Elisabeth Sandmann - Der gestohlene Klimt. Wie sich Maria Altmann die Goldene Adele zurückholte - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 22.08.2015


Elisabeth Sandmann - Der gestohlene Klimt. Wie sich Maria Altmann die Goldene Adele zurückholte
Sharon Adler, Isabelle Daniel

Das Leben der Maria Altmann und ihre Beziehung zu dem von den Nazis geraubten Klimt-Gemälde "Goldene Adele" dokumentierte die Verlegerin Elisabeth Sandmann in akribischer Recherchearbeit.




Mitten im Ersten Weltkrieg, am 18. Februar 1916, wird Maria Altmann in Wien in eine wohlhabende, liberale jüdische Familie hineingeboren. Ihre früh und unerwartet verstorbene Tante, Adele Bloch-Bauer, ist eine unkonventionelle und gebildete Frau.
Sie geht bei dem Maler Gustav Klimt ein und aus, der 1907 ihr Porträt, das berühmte Bildnis "Adele Bloch-Bauer I", besser bekannt als "Goldene Adele" fertigstellt.

1938, mit dem Einmarsch der Nazis, wird der gesamte Familienbesitz von den Nazis aus der Wiener Wohnung der Bloch-Bauers geraubt und den Bloch-Bauers bleibt von der einstmals großen Kunstsammlung buchstäblich nichts. Als sich die Erb_innen nach 1945 um eine Rückgabe bemühen, sehen sie sich konfrontiert mit Lügen und Intrigen, die sie in ihrem vollem Ausmaß erst 50 Jahre später erkennen. Jetzt beschließt Maria Altmann im Alter von fast 84 Jahren, mit Hilfe des Sohnes ihrer Freundin Barbara, dem jungen und noch nicht sehr erfahrenen Rechtsanwalt Randol Schoenberg, den Staat Österreich von den USA aus zu verklagen, um die gestohlenen fünf Klimt-Gemälde zurückzubekommen. Es ist die berührende Geschichte einer mutigen Frau, die sich nicht beirren lässt und am Ende in einem fast aussichtslosen Kampf durch einen gigantischen transatlantischen, fünf Jahre andauerndem Rechtsstreit gewinnt und endlich Gerechtigkeit erfährt.

Maria Altmann starb 2011 im Alter von 94 Jahren in Los Angeles. Die "Goldene Adele" hängt heute zusammen mit Werken von Schiele und Kokoschka in der Neuen Galerie in New York. Maria Altmann hat das Gemälde aus Familienbesitz an den Sammler und Mäzen Ronald S. Lauder verkauft, der sie und ihren Neffen während des Prozesses stets unterstützt hat. Es war ihr ein großes Anliegen, das Bild wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Von dem Verkauf aus dem Erlös des teuersten Gemäldes der Welt wollte Maria Altmann ihrem Enkel den Besuch einer Hochschule ermöglichen und ihr altes Auto, einen 92er-Ford, durch ein jüngeres Modell ersetzen, denn so sagte sie: "Der ist ein bisschen peinlich. Ich werde sonst nichts ändern, nicht das Haus, nichts."

Zur Autorin: Elisabeth Sandmann, Verlegerin des gleichnamigen Verlags, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Restitution. Sie hat nach ihrer Lehre zur Verlagsbuchhändlerin Kunstgeschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft in Bonn und Oxford studiert und über George Bernard Shaw promoviert.

Ebenfalls im Elisabeth Sandmann erschienen ist Melissa Müller und Monika Tatzkow – "Verlorene Bilder, verlorene Leben" über "Jüdische Sammler und was aus ihren Kunstwerken wurde".

AVIVA-Tipp: Elisabeth Sandmann schildert in ihrem Buch "Der gestohlene Klimt. Wie sich Maria Altmann die Goldene Adele zurückholte" kenntnisreich die Geschichte des berühmten Klimt-Gemäldes "Adele Bloch-Bauer I" und seiner rechtmäßigen Erbin, Maria Altmann. Ein wichtiges Buch.

Elisabeth Sandmann
Der gestohlene Klimt – Wie sich Maria Altmann die Goldene Adele zurückholte

Elisabeth Sandmann Verlag, erschienen 5. Juni 2015
Gebunden mit geprägtem Schutzumschlag
13,5 x 21 cm, 104 Seiten, zahlr. Abb. in SW und Farbe
16,95 € [D] / 17,45 € [A] / 24,50 sFr
ISBN: 978-3-938045-98-5
www.elisabeth-sandmann.de

Der Film "Die Frau in Gold"

Das Leben der Maria Altmann und ihre Beziehung zu dem von den Nazis geraubten Klimt-Gemälde "Goldene Adele" inspirierte Regisseur Simon Curtis zu einem fesselnden Bio-Pic. Helen Mirren verkörpert die aus Österreich in die USA geflüchtete faszinierende Protagonistin.

