AVIVA-Berlin >
Literatur
AVIVA-BERLIN.de im November 2024 -
Beitrag vom 19.09.2016
Gloria Steinem - My Life on the Road
Yvonne de Andrés
Die Ikone des amerikanischen Feminismus ist Mutmacherin und Rebellin. Sie ist aber auch himmlische Barkeeperin und reisende Feministin. Ihr Kick ist es, "on the Road" zu sein und Fragen zu stellen. Die Biographie ist eine Rückschau auf ein bewegtes Leben.
Gloria Steinem in "My Life on the Road": "Für eine Frau ist vielleicht nichts so revolutionär, wie selbstbestimmt auf Reisen zu gehen – und bei ihrer Rückkehr mit offenen Armen empfangen zu werden." In ihrer Kindheit ist Gloria Steinem mit ihren Eltern kreuz und quer durch die USA gereist. Dank ihrer sehr guten schulischen Leistungen erhielt sie die Möglichkeit, am Smith College, einem der berühmtesten Frauencolleges in den USA, zu studieren. Im Anschluss begann sie als Journalistin zu arbeiten. Ihr erster Job war ein dreiwöchiges von ihr selbstgewähltes Undercover-Experiment als Bunny bei Playboy in New York. So wollte sie ihr Geld nicht verdienen. "Unterm Strich muss ich sagen, dass ich ohne die Möglichkeit, draußen in der Welt unterwegs zu sein, niemals den Willen oder die Mittel aufgebracht hätte, mich in dieser Form für meine Anliegen einzusetzen."
Danach war sie als freie Journalistin für diverse Zeitungen wie New York Times oder Esquire tätig und machte sich mit Reportagen und Portraits einen Namen.Neben dem Schreiben begann Gloria Steinem früh mit Florynce Kennedy, Margaret Sloan und anderen Frauenrechtlerinnen als Rednerin durchs Land zu reisen und an Colleges über Feminismus zu sprechen."Anfangs unternahm ich als Journalistin meine Recherchetouren, später war ich als Wahlkämpferin und politische Aktivistin unterwegs, als ruhelose Wanderarbeiterin in Sachen Feminismus."
Oft war Gloria Steinem zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Nicht alle Dinge sind ihr aber gleich selber aufgefallen so ein Ereignis während des Marschs auf Washington für Arbeit und Freiheit, an dessen Ende im Jahr 1963 Martin Luther King Jr. am Lincoln Memorial seine berühmte Rede "I have a Dream" hielt. Erst als Mrs. Green, eine ehemalige Verwaltungsangestellte aus der Truman Administration, sie darauf aufmerksam machte, wurde ihr bewusst, dass, obwohl auch eine Frau auf dem Podium saß, nur Männer das Wort ergriffen. Im gleichen Jahr, 1963, arbeitete sie an einer Reportage über die Inneneinrichtung im Weißen Haus beim Redenschreiber von John F. Kennedy, Ted Sorensen. Er verfasste gerade die Rede Kennedys für dessen Auftritt in Dallas und so konnte sie die Stimmung genau mitbekommen. Steinem begleitete Streiks in Kalifornien als Journalistin und Aktivistin. Manchmal verschwimmen beim Erzählen dabei ihre Grenzen zwischen den Rollen als Journalistin und Aktivistin.
Sie war eine der Mitbegründerinnen der National Women´s Political Caucus (NWPC), die 1971 aus verschiedenen Frauengruppen entstand. Die Gründung war eine Reaktion auf die konservative Politik Präsident Nixons. Eine der wichtigen Aufgaben dieser Organisation war die Präsentation von Namenslisten qualifizierter Frauen für öffentliche Ämter. Als Reaktion auf Sexismus, Rassismus, Benachteiligung am Arbeitsplatz und mehr, gründete sie 1971 gemeinsam mit verschiedenen Frauenorganisationen und Aktivistinnen, darunter Brenda Feigen Fasteau und Catherine Samuels, die Women´s Action Alliance (WAA). 1972 launchte sie mit Dorothy Pitman Hughes, Loretta "Letty" Cottin Pogrebin und anderen das feministische Magazin "Ms." für das sie bis zu dessen Verkauf an Fairfax Media im Jahr 1978 schrieb.
Eines der wichtigsten und prägendsten Ereignisse in ihrem Leben war die dreitägige "National Conference of Women" in Houston im Jahr 1977. Steinem schreibt dazu: "Mit dem Gefühl, im Anschluss an diese Konferenz ein anderer Mensch geworden zu sein, stehe ich nicht alleine da. [...] und weil die Delegierten aus allen Bundesstaaten stammten, war die Konferenz in Bezug auf Herkunft, Hautfarbe und sozialer Stellung in diesem Moment wahrscheinlich das repräsentativste Organ der USA."
Gloria Steinem berichtet in ihrem Buch auch ausführlich über eine Fehde mit Betty Friedan, die sowohl publizistisch als auch politisch vor allem von zwei Themen handelte: der Gleichstellung der Frau im Berufsleben und der Öffnung der Frauenbewegung für alle Frauen und somit auch für Lesben. Ein wichtiges Ergebnis auf der Konferenz in Houston war: "Endlich war eine Mehrheit sich einig geworden, dass Feminismus für alle Frauen da war und dass lesbenfeindliche Tendenzen sich nicht gegen bestimmte wenige sondern gegen alle Frauen richteten." Spannend sind auch ihre Eindrücke als Wahlkampf-Aktivistin unter anderem für Hillary Clinton (2008).
