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Beitrag vom 17.02.2019
Selbstbestimmt. Perspektiven von Filmemacherinnen, Herausgegeben von Karin Herbst-Meßlinger und Rainer Rother. Sie. Regisseurinnen der DEFA und ihre Filme, Herausgegeben von Cornelia Klauß und Ralf Schenk
Helga Egetenmeier
Zwei Sachbücher über Filmemacherinnen und Regisseurinnen aus der DDR, der BRD und dem gemeinsamen Deutschland erschienen passend zur Berlinale 2019 im Berliner Bertz + Fischer Verlag. Inhaltlich schließen sie an die diesjährige Retrospektive des Filmfestivals an, die Frauen hinter der Kamera präsentiert.
Beide Bücher geben einen mit zahlreichen Bildern versehenen Überblick über zahlreiche weibliche Filmschaffende, ergänzt durch zwei beigelegte DVDs, die einen Einblick in DEFA-Filme gegeben.
"Es liegt kein Zaudern in dem Beginn", starten Connie Betz, Karin Herbst-Meßlinger und Rainer Rother ihr Vorwort in "Selbstbestimmt. Perspektiven von Filmemacherinnen". Damit verweisen sie auf die Mitte der 1960er Jahre, denn ab dieser Zeit ist der Beruf der Regisseurin in der DDR und der BRD keine Ausnahme mehr.
Inhaltlich trennen sich die zehn folgenden Texte zwischen wissenschaftlicher Analyse und persönlichem Zugang. Fünf Theoretikerinnen betrachten die Filme der Regisseurinnen entlang deren Darstellungen von Selbstbestimmtheit und Arbeit, zwischen Stadtraum und als Flaneurin, der Wahrnehmung und Befreiung des Blicks, sowie dem Einsatz der Dramaturgie und der Ästhetik des Erzählens.
Abwechselnd dazwischen folgen fünf Essays bekannter Regisseurinnen, deren Arbeiten größtenteils in die Zeit nach 2000 fallen. Sie betrachten aus persönlicher Sicht einen Film aus dem Programm der Retrospektive der Berlinale 2019. So erzählt Maren Ade, die mit "Tony Erdmann" 2016 bekannt wurde, von der sie beeindruckenden Begegnung mit Helga Reidemeisters "Von Wegen ´Schicksal´", BRD 1979. Über Margarethe von Trottas "Die bleierne Zeit", BRD 1981, schreibt Lisa Miller, die für ihr Langfilmdebüt "Landrauschen" 2018 den Max-Ophüls-Preis erhielt.
Gegliedert in individuelle Eindrücke, gemischt mit Film-Analysen unter gesellschaftstheoretischen Aspekten und bereichert mit einer großen Anzahl an Fotos, verleitet das Buch auch beim schnellen Durchblättern zum rein Lesen. Inhaltlich ist es etwas BRD-lastig - das wird jedoch durch das weitere Film-Buch ausgeglichen, dass sich ausschließlich Filmemacherinnen aus der DDR widmet.
Zur Autorin: Karin Herbst-Meßlinger ist Filmwissenschaftlerin und Redakteurin der Deutschen Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen, Berlin. Sie studierte Literatur-, Theater- und Filmwissenschaft in Berlin, war Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Berlin und an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Neben Buchveröffentlichungen arbeitet sie auch als Lehrbeauftragte am Seminar für Filmwissenschaft der FU Berlin.
Zum Autor: Rainer Rother ist Filmwissenschaftler und seit 2006 Künstlerischer Direktor der Deutschen Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen, Berlin und Leiter der Filmhistorischen Sektion der Internationalen Filmfestspiele Berlin. Er studierte Germanistik und Geschichte in Hannover und war von 1991 bis 2006 der Leiter des Zeughauskinos des Deutschen Historischen Museums, Berlin. Er kuratiert Ausstellungen und Filmreihen und ist seit 2001 Mitglied der Auswahlkommission für den Wettbewerb der Berlinale, sowie Autor und Herausgeber von Publikationen zur Film- und Mediengeschichte.
Karin Herbst-Meßlinger, Rainer Rother (Hg.)
Selbstbestimmt. Perspektiven von Filmemacherinnen
Bertz+Fischer, Februar 2019
Hardcover, 216 Seiten, 163 Fotos, sw und farbig
ISBN-13: 978-3-86505-262-9
25,00 Euro
www.bertz-fischer.de
Ihr einleitendes Gespräch zu "Sie. Regisseurinnen der DEFA und ihre Filme" betiteln die Herausgeber*innen Cornelia Klauß und Ralf Schenk mit "Die eigene Handschrift". Im Laufe der Diskussion erweitern sie die Frage ihrer kenntnisreichen Reflektion zu: "Gab es bei der DEFA eine ´weibliche Handschrift´ des Erzählens?". Das Ergebnis des Gesprächs dazu bleibt vielschichtig - und Cornelia Klauß stellt dabei fest, dass die DEFA-Filme alle den Bechdel-Test bestehen würden.
