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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 15.02.2017


Jacky Fleming - Das Problem mit den Frauen
Hannah Hanemann

"Warum sind die meisten bekannten Genies eigentlich männlich?" fragt sich die britische Autorin und Cartoonistin und gibt in unterhaltsamen und sarkastischen Illustrationen anhand von abstrusen Zitaten die Antworten. Erdacht von Männern, natürlich.




"Früher gab es keine Frauen, deshalb lernt ihr im Geschichtsunterricht auch nichts über sie. Es gab nur Männer und ziemlich viele waren Genies. Dann gab es doch ein paar Frauen, aber sie hatten sehr kleine Köpfe, weswegen sie zu nichts nütze waren, außer zu Handarbeit und Krocket."

Diesen Eindruck gewann Jacky Fleming, als sie eine Dokumentation über menschliche Genialität schaute, in der es vor allem ummännlicheGenialität ging. Sie nahm das zum Anlass, in ihren Cartoons der Frage nachzugehen, was Frauen im Verlauf der Geschichte "eigentlich gemacht haben", während Männer ihre Zeit damit verbrachten, Genies zu werden.

Männliches Genie und weibliche Gestalt

In über einhundert schwarz-weißen Illustrationen und Texten rechnet die Zeichnerin mit bissigem Humor mit männerdominierten Geschichtserstattungen ab und sammelt unter anderem Zitate "männlicher Genies", wie Picasso, Kant oder Darwin, die sich mit der Rolle der Frauen und ihrer Fähigkeit zu geistigen Errungenschaften beschäftigten. Dass diese dabei nicht sehr gut wegkommen, dürfte nicht überraschen.
So wird Schopenhauer, dessen antifeministische Haltung wohl bekannt ist, mit der Aussage zitiert, dass "schon der Anblick der weiblichen Gestalt lehrt, dass das Weib weder zu großen geistigen noch körperlichen Arbeiten bestimmt ist."
Die Schlüssigkeit dieses Arguments will Fleming nicht ganz einleuchten, weshalb sie auf der nächsten Seite kontert: "Die Mathematikerin Emmy Noether hatte eine solche Gestalt. Einstein nannte sie ´das bedeutendste schöpferische, mathematische Genie´ – seit es Frauen gibt, versteht sich, nicht aller Zeiten."

Sexy Hypnose und Würdenbartträger

Die Mischung aus herrlich simplen und doch prägnanten Illustrationen und bissigen Texten entlockt der Leserin alles von amüsiertem Schmunzeln bis hin zu lautem Auflachen. Die Zeichnungen sind zwar nicht sehr detailliert oder komplex, aber liebevoll gestaltet und bringen die darüber gekrakelten Sätze humorvoll auf den Punkt.

"Frauen wirkten an Universitäten einfach fehl am Platz" behauptet Fleming – und setzt darunter die Illustration einer Frau, die ein einem riesigen viktorianischen Reifrock im Hörsaal mindestens drei Plätze einnimmt und dabei misstrauisch von den sie umgebenden, bärtigen Männern beäugt wird. Diese tragen alle unterschiedliche Barttypen, welche ein paar Seiten vorher anhand von Zeichnungen verdeutlicht werden: unter ihnen der "Würdenbart", der "Gottbart", der "Kompetenzbart" und der "Geniebart". Welche den Frauen natürlich allesamt fehlten, es sei denn sie studierten so viel, dass sie alle weiblichen Reize verlören und einen Bartwuchs entwickelten.
Auch auf einem Gemälde, das in der Praxis Freud´s gehangen haben soll, sind sämtliche Barttypen vertreten. Es zeigt die Vorführung einer "Hysterikerin" vor einer Gruppe von Ärzten durch den französischen Pathologen und Neurologen Professor Charcot. Laut Fleming zeigt es außerdem "dass Ärzte männlich und Patientinnen unter Hypnose sexy sind und dass Professor Charcot Ähnlichkeit mit Marlon Brando hatte."

In pointierten Illustrationen und Kommentaren adressiert Fleming weitere Bereiche vermeintlicher weiblicher Unzulänglichkeiten wie Sport, Kunst und Wissenschaft und portraitiert Frauen, die in diesen Bereichen Herausragendes geleistet haben.

"Das Problem mit den Frauen" ist ein vergnüglicher Zeitvertreib für zwischendurch. Aufgrund der kurzen Texte und Strichzeichnungen hat frau es schnell durchgeblättert, sich währenddessen aber blendend amüsiert und gleichzeitig noch ein paar historische Fakten dazu gelernt.

AVIVA-Tipp: Jacky Flemings "Das Problem mit den Frauen" ist ein unterhaltsamer Comic-Band, der stereotype Gendervorstellungen von der biologischen Ãœberlegenheit des Mannes durch die Geschichte hindurch humorvoll auf die Schippe nimmt, ohne sich dabei selbst zu ernst zu nehmen.

Zur Autorin: Jacky Fleming wurde 1955 in London geboren. In ihrem Kunststudium an der Leeds University begann sie, sich mit Feminismus auseinanderzusetzen. Ihre ersten Comicstrips erschienen 1978, seitdem zeichnet sie für Zeitungen, u.a. für "The Guardian", "The Observer", "The Big Issue", "Women´s Press", sowie für verschiedene Verlage. "Das Problem mit den Frauen" ist ihr erstes Buch. Ihre Arbeiten werden regelmäßig in Ausstellungen gezeigt.
Ein Interview mit Jacky Fleming finden Sie auf der Seite des BBC: www.bbc.co.uk
Mehr Infos unter: www.jackyfleming.co.uk

Zur Übersetzerin: Silke Pfeiffer, geboren 1986, studierte Literaturübersetzen in Düsseldorf.

Jacky Fleming
Das Problem mit den Frauen

Titel der Originalausgabe: The Trouble With Women
Aus dem Englischen von Silke Pfeiffer
128 Seiten, Pappband, mit Lesebändchen
Verlag Kiepenheuer & Witsch, erschienen 2017
ISBN: 978-3-462-05024- 0
12,00 Euro
www.kiwi-verlag.de

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Beitrag vom 15.02.2017

AVIVA-Redaktion