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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 13.07.2014


Julius H. Schoeps - Der König von Midian. Paul Friedmann und sein Traum von einem Judenstaat auf der arabischen Halbinsel
Lisa Sophie Kämmer

Idealist oder Phantast? Spekulationen, Faszinationen und Gerüchte um ein Projekt, das Leben retten sollte. Visionen von der Errichtung eines nationalen jüdischen Zentrums hat es in einzelnen...




... Kreisen der Diaspora bereits seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert und damit lange vor Herzls "Judenstaat" gegeben.

In Anlehnung an diese frühen Ideen und ihre teils praktische Umsetzung in Form von Siedlungen in Eretz Israel begannen seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts neuerliche Judenstaatsprojekte zu florieren, deren Legitimation nicht mehr vorrangig religiösen Ursprungs war, sondern die sich als Antwort auf gegenwärtige Gewaltexzesse deuten lassen.

Als im Frühjahr 1881 nach dem tödlichen Attentat auf den russischen Zaren eine Welle antisemitischer Pogrome losbrach, entstanden in der Folge verschiedene jüdische Initiativen, um den bedrängten russischen Glaubensbrüdern und –schwestern beizustehen. Ziel sollte es dabei sein, den Betroffenen schnellstmöglich zur Emigration zu verhelfen, wobei die avisierten Aufnahmeländer von A wie Argentinien bis Z wie Zypern reichten.

Im Rahmen dieser einzelnen Hilfsaktionen unternahm der Berliner Philanthrop Paul Friedmann im Herbst 1891 eine aufsehenerregende Expedition, deren Verlauf und Rezeptionsgeschichte im vorliegenden Buch eindrücklich geschildert werden. Das Aufsehen seiner Zeitgenossen erregte Friedmann, indem er sich mit etwa 40 jüdischen Frauen, Männern und Kindern auf eine abenteuerliche Reise zum weitgehend verlassenen Küstenstreifen Midian auf der arabischen Halbinsel aufmachte, wo er die Familien fortan angesiedelt wissen wollte.

Diverse unpopuläre Maßnahmen, wie etwa sein Ansinnen, die russischen Flüchtlinge in preußisch-militärischer Manier zum Selbstschutz zu drillen, führten schließlich dazu, dass das Midian-Projekt abgebrochen werden musste. Von der jüdischen Öffentlichkeit als realitätsferner Phantast abgetan, zog sich Friedmann daraufhin gekränkt zurück. Sein Traum von einer lebensrettenden Heimführung des jüdischen Volks in das biblische Land war zerstoben.

Zum Autor: Prof. Dr. Julius H. Schoeps, geboren 1942 in Djursholm (Schweden) studierte Geschichts- und Politikwissenschaften in Erlangen und Berlin. Neben seiner Tätigkeit als Publizist ist er Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien in Potsdam sowie Vorstandsvorsitzender der Moses Mendelssohn Stiftung. Sein Forschungsschwerpunkt bildet die neuere deutsch-jüdische Geschichte.

AVIVA-Tipp: Dank zahlreicher historischer Abbildungen und eines umfangreichen Quellenanhangs, in dem sich zeitgenössische Korrespondenzen bezüglich des Friedmannschen-Projekts finden lassen, nimmt Julius H. Schoeps seine LeserInnen mit auf eine abenteuerliche Reise in den Orient. Menschen, Landschaften und Stimmungen der Beteiligten werden hierdurch in besonderer Weise retrospektiv erfahrbar. Die Bemühungen des heute völlig vergessenen Friedmann erhalten letztlich gerade wegen ihres Scheiterns eine ergreifende, weil menschliche Komponente.

Julius H. Schoeps
Der König von Midian. Paul Friedmann und sein Traum von einem Judenstaat auf der arabischen Halbinsel

Koehler & Amelang, erschienen am 19.02.2014
224 Seiten, illustriert mit historischen Fotografien und Reproduktionen von Holzstichen
ISBN 978-3-7338-0398-8
29,95 Euro
koehler-amelang.de

Weitere Infos unter:

Interview mit Julius H. Schoeps vom 26.04.2008 – Was bedeutet Zionismus heute? auf n-tv

Homepage des Moses Mendelssohn Zentrums, Universität Potsdam

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Juden in Berlin herausgegeben von Andreas Nachama, Julius H. Schoeps und Hermann Simon

Feindbild Judentum – Antisemitismus in Europa, herausgegeben von Lars Rensmann und Julius H. Schoeps


Literatur

Beitrag vom 13.07.2014

Lisa Sophie Kämmer