Hedwig Dohm - Feuilletons 1877-1903. Herausgegeben von Nikola Müller und Isabel Rohner - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur



AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 18.12.2016


Hedwig Dohm - Feuilletons 1877-1903. Herausgegeben von Nikola Müller und Isabel Rohner
Yvonne de Andrés

1873 forderte Hedwig Dohm das Stimmrecht für Frauen und setzte sich in ihrem umfangreichen Gesamtwerk Zeit ihres Lebens für die politische, soziale und ökonomische Gleichstellung von Männern und Frauen ein: Brillante Texte, die bis heute nichts von ihrer Frische und Aktualität verloren haben.




"Ich brauche niemanden zu fragen, was in der Frauenbewegung das Richtige ist. Ich weiß es. Der, dem der Dachziegel auf den Kopf fällt, weiß, dass das Dach schadhaft ist. Er braucht es nicht erst untersuchen zu lassen" schrieb Hedwig Dohm (1831 - 1919).

Die engagierte Frauenrechtlerin und eine der wichtigsten Schriftstellerin ihrer Zeit, Hedwig Dohm, war eine klare und scharfe Beobachterin der gesellschaftspolitischen Verhältnisse. Mit brillantem Witz und Ironie focht sie in Ihren Beiträgen und Aufsätzen in Zeitschriften und Zeitungen wie der Vossischen Zeitung oder Der Zukunft gegen Antifeministinnen. Auch 100 Jahre später macht deshalb die Lektüre ihrer pointierten und treffenden Texte großen Spaß.

Als eine der ersten feministischen Theoretikerinnen setzt sich Hedwig Dohm mit stereotypem Rollenverhalten auseinander. Sie führte geschlechtsspezifische Verhaltensweisen auf die kulturelle Prägung zurück, nicht auf biologische Faktoren. Diese Position war für ihre Zeit ein absolutes Novum und Radikal. "Es gibt ein sehr einfaches Mittel, die Nachteile, der gegenwärtigen Gesellschaft aus der Überzähligkeit der Frauen erwachsen, in Vorteile zu verwandeln. Das Mittel heißt: ökonomische Selbstständigkeit der Frau", so Dohm.

Der fünfte Band der Feuilletons 1877-1903 von Hedwig Dohm ist nach Auffassung der Herausgeberinnen das "Herzstück" der Werksausgabe: "Noch nie gesammelt veröffentlicht, zeigen sie sowohl Dohms politische und stilistische Kontinuität als auch ihren schwerpunktmäßige und strategische Entwicklung."

AVIVA-Tipp: "Es gibt keine Freiheit der Männer, wenn es nicht eine Freiheit der Frauen gibt. Wenn eine Frau ihren Willen nicht zur Geltung bringen darf, warum soll es der Mann dürfen? Hat jede Frau gesetzmäßig einen Tyrannen, so lässt mich die Tyrannei kalt, die Männer von Ihresgleichen erfahren. Einen Tyrannen für den andern." Eine wichtige Frauenrechtlerin und Autorin, die wieder mehr gelesen werden sollte.

Zur Autorin: Hedwig Dohm, wurde am 20. September 1831 - und nicht wie oft angenommen 1833 - in Berlin als Marianne Adelaide Hedwig Jülich geboren. Ihre Eltern waren Henriette Wilhelmine Jülich und der jüdische Tabakfabrikant Gustav Adolph Schlesinger. Ihre Eltern heirateten erst 1838 nach dem zehnten von insgesamt achtzehn Kindern, da der väterliche Großvater gegen die Heirat war. 1851 ließ Schlesinger, der sich schon 1817 evangelisch hatte taufen lassen, den Familiennamen zu Schleh umbenennen. Bereits mit 15 Jahren musste Hedwig Dohm die Schule verlassen und musste im familiären Haushalt helfen. 1849 konnte sie eine Ausbildung zur Lehrerin absolvieren. 1853 heiratete sie mit 22 Jahren Ernst Dohm, den Chefredakteur der satirischen Zeitschrift "Kladderadatsch". Sie bekam fünf Kinder. Hedwig Pringsheim war eine ihrer Töchter und Katia Mann ihre Enkelin.

Ihr Haushalt wurde schnell zum kulturellen Treffpunkt für Berliner KünstlerInnen und Intellektuelle. Seit 1872 trat sie publizistisch für die Gleichstellung der Frauen ein. Hedwig Dohm war und ist eine der brillantesten und pointiertesten Feministinnen. Sie erkannte, dass Dreh- und Angelpunkt jeglicher Emanzipation die ökonomische Selbstständigkeit der Frau ist. Damit stand sie im Gegensatz zur bürgerlichen Frauenbewegung ihrer Zeit, die sich in erster Linie als Bildungsbewegung verstand. Sie veröffentlicht Artikel und Beiträge in Zeitschriften, gesellschaftspolitische Schriften, Prosatexte und Bühnenwerke. Zu ihren wichtigsten Publikationen gehören unter anderem: "Was die Pastoren von den Frauen denken" (1872), "Der Jesuitismus im Hausstande. Ein Beitrag zur Frauenfrage" (1873), "Die wissenschaftliche Emancipation der Frauen" (1874), "Der Frauen Natur und Recht. Zur Frauenfrage. Zwei Abhandlungen über Eigenschaften und Stimmrecht der Frauen" (1876), "Die Antifeministen. Ein Buch der Verteidigung" (1902), "Die Mütter. Ein Beitrag zur Erziehungsfrage" (1903). Am 1. Juni 1919 starb Hedwig Dohm in Berlin. Sie ist auf dem Matthäus-Friedhof in Schöneberg begraben. Der Journalistinnenbund hat am 22. September 2007 dort eine Gedenkstätte mit neuem Grabstein errichtet. Am selben Tag wurde die Hedwig-Dohm-Straße eingeweiht am Bahnhof Südkreuz, Berlin (Ecke Hildegard-Knef-Platz).
Seit 2005 informiert eine eigene Website über Hedwig Dohms Biographie und Werk: www.hedwigdohm.de

Hedwig Dohm
Feuilletons 1877-1903

Edition Hedwig Dohm, Band 5
Nikola Müller (Hrsg.), Isabel Rohner (Hrsg.), Hedwig Dohm (Autorin)
trafo Verlag, erschienen 2016
Kartonierter Einband, 298 Seiten
24,80 Euro [D]
ISBN: 978-3-89626-137-4
www.trafoberlin.de

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Ganz im Zeichen von Hedwig Dohm
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Beitrag vom 18.12.2016

Yvonne de Andrés