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Beitrag vom 24.05.2017
Dorothy Parker - Denn mein Herz ist frisch gebrochen. Gedichte
Bärbel Gerdes
Satire, Spitzfindigkeit, Spott – die scharfzüngige Dorothy Parker, geborene Rothschild, die erste weibliche Theaterkritikerin New Yorks, präsentiert sich zu ihrem 50. Todestag am 7. Juni 2017 mit ihren Gedichten in einer neuen deutschen Übersetzung
Als Dorothy Parker am 7. Juni 1967 starb, lebte sie vereinsamt und fast blind in einem Hotelzimmer. Sie wurde 73 Jahre alt. Was für ein Leben! Aufgewachsen als Dorothy Rothschild in Manhattan, verlor sie mit nur 5 Jahren ihre Mutter, Eliza (Marston) Rothschild. Ihr Vater, Henry Rothschild, heiratete bald wieder. Dot oder Dottie, wie sie auch genannt wurde, hasste ihren Vater und ihre Stiefmutter. Sie weigerte sich, diese mit ihrem Namen oder gar als "Mutter" anzusprechen und benutzte stattdessen das Wort "Haushälterin".
Bereits als Zehnjährige verfasste sie erste Gedichte. 1903 verstarb ihre Stiefmutter. Dorothy besuchte Miss Dana´s School in New Jersey, die sie 18jährig verließ. Bereits zu dieser Zeit konnte sie, "[d]ie grausamsten Dinge in höflichem Ton, mit sanfter Stimme, mit einem Lächeln auf den Lippen [...] sagen, darin wird sie Meisterin." So beschreibt es jedenfalls Michaela Karl in ihrer Biographie "Noch ein Martini und ich lieg unterm Gastgeber".
1913 stirbt ihr Vater, so dass sie jetzt tatsächlich auf sich allein gestellt ist. Um sich ihren Lebensunterhalt zu sichern, spielt sie Klavier in einer Tanzschule und feilt weiter an ihren Versen. Ein Jahr später wird ihr erstes Gedicht in der angesehenen Zeitschrift Vanity Fair veröffentlicht. Davon ermutigt, stellt sie sich bei deren Chefredakteur vor und bittet um eine Einstellung. Tatsächlich erhält sie einen Job – beim Schwestermagazin Vogue. Dort soll sie Bildunterschriften kreieren, die sie mit derselben Bissigkeit verfasst: "Die Wäsche zur diesjährigen Herbstmode beweist, in der Kürze liegt die Würze – wie schon der Unterrock zum Unterkleid sagte." Auch Artikel darf sie verfassen. Insbesondere das Geplapper betuchter Damen geht ihr gehörig auf die Nerven. Mit meisterhaftem Spott führt sie diese vor. "Wenn eine Frau einen Schrank vollgestopft mit Bulldoggen hat und plötzlich kommen Scotch Terrier in Mode, was soll sie dann tun? Bedauerlicherweise kann man sie ja nicht umarbeiten lassen."
1917 heiratet sie den Börsenmakler Edwin Parker. Im selben Jahr erhält sie endlich eine Anstellung bei der Vanity Fair. Dorothy Parker soll Bühnenstücke rezensieren und ist somit die erste weibliche Theaterkritikerin New Yorks. Ihre Kritiken werden geliebt und gehasst – die Regisseure lernen sie zu fürchten. Sie empfiehlt ihren Leserinnen, Strickzeug mitzubringen, damit sie sich während der Aufführung nicht zu Tode langweilen, oder "betete – leider vergeblich - , dass die Kulissen auf sie [die beiden Schauspieler] stürzen und sie zum Schweigen bringen würden."
Bereits 1920 wird sie gefeuert. Von nun an arbeitet sie als freie Schriftstellerin.
Doch Parkers Leben ist zerrissen. Neben der scharfzüngigen und spöttischen Frau gibt es die verletzliche und verletzte, die sich Trost im Alkohol und in zahlreichen Liebschaften sucht, depressiv ist und sich immer wieder damit beschäftigt, ihr Leben zu beenden: "Ist wund mein Herz und wild die Brust, / Dann habe ich zum Selbstmord Lust, / Ist hoch mein Herz und kühl mein Blut, / Dann denk ich, Tote haben´s gut!"
1926 wird ihr erster Gedichtband veröffentlicht, mit dem sie begeisterte Rezensionen und einen hohen Absatz erntet. Ab 1927 engagiert sich Dorothy Parker politisch. Stets steht sie auf der Seite der Unterprivilegierten. Die nächsten 15 Jahre sind gekennzeichnet von hoher Arbeitsintensität und schweren psychischen Krisen. Mehrmals versucht sie sich das Leben zu nehmen, während gleichzeitig jeder neuer Gedichtband hymnisch gefeiert wird. Parker schreibt Sonette und Balladen, kürzeste Gedichte mit spitzer Pointe, Couplets mit überraschenden Wendungen. Genauso breit wie die Formen sind ihre Inhalte. Liebe natürlich und immer wieder Liebesschmerz – mal bissig aufgegriffen, mal herzzerreißend, nie aber verkitscht. Tod und Selbstmord sind wichtige Themen für sie, das Verhältnis von Männern und Frauen. Und Geld – das eigene Einkommen zu sichern als Frau in den zwanziger Jahren ist ihr ein großes Anliegen.
Ihre politischen Ansichten spiegeln sich in ihren Gedichten nur sehr verdeckt wieder.
