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Beitrag vom 06.09.2018
Claire Messud - Das brennende Mädchen
Bärbel Gerdes
In dem neuen Roman der US-amerikanischen Schriftstellerin Claire Messud zerbricht die Freundschaft zweier Mädchen unerwartet und schmerzlich. An Messuds Buch ´Des Kaisers Kinder´, das ein internationaler Erfolg wurde, reicht dieses leider nicht heran. Die Protagonistinnen bleiben seltsam kühl und unnahbar.
Julia Robinson und Cassie Burnes – Cassie kurz für Cassandra, der Nachname trägt das Brennen in sich – kennen sich seit dem Kindergarten. Die beiden sind unzertrennlich, auch wenn sie sehr unterschiedlich aufwachsen. Julia ist die Tochter einer freien Journalistin und eines Zahnarztes, ein gutsituiertes Paar, zugewandt und liebevoll, das ihrem Mädchen die besten Möglichkeiten bieten möchte. Ganz klar ist, dass aus Julia mal etwas wird.
Ganz anders wächst Cassie auf. Ihre Mutter Bev ist alleinerziehend. Sie arbeitet als Krankenschwester in einem Hospiz. Ihre Tochter hat ihren Vater nie kennengelernt, der bei einem Unfall ums Leben kam. Beide leben in einem "perfekten Häuschen" in einer Sackgasse, dessen Garten an einem Wald endet, einem "übergriffigen" Wald: "Es fühlte sich an, als würde der Wald auf das Haus der Burnes übergreifen."
Die beiden Mädchen durchleben Kindheit und die beginnende Pubertät miteinander, sie hören Musik, gehen schwimmen und entdecken die verbotene geschlossene Nervenklinik, die in einem viktorianischen Schloss untergebracht war. Beide sind Einzelkinder, beide haben blaue Augen, so dass sie manchmal meinen, Schwestern zu sein. Cassie ist die Mutigere, die Furchtlosere, während Julia die Vernünftige, Bedächtige ist.
Doch nun ist Julia vierzehn und erinnert sich an den Sommer vor zwei Jahren, als der ihr unerklärliche Bruch geschah. "Ich, die ich immer mit Stolz von mir behaupte, die Dinge zu begreifen, kriege noch heute nicht richtig auf die Reihe, was eigentlich passiert ist., erzählt sie uns und rollt dann die ganze Geschichte auf. Auch von Cassie hat sie keine Antwort bekommen, obwohl sie sie fragte "Was ist mit uns passiert?"
Dies ist eine der Stellen, an denen als Leserin ein leichtes Unbehagen entsteht. Stellen junge Mädchen sich tatsächlich diese Frage?
Allzu viel kann Julia nicht aus erster Hand wissen, denn Cassie trifft sich nicht mehr mit ihr. Plötzlich hat sie andere Freundinnen und Bekannte. Julia kann sich nur auf den gemeinsamen Freund Peter verlassen, der die Mittlerrolle in diesem Roman hat.
Er erzählt von Bevs neuem Partner, den Cassie nicht ausstehen kann und der sie ständig kontrolliert und gängelt. Die intensive Beziehung zu ihrer Mutter geht daran kaputt. Peter ist es auch, der Julia von Cassies Suche nach ihrem Vater berichtet und davon, dass Cassie plötzlich glaubt, er lebe irgendwo und ihre Mutter habe sie angelogen.
Claire Messud unterrichtet Kreatives Schreiben an verschiedenen amerikanischen Colleges. Der Roman wirkt wie nach einem Rezept geschrieben. Detaillierte Beschreibungen werden unterbrochen von eingeschobenen Belanglosigkeiten, die Situationen oder Personen umreißen sollen.
Die Autorin schildert das Leben und die Entwicklung junger Mädchen oft klischeehaft. Selbst die Freundschaft der beiden Mädchen wird mit so viel Abstand dargestellt, als blicke die Leserin durch eine Plastikfolie. Die Rollen zwischen den Geschlechtern sind klar zugewiesen. Peter sagt, er "vergesse immer wieder, dass ich jünger sei als er, weil ich so gute Ratschläge erteilen und so klug wirken würde."
Die Leserin kann nicht warm werden und leider auch nicht mitfühlen mit den Geschehnissen und Verworfenheiten in diesem Buch.
Fast ganz am Ende des Romans heißt es: "Wir ziehen alle unsere Kostüme an, setzen Masken auf und tun so, als ob." Es scheint, als sei dies das Motto dieser Geschichte, die einfach nicht entfachen will.
AVIVA-Tipp: Leider vermag Claire Messud in diesem Roman nicht zu überzeugen. Die beiden Mädchen bleiben der Leserin fern. Ihre tiefen Gedanken und Empfindungen bleiben verdeckt.
Zur Autorin: Claire Messud wurde 1966 geboren und entstammt einer kanadisch-französischen Familie. Sie wuchs in Kanada, den Vereinigten Staaten und Australien auf. Sie studierte an der Yale Universität und an der Cambridger Universität. 1995 debütierte sie mit ihrem Roman When The World Was Steady, der für den PEN/Faulkner Award nominiert wurde. Ihr zweites Buch The Last Life erschien 1999. Am bekanntesten wurde sie mit dem Roman The Emperor´s Children (2006), der 2007 unter dem Titel Des Kaisers Kinder auf Deutsch veröffentlicht wurde und für den Booker Prize nominiert war. Die American Academy of Arts and Letters verlieh ihr den Addison Metcalf Award und den Strauss Living Award. 2010/11 war Messud Fellow am Wissenschaftskolleg Berlin. Sie unterrichtet Creative Writing, ist Mitherausgeberin der Literaturzeitschrift The Common und schreibt für The New York Review of Books.
Mehr Infos zu der der Autorin: clairemessud.com
Zur Übersetzerin: Monika Baark wurde 1968 in Tel Aviv geboren und wuchs in Toronto, New York, Moskau, Bon und Antwerpen auf. Studium der Anglistik und Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg. Gastsemester an der Wesleyan University. 1995 Abschluss mit M.A. Seit 1998 arbeitet sie als freie Übersetzerin von u.a. Jeanette Winterson, Margaret Atwood, Vendela Vida, James McBride und Miriam Toews. Bis 2013 veröffentlichte sie unter dem Namen Monika Schmalz. Monika Baark ist ausgebildete Bikram Yoga-Lehrerin und gründete 2012 die Eclectic Folk-Band BAARK. Sie lebt in Berlin.
Mehr Infos zur Ãœbersetzerin: www.monikabaark.de
Claire Messud
Das brennende Mädchen
Originaltitel: The Burning Girl
Aus dem amerikanischen Englisch von Monika Baark
Hoffmann und Campe, erschienen am 14. August 2018
256 Seiten, Pappband mit SU
ISBN 978-3-455-00392-5
20.00 Euro
Mehr zum Buch und Lesungsterminen unter: www.hoffmann-und-campe.de
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