In alphabetischer Reihenfolge, von Angelika Andrees bis Leonija Wuss-Mundeciema, vermitteln mehrere Autor*innen ihren persönlichen Eindruck zu 63 DEFA-Regisseurinnen wieder. Dabei bleiben sie im Spannungsfeld zwischen dem filmisch Machbarem und dem politisch Möglichem. Filme aus unterschiedlichen Bereichen, wie Spiel-, Dokumentar-, Trick- und Industriefilm, werden dabei rückblickend betrachtet, es schließt sich jeweils eine ausführliche Filmografie an.
Als Autorin sei hier beispielhaft Grit Lemke vorgestellt. Sie ist selbst in der DDR geboren und war zwischen 1991 und 2017 beim Filmfestival DOK Leipzig tätig. In ihrem Text schreibt sie über die 1936 geborene Regisseurin Gitta Nickel, die ab den 1960er Jahren in der DDR erfolgreich Filme drehte. Lemke beschreibt den großen Zuspruch von Ost und West bei einer Hommage für Gitta Nickel während des Leipziger Dokumentarfilmfestivals 2011. Und sie stellt sich die Frage, die, wie sie sagt, nach dem Ende der DDR immer im Raum steht: "gibt es die Handschrift eines Film, die erkennen lässt, ob seine Macher*innen staatsnah oder staatskritisch waren?"
Der diesem Buch titelgebende Film "Sie" (1970) stammt auch von Gitta Nickel. In diesem Dokumentarfilm befragt die Regisseurin unterschiedliche Frauen nach ihren Ansichten darüber, weshalb sie keine Leitungspositionen erreichen. Diese Fragestellung reflektiert Grit Lemke als für den "DDR-Film ungewöhnlich und aus feministischer Sicht bis heute bemerkenswert und richtig".
Auf den zwei beigelegten DVDs sind 16 Kurzfilme und mit "Kennen Sie Urban" (1970) von Ingrid Reschke, sowie "Isabel auf der Treppe" (1983) von Hannelore Unterberg, zwei Spielfilme aufgespielt, die eine kleine Auswahl der im Buch aufgeführten Filme darstellen. Ein Buch, das auf eindrucksvolle Weise und über die persönlichen Texte zeigt, dass es noch viele Filme und Regisseurinnen der DEFA zu entdecken gibt.
Zur Autorin: Cornelia Klauß studierte an der Filmhochschule Babelsberg Filmwissenschaft, drehte Super-8-Filme und schrieb für Untergrundzeitschriften. Nach dem Studium wurde sie als Dramaturgin zur Bewährung ins Fernsehstudio Halle zwangsversetzt. Nach vorzeitigem Abbruch wurde sie Rechercheurin für Dokumentarfilme im DEFA-Studio Babelsberg und Kritikerin für "Die Kirche". Von 1990 bis 2012 leitete sie das Programm des Filmkunsthauses Babylon, drehte Dokumentarfilme, war 12 Jahre lang Mitglied der Auswahlkommission für das DOK Leipzig und 20 Jahre lang für die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen. Seit 2017 leitet sie die Sektion Film- und Medienkunst der Akademie der Künste.
Zum Autor: Ralf Schenk studierte Journalistik und arbeitete bei den Zeitschriften "Film und Fernsehen" und "Die Weltbühne", sowie beim Filmmuseum Potsdam. Als Autor und Herausgeber verantwortet er rund zwanzig Bücher, restaurierte verbotene Filme, ist seit 2004 Mitglied der Berlinale-Auswahljury und leitet seit 2012 die DEFA-Stiftung in Berlin.
Cornelia Klauß, Ralf Schenk (Hg.)
Sie. Regisseurinnen der DEFA und ihre Filme
Bertz+Fischer, Februar 2019
Hardcover, 416 Seiten, 59 Fotos, plus 2 DVDs mit 18 ausgewählten Filmen
ISBN-13: 978-3-86505-415-9
29,00 Euro
www.bertz-fischer.de
AVIVA-Tipp: Informativ und mit dem Blick auf das gesellschaftliche Geschlechterverhältnis geben beide Bücher eine wichtigen Übersicht über das weibliche Filmschaffen. Dabei gehen die Autor*innen gleichzeitig analytisch, wie auch empathisch vor und so entstanden zwei wichtige Bücher zur Sichtbarmachung der Kulturarbeit von Frauen.
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
AVIVA-Berlin befragt Barbara Rohm vom Vorstand Pro Quote Regie zur Studie Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland.
Es gibt eine Schieflage vor und hinter der Kamera. Das Netzwerk Pro Quote Regie fordert anlässlich der Ergebnisse der Studie eine Diversitätsoffensive in TV und Kino. Nur so kann die deutliche Unterrepräsentierung von Frauen und gegen Stereotypen in TV und Kino angegangen werden. (2017)
Filmrückblick 2015 - Das Jahr der Frauen - Ein Resümee von AVIVA-Berlin
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Claudia Lenssen, Bettina Schoeller-Bouju (Hrsg.) - Wie haben Sie das gemacht? Aufzeichnungen zu Frauen und Film
Das Kompendium achtzig facettenreicher Erfahrungs- und Lebensgeschichten von Frauen hinter und vor der Kamera, am Schneidetisch und in der Produktion, lehnt sich bewusst an diese Insider*innen-Frage an, die auf Truffauts berühmte Befragung Hitchcocks anspielt. (2014)
Weitere Infos unter:
www.bechdeltest.com
Webseite zu Informationen um den Bechdel-Test, mit Filmliste.