Dabei nimmt das politische Denken in ihr immer größeren Raum ein. In den dreißiger Jahren ist sie entsetzt über den Antisemitismus in Deutschland. In den USA engagiert sie sich für Sacco und Vanzetti. Ihre Bekannten belächeln sie und nehmen ihr ihre zunehmend kommunistische Gesinnung nicht ab. Unter dem Eindruck Hitlerdeutschlands schlägt sie sich auf die Seite Stalins und unterschreibt mit 150 amerikanischen Künstler_innen eine Erklärung, dass die stalinistischen Schauprozesse gerechtfertigt seien. Ihr politisches Engagement führt in den 50ger Jahren dazu, dass sie Opfer der Kommunistenjagd unter Senator Joseph McCarthy wird. Parker veröffentlicht zahlreiche Kurzgeschichten und Gedichte.
Nach dem Tod ihres zweiten Mannes, Alan Campbell, den sie 1934 und nach der Scheidung im Jahr 1947 zum zweiten Mal 1950 geheiratet hatte, und der ebenso wie Parker jüdisch-schottischer Herkunft ist, wird sie zunehmend einsamer. Sie gerät in Vergessenheit.
Bleiben werden aber ihre Gedichte, die zu Unrecht als zu leicht gewogen wurden.
In ihrem Gedicht "Kommentar" resümiert sie "Oh, life is a glorious cycle of song, / A medley of extemporanea, / And love is a thing that can never go wrong, / And I am Marie of Roumania."
In dem vom Zürcher Dörlemann herausgegebenen Gedichtband übersetzt Ulrich Blumenbach mit viel Wortsensitivität: "Ein Lied ist das Leben, es singt und es klingt, / Ein Medley aus Improvisina, / Und Liebe ist etwas, das immer gelingt, / Und ich bin der Kaiser von China."
Die zweisprachige Ausgabe ermöglicht den direkten Vergleich, so dass wir das Orginial genießen, die Übersetzung mit großem Gewinn verstehen können.
AVIVA-Tipp: Von dem Übersetzer Ulrich Blumenbach auf den Punkt gebracht, enthält dieser Band das breite, scharf - und tiefsinnige Œuvre von Dorothy Parker. Das umfassende Nachwort von Maria Hummitzsch bringt uns ihr Leben und Werk nahe.
Zur Autorin: Dorothy Parker am 22. August 1893 in New Jersey geboren, war Dichterin, Theaterkritikerin, Redakteurin und Schriftstellerin. Sie gründete gemeinsam mit Robert Benchley und Robert E. Sherwood im New Yorker Algonquin den legendären Round Table. Ihr erster Gedichtband Enough Rope (1926) – von der Kritik gefeiert – wurde ein kommerzieller Erfolg. Für den New Yorker verfasste sie ab 1927 ihre eigene Kolumne "The Constant Reader". Sie ging nach Hollywood, schrieb dort Drehbücher und wurde für Ein Stern geht auf (1937) für einen Oscar nominiert. 1936 war sie eine der Mitbegründerinnen der Hollywood Anti-Nazi League und während der McCarthy-Ära geriet sie auf die Schwarze Liste der Hollywood- Studios.
Sie starb am 7. Juni 1967 in ihrem Hotelzimmer im Hotel Volney in New York City.
Mehr zu Dorothy Parker im The New Yorker: www.newyorker.com und im Jewish Women´s Archive: jwa.org
Zum Übersetzer: Ulrich Blumenbach wurde 1964 in Hannover geboren und arbeitet als literarischer Übersetzer. Er studierte Anglistik, Germanistik und Geschichte an den Universitäten Münster, Sheffield und Berlin. Er lehrt im Studiengang Literarisches Übersetzen an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und leitet das Zürcher Übersetzertreffen. Unter anderem übersetzte er Werke von Agatha Christie, David Foster Wallace und Jack Kerouac. Blumenbach wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und erhielt 2015 das Zuger Übersetzer-Stipendium. Er wohnt in Basel.
Maria Hummitzsch, 1982 in Magdeburg geboren, studierte in Leipzig, Lissabon und Florianópolis Übersetzung, Psychologie und Afrikanistik. Sie arbeitet seit 2011 als Literaturübersetzerin aus dem Englischen und Portugiesischen, u.a. von David Foster Wallace, Shani Boianjiu und Imbolo Mbue, und Beatriz Bracher, außerdem als Lektorin und Moderatorin. Seit 2013 ist sie Vorstandsmitglied des "Verbands deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke" (VdÜ). Maria Hummitzsch lebt mit ihrer Tochter in Leipzig und hat 2015 das Übersetzerzentrum auf der Leipziger Buchmesse mitgegründet.
Im Dörlemann Verlag sind in ihrer Übersetzung David Garnetts Dame zu Fuchs und Mann im Zoo erschienen. Maria Hummitzsch lebt in Leipzig.
Dorothy Parker
Denn mein Herz ist frisch gebrochen. Gedichte. Englisch – Deutsch
Ins Deutsche übertragen von Ulrich Blumenbach und mit einem Nachwort von Maria Hummitzsch
Auszug der Ausgabe "Complete Poems"
Dörlemann Verlag, erschienen 24. Mai 2017
Gebunden, 399 Seiten, mit Lesebändchen
ISBN 978-3-03820-044-4
34.00 Euro
doerlemann.com