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Beitrag vom 05.03.2015
Gila Lustiger - Die Schuld der anderen
Sharon Adler
Die in Paris lebende Schriftstellerin legt nach ihren Romanen "So sind wir" und zuletzt "Woran denkst Du jetzt" nun einen spannenden kriminalistischen Gesellschaftsroman vor. Korruption, Gewalt...
... und Vertuschung in den gesellschaftlichen Verhältnissen ihrer Wahlheimat Frankreich sind die großen Themen, zu denen ihr Protagonist im inneren Dialog reflektiert.
Immer tiefer wird dieser, ein Ausnahmejournalist, dem der Ruf vorauseilt, unbestechlich und äußerst hartnäckig zu sein, hineingezogen in eine verhängnisvolle Vernetzung von Politik und Wirtschaft, in die auch sein jüdischer großvater involviert war. Das einflussreiche und charismatische Familienoberhaupt scheint selbst nach seinem Tod noch allgegenwärtig zu sein...
Schwüler Hochsommer beherrscht ganz Frankreich, als dem renommierten Journalisten Marc Rappaport ein besonderer Fahndungserfolg auffällt: der fast 30 Jahre zurückliegende Mord an einer erst 19jährigen Prostituierten soll dank modernster DNA-Analyse endlich gelöst sein. Doch Rappaport, der sich dem investigativen Journalismus verschrieben hat, kommen Zweifel. Seine Nachforschungen rund um das ermordete Escort-Girl führen ihn bis tief in die französische Provinz zu einem global agierenden Konzern, dessen Arbeiter seit Jahrzehnten an Nierenkrebs erkranken.
Rappaport stößt auf ein Geflecht von Korruption und Vertuschung, das bis in die höchsten Kreise der französischen Gesellschaft reicht. Dass die alten Seilschaften nach wie vor aktiv sind, bekommt Rappaport am eigenen Leibe zu spüren.
Ausgangspunkt ist eine wahre Begebenheit, ein Skandal um einen Großkonzern und einen krebserregenden Stoff, der in der Tierfuttermittelindustrie weiterverarbeitet wird. Mit einer atmosphärischen Dichte, der sich die LeserInnen nicht entziehen können, schreibt Lustiger über die Verstrickungen der politischen Macht mit den wirtschaftlichen Interessen eines weltweit operierenden Unternehmens, und darüber, welche Opfer die Mächtigen eines Landes vor dem Hintergrund von Staatsverschuldung, Inflation und einer maroden Chemieindustrie für einen finanziellen Erfolg in Kauf zu nehmen bereit sind.
Vor dem Hintergrund der Wirtschaftspolitik des sozialistischen Staatschefs Francois Mitterand in den 80er Jahren entwirft Gila Lustiger in ihrem für sie charakteristischen schnörkellos-eleganten Ton ein differenziertes Bild der Grande Nation. Der Autorin gelingt mit "Die Schuld der anderen" ein atmosphärisch dichter und packender Roman über die französischen Verhältnisse, als Spiegel unserer Gegenwart.
Zur Autorin: Gila Lustiger wurde 1963 in Frankfurt am Main geboren. Sie studierte Germanistik und Komparatistik an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Seit 1987 lebt sie als freie Autorin in Paris. Ihr erster Roman "Die Bestandsaufnahme" erschien 1995, dann 1997 "Aus einer schönen Welt". Mit "So sind wir" (2005), einem Familienroman über die Geschichte der europäischen Juden, stand sie 2005 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis, zuletzt erschien ihr Roman "Woran denkst Du jetzt" (2011).
AVIVA-Tipp: Gila Lustiger gelingt es kongenial, das Thema Wirtschaftskriminalität am Beispiel eines ambitionierten und unbestechlichen Journalisten aufzuzeigen und hält uns durch das Vergrößerungsglas Gesellschaftsanalyse allen den Spiegel vor. Auch wenn es abgedroschen klingt: Ein Pageturner.
Gila Lustiger
Die Schuld der anderen
Berlin Verlag, erschienen 19.01.2015
496 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen
www.berlinverlag.de
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
"Herr Grinberg und Co", Gila Lustiger (2008), Berlin Verlag
"So sind wir", Gila Lustiger (2005), Berlin Verlag
"Aus einer Schönen Welt", Gila Lustiger (2006), Aufbau-Verlag
Quelle: Berlin Verlag