren, studierte Anglistik und Germanistik mit Schwerpunkt Linguistik in Frankfurt/Main und an der University of Chicago. Seit 1985 arbeitet sie als Übersetzerin aus dem Englischen, Norwegischen und Dänischen sowie als Publizistin, Rundfunkjournalistin und Reisejournalistin. Unter anderem übersetzte sie Vera Brittain, Gertrude Bell und Judy Chicago. Darüber hinaus veröffentlichte sie zahlreiche Sachbücher, u.a. 2017 Zwei rechts, zwei links. Geschichten vom Stricken und 2015 Der melancholische Garten: Ein Spaziergang über den Frankfurter Hauptfriedhof. Ebba D. Drolshagen lebt in Frankfurt/Main.
Mehr Infos: ebba-drolshagen.de
Mona Høvring
Was helfen könnte
Originaltitel: Noe som hjelper
Aus dem Norwegischen von Ebba D. Drolshagen
Im Anhang Im Grunde verlasse ich die Arbeit nie. Ein Gespräch mit Mona Høvring
editionfünf, erschienen am 25.2.2019
144 Seiten, Bezug Naturpapier, Hardcover
ISBN 978-3-942374-98-9
19,00 €
Auch als eBook erhältlich.
Mehr zum Buch unter: www.editionfuenf.de
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