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Beitrag vom 17.12.2013
Katie Roiphe - Messy Lives. Für ein unaufgeräumtes Leben
Philippa Schindler
Die Kolumnistin und Journalistin gilt als eine der kontroversesten jungen Feministinnen der USA. In ihrem aktuell erschienenen Essayband kommentiert sie scharfsinnig und humorvoll die Welt, in der ...
... wir leben.
Mit der provokanten Behauptung, der Dritte-Welle-Feminismus führe erneut zur Entmündigung der Frau, verursachte Katie Roiphe Mitte der 1990er Jahre einen Aufschrei unter Frauenrechtlerinnen. Die damals 25-jährige Promotionsstudentin war frustriert von der Opferrolle, die Frauen im Kampf gegen sexuelle Gewalt zugeschrieben wurde. Roiphes Meinung nach setze der Protest ein patriarchales Geschlechterbild fort und zeuge noch dazu von einer zutiefst konservativen Sexualmoral, die einen dreckigen Witz schon zur verbalen Nötigung macht.
Seitdem eilt der Literaturwissenschaftlerin und Kolumnistin ein streitbarer Ruf voraus – während sie bei manch einer als enfant terrible der Frauenrechtsbewegung verschrien ist, wurde sie von manch anderer als "erste intellektuelle Stimme ihrer Generation" (Camille Paglia) gelobt. Mit ihrem aktuellen Buch "Messy Lives. Für ein unaufgeräumtes Leben" hat Katie Roiphe nun erneut ihre Stimme erhoben. In einer Sammlung aus Feuilletonartikeln, Texten und Aufsätzen schreibt sie eine Kulturkritik der bürgerliche Alltäglichkeit.
Klug und pointiert unterzieht Roiphe "die Welt da draußen" einem Close Reading und legt dabei all jene Ideen, Mythen und Annahmen offen, die sonst nur unter der Oberfläche wirksam werden. Entlang unterschiedlichster Themen nähert sich die Autorin so einem vielumfassenden Bild unserer Gegenwart – sei es, indem sie dem Sprachgebrauch des Begriffes "love child" nachgeht oder sich mit der Gesundheitshysterie der liberalen Mittelschicht New Yorks beschäftigt. Und gerade darin, in dieser ständigen auf Verbesserung ausgerichteten Kontrolle des Wohlbefindens, erkennt Katie Roiphe letztlich auch, was sie als Provinzialismus und geistige Enge ihrer Generation beschreibt.
So erzählt sie in ebenso spitzzüngigen wie lustigen Anekdoten von "Helikoptereltern" und ihren überbehüteten etepetete Kindern, von der "allseits geforderten 24-Stunden-Kinder-Vervollkommnung" und dem Missfallen, wenn frau aus dieser Leitkultur herauszufallen droht. Und das tut Katie Roiphe - als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern mit unterschiedlichen Vätern entspricht sie so ganz und gar nicht dem gesellschaftlichen Ideal der Kleinfamilie. Weshalb sich bei ihr vermutlich auch die Wäscheberge stapeln und ihre Kinder immer so schrecklich verschnupft aussehen, meinen die Bekannten.
Doch von derlei Stigmatisierungen lässt sich Katie Roiphe nicht aus der Ruhe bringen. Sie setzt dem Kontrollwahn des Status quo lieber den Wert der Unaufgeräumtheit entgegen und beschwört ihn als positive Qualität, ja, sogar als Lebensstil. Insofern ist "Messy Lives" neben aller Kritik auch als Plädoyer zu lesen, für mehr Lebendigkeit und mehr Zutrauen in die eigenen Kräfte. Roiphe selbst hat hart daran gearbeitet, diesen Anspruch in Bezug auf ihr eigenes Leben einzulösen. In der Einleitung zu ihrem aktuellen Buch schreibt sie: "Es hat gedauert, auf dieses Niveau der Unaufgeräumtheit zu kommen, aber am Ende habe ich es geschafft."
Die Kulturhistorikerin Camille Paglia, die Roiphe 1995 für ihre intellektuelle Leistung in der feministischen Auseinandersetzung lobte, hat ihre Meinung über die Autorin mittlerweile übrigens revidiert. Roiphe sei nunmehr dahin abgedriftet, persönliche Memoiren zu schreiben und von ihrem eigenen Leben zu erzählen. Wie viel das noch mit Feminismus zu tun hat – nun ja, das darf jede selbst entscheiden!
AVIVA-Tipp: Es ist die Nähe zum täglichen Durcheinander des Lebens, die dieses Buch so aufregend und unterhaltsam macht. In vielen Anekdoten erzählt Katie Roiphe vom Anspruch, Kontrolle über alle möglichen Welten zu haben – und schwört darauf, sich einfach mal zurückzulehnen und sich einen Drink zu gönnen. Cheers!
Die Autorin: Katie Roiphe, geboren 1968 in New York, studierte Literaturwissenschaft in Harvard und Princeton, lehrt heute Journalismus an der New York University. Beiträge von ihr erschienen u.a. in der New York Times, der Washington Post, Newsweek, Esquire und Vogue. Katie Roiphe hat zwei Kinder, die sie allein erzieht.
Katie Roiphe
Messy Lives. Für ein unaufgeräumtes Leben
Originaltitel: In Praise of Messy Lives
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Kirsten Riesselmann
Ullstein Verlag, erschienen: 25. Oktober 2013
Hardcover, 192 Seiten
ISBN/EAN: 978-3-550-08051-7
18,00 Euro
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