Zur Autorin: Gloria Steinem wurde1934 in Toledo (Ohio) in den USA geboren. Die Autorin führt ihren Feminismus auf ihre Mutter, Ruth Nuneviller, zurück, die eine Vorkämpferin für Frauenthemen war und zeitweilig auch als Journalistin arbeitete. Ihr Vater, Leo Steinem, arbeitete als fahrender Antiquitätenhändler. Seine Familie hatte einen deutsch-jüdischen und einen polnisch-jüdischen Zweig. "Als Kind war ich sehr auf Anpassung bedacht [...] Und hätte ich es als Erwachsene gewagt, mich gegen die Regeln aufzulehnen, wenn mein Vater alle Regeln befolgt hätte?" Gloria Steinem ist immer noch reisend unterwegs. Ihre wichtigsten Bücher sind: "Was heißt schon emanzipiert. Meine Suche nach einem neuen Feminismus"(1995), (orig. "Revolution from within", 1992), "Unerhört. Reportagen aus ‚Ms.´" (1984), (orig. "Outrageous Acts and Everyday Rebellions", 1983).
Auszeichnungen:
The Ridenhour Courage Prize (2006), Humanist of the Year der American Humanist Association (2012), Presidential Medal of Freedom (2013)
AVIVA-Tipp: Seit über fünf Jahrzehnten ist Gloria Steinem ein Vorbild für Frauen in den USA. Bereits in den 1960ern hat sie über den Druck geschrieben, unter dem Frauen standen, sich zwischen Karriere oder Ehe entscheiden zu müssen. Das von ihr gegründete Magazin "Ms" genießt auch noch heute einen legendären Ruf. Viele innenpolitische Entwicklungen der USA, insbesondere aus verschiedenen feministischen Frauenorganisationen und der Partei der Demokraten werden darin detailliert vorgestellt. Aus ihr ist eine himmlische Barkeeperin und eine reisende Feministin geworden, die sich bis heute für feministische Themen engagiert und in der feministischen Bewegung aktiv ist. Der Ton ihrer Essays und Reportagen kann sowohl ernst, aber auch heiter sein, mit einem Augenzwinkern versehen. Eine spannende Lektüre!
Gloria Steinem
My Life on the Road
Originaltitel: My Life on the Road
Übersetzt von: Eva Bonné
btb Verlag München, Paperback, Klappbroschur, 384 Seiten, 9 S/W Abbildungen
16,99 Euro [D], 17,50 Euro [A]
Random House Verlag, erschienen 11.07.2016
ISBN: 978-3-442-75703-9
www.randomhouse.de
Mehr Infos unter:
www.gloriasteinem.com
www.msmagazine.com
Women´s Action Alliance: socialarchive.iath.virginia.edu
National Women´s Political Caucus: www.nwpc.org
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Antje Schrupp - Vote for Victoria! Das wilde Leben von Amerikas erster Präsidentschaftskandidatin Victoria Woodhull (1838 - 1927)
Sie war Wunderheilerin, Prostituierte, Wall-Street-Brokerin, Zeitungsmacherin und Politikerin. Das Leben der Victoria Woodhull war facetten- und abwechslungsreich. Die Autorin portraitiert in ihrer neu erschienenen Biographie die Person Victoria und ihre politische Ideologie. (2016)
Lena Dunham - Not That Kind of Girl - Was ich im Leben so gelernt habe
Lena Dunham ist aus der Kult-Serie "Girls" bekannt und geliebt. In ihren Essays blickt sie jetzt humorvoll, kritisch und immer sehr persönlich auf Leben, Lieben, Kunst und Frau-Sein...(2014)
90. Geburtstag und fünfter Todestag der Frauenrechtlerin Betty Friedan am 04. Februar 2011
Ein Portrait der jüdisch-amerikanischen Autorin, bedeutenden Vertreterin der amerikanischen Frauenbewegung und Gründerin der "National Organization for Women" auf FemBio und AVIVA-Berlin.
Bella Savitzky Abzug - Die New Yorkerin, Feministin, Antikriegs-Aktivistin, Politikerin und Rechtsanwältin wäre am 24. Juli 2010 neunzig Jahre alt geworden
Ein Portrait auf FemBio und AVIVA. "Jeder, der meint, er brauchte mich nicht ernst zu nehmen, sollte sich in Acht nehmen", warnte die "Very Serious Woman" einst ihre GegnerInnen. Sie starb im Alter von 77 Jahren, doch ihre Arbeit für Frauen und die Schwächeren der Gesellschaft wirkt fort.
Gelebte Geschichte - Die Autobiographie von Hillary Rodham Clinton
Wie war das mit Monica und der Zigarre? Wer sich Antworten auf diese Frage erhofft, sollte Hillary Clintons Erinnerungen nicht lesen. Statt intimer Details bietet sie Weltgeschichte aus erster Hand. (2003)