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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 12.09.2014


Johanna Holmström - Asphaltengel
Laura Fricke

Haram - Verboten, ist das einzige Wort das Leila von ihrer finnischen Mutter noch hört, seit diese zu einer orthodoxen Muslimin geworden ist. An ihrer Koranauslegung, die nicht einmal den Besitz...




... von Kinderfotos erlaubt, zerbricht die Familie langsam. Dies ändert sich auch nicht, als Leilas große Schwester Samira heimlich aus der elterlichen Wohnung auszieht und kurz darauf einen Unfall hat.

Abwechselnd erzählen die 14-jährige Leila aus der Ich- und ihre große Schwester Samira ihre Geschichte aus der Erzählperspektive. Dabei beschreibt Leila hauptsächlich die Gegenwart, die Zeit nach dem Unfall ihrer Schwester: Wie ihr Leben verläuft, seit ihr Vater, selbst Muslim, aus der Wohnung auszog, weil er mit der beinahe fanatischen Koranauslegung seiner Frau nicht zurechtkam. Wie Leila die Schule schwänzt, um ihre im Koma liegende Schwester im Krankenhaus zu besuchen. Welchen Schikanen sie in der Schule ausgesetzt ist,, wie ihre beste Freundin sie vor der Klasse verleugnet und welche Diskriminierungen sie in der Alltagswelt wegen ihrer arabischen Abstammung erlebt. Dabei ist Leila stets die starke Persönlichkeit, die sich trotz der aus den Fugen geratenen Welt nie zum Opfer machen lässt.

Samiras Kapitel erzählen, wie sie allein in einer vom Sozialamt bezahlten Wohnung unterkommt. Sie beschreiben ihre Angst, von der Familie oder der muslimischen Gemeinschaft gefunden zu werden.

"Manche klammerten sich fest und ihre Finger wurden von einem Fuß gebrochen, andere schwangen sich freiwillig übers Geländer. Sie sprangen, um zu fliehen. Man nannte sie Asphaltengel, aber es waren keine Engel, sondern nur gefallene Mädchen, die sich und ihre Sehnsucht zerbersten ließen. Sie waren schon tot, bevor sie auf dem Boden aufschlugen. Sie selbst würde niemals springen."

Vor allem aber beschreibt Samira ihre Rebellion gegen auferlegte Vorstellungen der Glaubensschwestern und -brüdern. Zusammen mit ihrer Freundin Jasmina geht sie in Clubs, schminkt sich und diskutiert über die Bedeutung der Frau und ihres Hymens in ihrer muslimischen Community.

Schließlich lernt Samira Pieter, einen Skinhead kennen und verliebt sich in ihn. Obwohl dieser eine ablehnende Haltung gegenüber dem Islam hat, tritt er Samira zuliebe zu ihrem Glauben über.

In die Dialoge und Beschreibungen sind Alltagswörter auf finnisch und arabisch eingeflochten. Sie unterstützen die Leserin dabei, sich in die unterschiedlichen Milieus von Schule, Gangs, muslimischem Zuhause und Parkour-Treff hineinzufinden. Erklärt werden die Begriffe in einem Glossar am Ende des Buches. Die Wendungen, die die Geschichte nimmt, sind überraschend, das Ende, für das sich Holmström entschieden hat, alles andere als vorhersehbar. Es vermeidet jegliche Klischees und verzichtet auf ein kitschiges Happy End.
AVIVA-Tipp: "Asphaltengel" verfügt über alles, was einen guter Roman ausmacht: In schnellem Tempo bringt er die Leserin zum Lachen, zum Weinen, er macht wütend und erzeugt Betroffenheit.

Zur Autorin: Johanna Holmström wurde 1981 in Sibbo, an der Südküste Finnland geboren. Sie gehört der schwedischsprachigen Minderheit Finnlands an. Seit einigen Jahren lebt Holmström als Journalistin mit ihren zwei Töchtern in Helsinki und studiert dort arabische Literaturwissenschaft. Für ihre Erzählungen erhielt sie unter anderem den Literaturpreis des Svenska Dagbladet. (Verlagsinformationen)

Weitere Infos zur Autorin: Johanna Holmströms Biografie bei Ullstein Buchverlage und auf Johanna Holmströms Blog

Johanna Holmström
Asphaltengel

Originaltitel: Asfaltsänglar
Aus dem Schwedischen von Wibke Kuhn
Ullstein Buchverlage GmbH Berlin, erschienen am 12. September 2014
Paperback, 400 Seiten
ISBN: 978-3-550-08057-9
14,99 Euro

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Beitrag vom 12.09.2014

AVIVA-Redaktion