Um eines gleich vorwegzunehmen: "Die Frau in Gold" muss frau/man gesehen haben. Und zwar nicht nur wegen der hervorragenden Schauspieler_innen und der ausgezeichneten Regie von Simon Curtis ("My Week with Marilyn"). Anerkennung verdient vor allem das Drehbuch, das aus der Feder des mehrfach für seine Theaterstücke ausgezeichneten Autors Alexi Kaye Campbell stammt. "Die Frau in Gold" ist sein Spielfilmdebüt.

Für das amerikanische Kino regelrecht erfrischend ist die Konzentration auf das Thema des Films. Anders als bei so vielen Historiendramen, bildet die Geschichte der Maria Altmann, ihre Restitutionsklage und die damit eng verwobene Geschichte des berühmten Klimt-Gemäldes "Goldene Adele" nicht nur das Setting für den Film. Vielmehr hat der Drehbuchautor sehr nah am historischen Stoff eine dichte Handlung entwickelt. Campbell verschwendet keine Minute des Films, um von seinem Leitmotiv abzulenken. Der relativ radikale Einstieg, die Unmittelbarkeit des Handlungsstrangs, die differenzierten Hauptfiguren und ein treffliches Porträt des heutigen Österreichs, 70 Jahre nach ende des 2. Weltkriegs, verleihen dem Film einen Anspruch, der in diesem Genre seinesgleichen sucht.

Verdrängt zugunsten des österreichischen Opfermythos

Jahrzehntelang hing Klimts "Goldene Adele" in der Österreichischen Galerie des Schlosses Belvedere in Wien. Galerist_innen maßen dem Bildnis den Status eines Nationalheiligtums bei – sogar von der "österreichischen Mona Lisa" war die Rede. Ein zutiefst trügerischer, ja anmaßender Name für ein Bild, das einst einen anderen – aussagekräftigeren – Namen trug.
Denn ganz anders als bei der "Mona Lisa" handelte es sich bei der Frau auf dem berühmten Klimt-Gemälde nicht um eine mysteriöse Unbekannte. Die Österreicher_innen hatten sie lediglich aus ihrem kollektiven Gedächtnis verbannt, die Biographie des Bildes zugunsten des österreichischen Opfermythos verdrängt.

Verschleierung der "jüdischen Herkunft" des Bildes

Das Gemälde zeigt Adele Bloch-Bauer, die Tante der von Helen Mirren verkörperten Protagonistin Maria Altmann. Adele und Maria entstammen derselben wohlhabenden jüdischen Wiener Familie, die zum Freundeskreis vieler Secessionskünstler gehört. Adele Bloch-Bauer geht bei Gustav Klimt ein und aus. Zahlreiche Skizzen und Gemälde fertigt Klimt von ihr an, bis er das berühmte Bildnis der "Goldenen Adele" im Jahr 1907 fertigstellt. Ab 1938 wird der gesamte Familienbesitz von den Nazis geraubt. Selbst ihre Namen lassen die Nazis der geraubten Kunst nicht. Das berühmte Bildnis "Adele Bloch-Bauer I", das Adeles Vater bei Klimt in Auftrag gab, wird im nationalsozialistisch besetzten Österreich in "Goldene Adele" umbenannt – um die "jüdische Herkunft" des Bildes zu verschleiern.

Der 2. Weltkrieg hat bereits begonnen, als der frisch verheirateten Maria und ihrem Mann die Flucht in die USA gelingt. Ihre Eltern muss sie in Wien zurücklassen – die Schuldgefühle plagen sie bis ins hohe Alter.
Fast 60 Jahre nach Maria Altmanns Flucht aus dem nationalsozialistischen Wien, 1998, beschließt Österreich, aktiv Restitutionen zu unterstützen und verabschiedet das Kunstrückgabegesetz. Zwei Jahre später macht Maria eine erstaunliche Entdeckung: Im Erbe ihrer verstorbenen Schwester findet sie Unterlagen, die darauf hindeuten, dass sie, Maria Altmann, die rechtmäßige Besitzerin der "Goldenen Adele" und vier weiterer Klimt-Gemälde ist.
In Los Angeles beauftragt sie den jungen Rechtsanwalt Randol Schoenberg (Ryan Reynolds) – ein Enkel des Komponisten Arnold Schönberg, wie Maria Altmann ein Wiener Flüchtling – die Ansprüche anzufechten, die die österreichische Regierung auf die Klimt-Gemälde erhebt.

