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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 30.10.2017


Aya Cissoko - Ma
Kristina Tencic

Von der Tochter einer alleinerziehenden Migrantin aus Mali zur Boxweltmeisterin, Politikwissenschaftlerin und zur Schriftstellerin - das ist der beeindruckende Lebensweg Aya Cissokos, die dem Einwanderungsland Frankreich einen Spiegel vorhält, und zeigt,…




... was sich hinter den unscheinbaren Fassaden dunkelhäutiger Frauen für Kulturkämpfe abspielen. Diese schreibend auszufechten, ist Aya Cissoko mit ihrem neuen Roman "Ma" ausgezogen.


"Ma" erzählt autobiografisch von Aya Cissokos Mutter, die nach dem Brandanschlag auf ihre Wohnsiedlung in der Banlieu ihren Mann und eine Tochter verliert und sich entgegen der Tradition, die auch in der neuen Heimat Frankreich alle Lebensbereiche beherrscht, dagegen entschließt, erneut zu heiraten. Alleinerziehend versucht sie, ihrer Tochter auf diesem Drahtseilakt zwischen Tradition und Moderne, alter und neuer Heimat, ihre anerzogenen Werte aus Mali weiterzugeben, die um Würde, Charakterstärke und Respekt vor Alteingesessenem kreisen. Männer kontrollieren auch in Frankreich die Ausführung der Stammesriten, und machen das Leben der Alleinerziehenden und ihrer allzu modernen Tochter keineswegs einfacher. Aya Cissoko verinnerlicht die Wut und den ständigen Kampf und macht ihn zu ihrer Berufung: erst physisch durch den Boxkampf und seit dem Jahr 2000 sehr viel versöhnlicher durch ihr Schreiben von Romanen.

AVIVA-Tipp: Aya Cissoko reiht sich in den Reigen gesellschaftskritischer junger AutorInnen aus Frankreich ein, der dieser Zeit die LeserInnen aller Welt hoffnungsvoll in unser Nachbarland blicken lässt. Und wenn sich die Leserin sich Aya Cissoko so anschaut, weiß sie, dass sie die Chuzpe und das Durchhaltevermögen hat, diesen Kampf noch lange weiter auszufechten.

Zur Autorin: Aya Cissoko wurde 1978 in Frankreich geboren. Ihre Eltern kamen Anfang der 1970er Jahre aus Mali nach Frankreich. 1986 kommen ihr Vater und ihre Schwester bei einem Brandanschlag in Paris ums Leben. Sie entdeckt das Boxen für sich als Rückzugsort und wird 2006 Amateur-Boxweltmeisterin. Ein Bruch der Wirbelsäule beendet 2010 ihre Boxkarriere. 2011 veröffentlicht sie (zusammen mit Marie Desplechin) ihr erstes Buch, "danbé", das unter dem Titel Wohin ich gehe verfilmt wurde. Sie studiert Politikwissenschaften am Institut d´études politiques in Paris. 2016 erschien ihr zweites Buch "n´ba", das nun in deutscher Übersetzung vorliegt. Sie lebt in Paris. (Quelle: Wunderhorn Verlag)

Zur Übersetzerin: Beate Thill, geboren 1952 in Baden-Baden, studierte Anglistik und Geographie. Seit 1983 arbeitet sie als literarische Übersetzerin der Sprachen Englisch und Französisch, mit dem Schwerpunkt Literatur aus "dem Süden", v.a. aus Afrika und der Karibik. Daneben arbeitet sie als Dolmetscherin, verfasst Texte zur Übersetzungstheorie und für den Rundfunk. Sie ist Übersetzerin des kongolesischen Lyrikers Tchicaya U Tam´si, des karibischen Autors Édouard Glissant, des Tunesiers Abdelwahab Meddeb und der Algerierin Assja Djebar. 2014 erhielt sie den Internationalen Literaturpreis vom Haus der Kulturen der Welt in Berlin für ihre Übersetzung des Romans "Das Rätsel der Rückkehr" von Dany Laferrière. (Quelle: Wunderhorn Verlag)

Aya Cissoko
Ma

Originaltitel: n´ba
Ãœbersetzung: Beate Thill
Wunderhorn Verlag, erschienen 2017
Gebundenes Buch, 180 Seiten
ISBN: 978-3-88423-573-7
24,80 Euro
Mehr zum Buch unter:www.wunderhorn.de

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Beitrag vom 30.10.2017

Kristina Tencic