AVIVA-Berlin >
Literatur
AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 -
Beitrag vom 11.03.2015
Luc Jochimsen - Die Verteidigung der Träume
Philippa Schindler
Die Fernsehjournalistin und ehemalige Abgeordnete der Linkspartei blickt auf ein bewegtes Leben zurück. In ihrer Autobiographie erzählt die 78-Jährige von großen Träumen und kleinen Niederlagen.
"Träume zählen", hatte ihr Vater immer gesagt – damals, als Luc Jochimsen noch ein Kind war und mit ihren Eltern flieht. Vor dem Krieg, den Drohungen der Nazis gegenüber dem Vater, dem Nicht-Parteimitglied, und dessen Sorge, doch noch ins Militär eingezogen zu werden. In diesen Jahren erfährt das Mädchen nicht nur die Bedeutung des ungarischen Wortes mutzikam, mein Liebling, von dessen Zärtlichkeit sie noch Jahre zehren wird. Sie lernt auch, was es heißt, für die eigenen Träume einzustehen. Und sei es, wie damals, nur ein einsames, altes Pferd, das zwischen all den Kriegswirren allabendlich im Stall auf sie wartet – das Luc Jochimsen hegt und pflegt und mit dem sie sich an weit entfernte Orte fantasiert. Träume zählen.
Kriegsschauplätze
Budapest, Wien, Düsseldorf, Erlangen, Frankfurt am Main, quer durch Europa verschlägt es Luc Jochimsen auf der Flucht mit ihren Eltern. Damals – es muss wohl 1939 gewesen sein, die kleine Luc ist gerade drei Jahre alt – lernt sie ein neues Wort: Krieg. Es ist Krieg. Wie nah ihr der noch kommen wird, erfährt sie nur wenig später, als sie beim Spielen im Garten von Bombensplittern getroffen wird und nur mit Glück überlegt.
Zeit ihres Lebens wird sich Luc Jochimsen für den Frieden einsetzen, als kulturpolitische Sprecherin der Linkspartei, als Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin und schließlich auch im September 2009, als sie bei der Einweihung des Ehrenmals der Bundeswehr einen Schal mit der Aufschrift trägt: "Jetzt erst recht. Raus aus diesem Krieg." Luc Jochimsen wird zu einer der schärfsten KritikerInnen des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan.
Eine Politikerin, so streitbar wie mutig
Geliebt wurde sie für ihren politischen Kampfgeist nicht immer. 2010 – der Wahlkampf um das Amt der Bundespräsidentin ist gerade in vollem Gang - beurteilt Luc Jochimsen im Interview mit dem Hamburger Abendblatt die DDR als Staat, "der unverzeihliches Unrecht an seinen Bürgern begangen hat", "nach juristischer Definition" aber "kein Unrechtsstaat" sei. Ihre Aussage wirft eine, in den Medien hitzig geführte, Debatte auf und wird von vielen scharf kritisiert. Luc Jochimsen tritt als Präsidentschaftskandidatin im dritten Wahlgang zurück, von Beginn an war sie als "chancenlose Kandidatin" gehandelt worden. Auch weil sie eine Frau war? Vielleicht. In ihrer Autobiographie zieht sie selbst die kritische Bilanz: Bis zu ihrer Aussage gegenüber dem Hamburger Abendblatt und dem darauffolgenden Medienrummel, hatte die Presse unbeirrt vom "Zweikampf der Giganten" – Wulff gegen Gauck – berichtet: Es kämen eben, so die öffentlich-rechtlichen Sender gegenüber Jochimsen, "nur aussichtsreiche Kandidaten" ins Programm.
Abschied
2013 – mit 76 Jahren – zieht sich Luc Jochimsen endgültig aus der Politik und damit auch aus der Öffentlichkeit zurück. Eine Krankheit und die Sehnsucht nach mehr Ruhe im Leben bewegt sie zu dieser Entscheidung. Luc Jochimsen kann zurückblicken auf ein Leben als Frau und Mutter, die eine rasante Karriere gemacht hat. Als langjährige Fernsehjournalistin der ARD und des Norddeutschen Rundfunks, als Bundestagsabgeordnete der Linkspartei und als Autorin der 2004 veröffentlichten Herzl-Biographie "Dieses Jahr in Jerusalem". Die Ruhe nach der Verteidigung ihrer Träume sei ihr heute mehr als gegönnt.
AVIVA-Tipp: Luc Jochimsen hat das Träumen perfektioniert – und dabei stets die Bodenhaftung bewahrt. In ihrer Autobiographie schlägt die heute 78-Jährige die Kapitel ihres Lebens erneut auf und erzählt, wie es ihr gelang, an Idealen und großen Zielen festzuhalten.
Zur Autorin: Luc Jochimsen, geboren 1936 in Nürnberg, 1975 bis 1993 Moderatorin, später London-Korrespondentin der ARD. 1994 bis 2001 Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks. 2005 bis 2013 MdB. 2010 Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten. 1971 erhielt sie den Adolf-Grimme-Preis, 2001 den Hessischen Verdienstorden. Im Aufbau Verlag erschien 2004 ihr Buch "Dieses Jahr in Jerusalem. Theodor Herzl – Traum und Wirklichkeit".
(Quelle: Aufbau Verlag)
Website der Autorin:
www.luc-jochimsen.de
Luc Jochimsen
Die Verteidigung der Träume
Aufbau Verlag, erschienen im September 2014
Gebunden mit Schutzumschlag, 400 Seiten
ISBN: 978-3-351-03281-4
22,95 Euro
www.aufbau-verlag.de
Diesen Titel können Sie online bestellen bei FEMBooks
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Luc Jochimsen - Dieses Jahr in Jerusalem. Theodor Herzl
Wibke Bruhns - Nachrichtenzeit. Meine unfertigen Erinnerungen