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Beitrag vom 25.08.2015
Rebecca Solnit - Wenn Männer mir die Welt erklären
Maria-Elisa Schrade
Nach der einflussreichen feministischen Kritik des berühmten Essays "Men Explain Things To Me" liefert die preisgekrönte Schriftstellerin im neuen Sammelband sechs weitere provokative Kommentare,...
... erschienen im August 2015 bei Hoffmann und Campe.
Rebecca Solnit ist so vielseitig wie ihr umfassendes Werk. Die gelernte Journalistin und Kulturhistorikerin engagiert sich seit den 1980er Jahren als Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin, was sich auch in ihren unzähligen Essays und Büchern widerspiegelt, deren Themen von "Geografie" und "Gemeinschaft", über "Kunst" und "Politik", bis hin zu "Hoffnung" und "Feminismus" reichen.
Mit messerscharfem Verstand und zynischem Humor verwebt Rebecca Solnit gekonnt Elemente aus der eigenen Biografie mit einer intensiv recherchierten Fülle statistisch erhobener Daten, indem sie philosophische und kulturhistorische Brücken zwischen ihnen schlägt: Vom Individuum zur Gesellschaft, von der vermeintlichen Anomalie zum übergeordneten Muster.
Wenn Männer mir die Welt erklären
Der Essay, nach dem der aktuelle Sammelband benannt ist, erschien erstmals im Jahr 2008 in englischer Sprache auf der politischen Website "TomDispatch" des US-amerikanischen Medienkritikers Tom Engelhardt mit dem Originaltitel "Men Explain Things To Me". In diesem Text schreibt sich Solnit anhand des Beispiels einer peinlichen Episode mit einem älteren Herrn ihren Frust über männliche Arroganz von der Seele, die ihrer Meinung nach in der Angewohnheit zum Ausdruck komme, mit Frauen wie mit kleinen Kindern zu sprechen und ihnen Dinge zu erklären, als seien sie geistig etwas zurückgeblieben.
Dieses persönliche Erlebnis der Verweigerung eines Dialogs auf Augenhöhe führt Rebecca Solnit zu den verschiedenen Formen männlicher Gewalt gegen Frauen und somit auch zu Vergewaltigung und Mord, denn für sie gibt es ein Kontinuum, "[...] das von geringfügigeren gesellschaftlichen Missständen bis zum gewaltsamen Zum-Schweigen-Bringen und zu gewaltsamen Tod reicht [...]." Aus diesem Grund fordert die Schriftstellerin, den Missbrauch von Macht ganzheitlich zu betrachten, um den zugrundeliegenden Zusammenhang von Frauenfeindlichkeit und Gewalt offenzulegen. Denn die von Solnit beschriebene Problematik in "Wenn Männer mir die Welt erklären" verdeutlicht ihrer Meinung nach "[...] eine Methode, im höflichen Diskurs Macht auszuüben – die gleiche Macht, mit der auch im unhöflichen Diskurs und durch Akte körperlicher Einschüchterung und Gewalt Frauen zum Schweigen gebracht, ausgelöscht, vernichtet werden – als Gleichwertige, als Partizipierende, als Menschen mit Rechten und viel zu oft schlicht als Lebende."
"Der Feminismus [...] will die gesamte Menschenwelt verändern"
Diese Erkenntnis zieht sich als roter Faden durch das gesamte Buch, dessen Essays von Themen wie "Gewalt gegen Frauen", "globale Ungleichheit", "Ehe als gesellschaftliche Institution", "patrilineare Abstammungsfolgen" und "Virginia Woolf und ihrer Bejahung einer Sprache der Nuancierung, Ambiguität und Spekulation" handeln. Dabei wird deutlich, dass überall wo Macht im Spiel ist, auch der Feminismus nicht weggedacht werden kann:
"Die Emanzipation der Frau wurde oft als Bewegung dargestellt, die darauf abzielt, die Macht und Privilegien von Männern zu beschneiden oder sie ihnen ganz wegzunehmen, als handelte es sich um ein armseliges Nullsummenspiel, bei dem immer nur ein Geschlecht frei und mächtig sein kann. Aber wir sind entweder gemeinsam frei oder gemeinsam unfrei."
Dieses Buch endet daher auch mit der Frage "Was wollen die Männer?", denn Rebecca Solnit ist davon überzeugt, dass die Zukunft des Feminismus eine intensivere Analyse historischer Männer mit sich bringen wird. Sie beobachtet, wie auch immer mehr heterosexuelle Männer erkennen, dass auch sie von einer Aufbrechung stereotyper Geschlechterrollen und der damit einhergehenden heteronormativen Gesellschaftsordnung profitieren können.
AVIVA-Tipp: "Wenn Männer mir die Welt erklären" liefert zwar nicht völlig neue Kenntnisse, bietet jedoch durch Solnits Perspektiven und Kontextualisierungen neue, spannende Zugänge und Denkanstöße.
Zur Autorin: Rebecca Solnit, geboren 1961 in San Francisco, studierte in Paris, San Francisco und Berkeley, wo sie 1984 an der University of California einen Master in Journalismus abschloss. Seit 1988 arbeitet Solnit als freie Autorin. Sie ist Kolumnistin der britischen Tageszeitung "The Guardian" und mitwirkende Herausgeberin des amerikanischen Magazins "Harper´s", für das sie als erste Frau regelmäßig für die Kolumne "Easy Chair" schreibt. Zuletzt erschien bei Hoffmann und Campe Aus der nahen Ferne.
Rebecca Solnit erhielt zahlreiche Auszeichnungen, Stipendien und Preise. Sie lebt in San Francisco, Kalifornien.
Mehr Infos unter: rebeccasolnit.net und www.theguardian.com
Rebecca Solnit
Wenn Männer mir die Welt erklären
Originaltitel: Men Explain Things To Me
Aus dem amerikanischen Englisch von Kathrin Razum und Bettina Münch
Mit Bildern der Künstlerin Ana Teresa Fernandez
Hoffmann und Campe, erschienen im August 2015
Gebunden, 176 Seiten
ISBN: 978-3-455-50352-4
16,00 Euro
www.hoffmann-und-campe.de
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