Suche nach Gerechtigkeit

Maria Altmann nimmt die Reise nach Wien, in das sie nach der grausamen Erfahrung der nationalsozialistischen Verfolgung und ihrer dramatischen Flucht nie wieder zurückkehren wollte, auf sich – aus der Überzeugung, dort so etwas wie späte Gerechtigkeit finden zu können. Für ihren Anwalt Randol Schoenberg ist zunächst der Millionenprofit, den er sich verspricht, der Ansporn, sich des Falls anzunehmen.
Von seiner Klientin lernt er, dass es in dem Prozess nicht um finanzielle Entschädigung geht. Marias Ziel ist ein Schuldeingeständnis der österreichischen Regierung.
Doch Maria und Randol werden zunächst enttäuscht: Die Verzögerungstaktiken der österreichischen Institutionen und Museen setzen der von der nationalsozialistischen Verfolgung traumatisierten Maria ebenso zu wie ihrem Anwalt, der zunehmend hin- und hergerissen ist zwischen dem Wunsch, seiner Klientin zu Gerechtigkeit zu verhelfen und der Verantwortung gegenüber seiner jungen Familie. Auch diese Konflikte sind es, die dem Film seine verdiente Authentizität verleihen, denn sie ermöglichen es den Schauspieler_innen, in überzeugende Charakterrollen zu schlüpfen. Die prominente Besetzungsliste hält, was sie verspricht. Helen Mirren spielt die starke Maria Altmann mit einer Brillanz, die sie auch schon in ihrer Rolle als "The Queen" zeigte.

Protagonistin mit Charakter

Ihre Maria Altmann ist eine Frau mit Ecken und Kanten und damit alles andere als eine typische Hollywood-Heldin. Altmann ist manchmal zickig und anstrengend, sie geht ihrem Anwalt auf die Nerven. Stellenweise überfordert sie ihn allzu sehr. Doch Maria Altmann ist auch eine kluge und intelligente Frau, die die Souveränität, die sie ausstrahlt, auf harte Weise erlernen musste. Subtil durchleuchtet der Film, wie es ihr in Los Angeles gelang, sich eine neue Welt voller Harmonie und sanfter Farben einzurichten: in ihrem gemütlichen Zuhause, aber auch in ihrer kleinen Boutique in L.A.
Diese Orte dienen Maria als Erinnerung an ihre behütete Kindheit in Wien, bevor diese von den Nazis zerstört wurde und bilden zugleich einen radikalen Kontrast zu der Verfolgung ihrer Familie durch die Nazis, die im Film parallel erzählt wird.

Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte

Auch Ryan Reynolds spielt die Rolle des Randol Schoenberg mit viel Sensibilität. Ihm widerfährt keine Hollywood-typische Läuterung, seine Geschichtsignoranz legt er nicht in einem plötzlichen Erwachen in Erkenntnis ab. Stattdessen begleitet ihn der Film bei seiner Auseinandersetzung mit Maria Altmanns Vergangenheit – und schließlich auch seiner eigenen Familiengeschichte, bis zu jenem Schlüsselmoment in einer Wiener Toilette, in dem Ryan Reynolds seiner Figur die Größe eines fast gleichberechtigten zweiten Protagonisten einhaucht.

Es brauchte zwei so starke Figuren, um den Kampf um Gerechtigkeit, den Maria Altmann im Jahr 2000 aufgenommen und sechs Jahre später schließlich gewonnen hat. Nach jahrelangem Rechtsstreit, Intrigen seitens der österreichischen Behörden und Momenten, in denen Klientin und Anwalt fast den Glauben verloren, erhält Maria Altmann schließlich fünf Klimt-Gemälde zurück – darunter auch das damals teuerste Bild der Welt, die "Goldene Adele". Es ist eine würdevolle Maria Altmann, die dem Film seinen Sinn verleiht: "Ich habe immer gehofft, dass die Gerechtigkeit ihren Lauf nimmt. Und genau das ist geschehen."


Die Frau in Gold
Woman in Gold
USA 2015
Regie: Simon Curtis
Buch: Alexi Kaye Campbell
DarstellerInnen: Helen Mirren, Ryan Reynolds, Daniel Brühl, Katie Holmes, Tatiana Maslany, Max Irons, Charles Dance u.a.
Verleih: SquareOne Entertainment
Lauflänge: 98 Minuten
Kinostart: 4. Juni 2015
Mehr zum Film unter: www.diefrauingold.de und auf Facebook: www.facebook.com/DIEFRAUINGOLD.Film

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Deutsches Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg: www.kulturgutverluste.de

Die Stiftung ZURÜCKGEBEN. Stiftung zur Förderung jüdischer Frauen in Kunst und Wissenschaft gibt Menschen die Möglichkeit, Raubgut symbolisch zurückzugeben: www.stiftung-zurueckgeben.de



Quelle Text zum Buch: Elisabeth Sandmann Verlag


Literatur

Beitrag vom 22.08.2015

AVIVA-Redaktion