Jackie A. - Apple zum Frühstück - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur





 

Chanukka 5785




AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 07.11.2013


Jackie A. - Apple zum Frühstück
Lea Albring

Ein gelungenes Experiment: Die tip-Bloggerin lässt in ihrem Debüt zwei Welten aufeinanderprallen, wenn sie wilde Partynächte mit den anrührenden Erinnerungen ihrer Kindheit in der DDR kombiniert.




Zuallererst ist es ein Bericht über ihr Leben, von dem Jacqueline Asadolahzadeh, kurz Jackie A., in einem wilden Mix aus Blog- und Tagebucheinträgen schlaglichtartig in ihrem Erstling erzählt. Zwar ist das Buch stark autobiographisch geprägt, es reflektiert am Beispiel der Autorin aber auch die Lebensumstände einer ganzen Generation: "Mein Name ist Jackie A., ich lebe in Berlin und gehöre zu einer aussterbenden Spezies. Geboren und aufgewachsen bin ich in der analogen Zeit, erwachsen und zu Hause im digitalen Jetzt."

Das Buch changiert zwischen vielen Gegensätzen – analog vs. digital, Ost vs. West, Kindheit vs. Erwachsensein. Es bietet der Leserin unverstellte Einblicke in eine umtriebige Individualbiographie, die von Feiereskapaden genauso geprägt ist, wie von der Alles-und nichts-ist-möglich-Atmosphäre der wiedervereinten Hauptstadt: "Ich lebte mit meinem Freund Pfütze und ein paar Flöhen in einer Art Punk-WG ohne Bad in Kreuzberg. Wir schauten die meiste Zeit Musikvideos auf einem alten Schwarz-Weiß-TV und versuchten Tanzstile und Styling der abgewrackten Hauptdarsteller zu imitieren."

Frau begleitet Jackie A. sowohl in muffige Technobunker, als auch in angesagte Nachtclubs des vergangenen und gegenwärtigen Berlins. Das Namedropping von Szenegrößen, C-Promis und Clubnamen ist vor allem für Berliner NachtgängerInnen aufschlussreich: "Nach einem Sekt wollten wir weiter in den Südblock ziehen, anschließend vielleicht einen Abstecher ins Möbel Olfe machen und kurz im Monarch ´Guten Abend´ sagen bzw. Barfrau Miriam gratulieren, die im Wild at Heart ihren Scheidungstermin feierte, ach ja, und eine Karaokebox wurde bei Monster Ronson reserviert."

Ganz andere Töne schlägt die Autorin in den mit ´Analog´ überschriebenen Passagen des Buches an. Die handgekritzelten Tagebucheinträge der zwölfjährigen Jacqueline sind erst einmal ein Gegenentwurf zu der digitalen Blog- und Partywelt. Im Original laden kindliche Zeichnungen, eine krakelige Schreibschrift und amouröse Beschreibungen des Klassenschwarms oder der beständig wechselnden besten Freundin in ein vergessen geglaubtes Universum vorpubertärer Probleme ein. Inhalt, Anschaulichkeit und mitunter auch die Banalität der Tagebuchparataxen dürften nicht wenige LeserInnen an die eigene Kindheit erinnern.

Die markanteste Verbindung der Tagebucheinträge zur Gegenwart der Kolumnistin sind die vielen Beschreibungen von Schuldiscos, Kinderfasching und Geburtstagsfeiern. Ein weiterer Roter Faden ist der Wunsch nach Beachtung und Selbstdarstellung, zu dem sich die Autorin freimütig bekennt: "Als Kind habe ich mich nie besonders für Geld interessiert, für die erhöhte Aufmerksamkeit meiner Mitmenschen hingegen schon. So entwickelte ich den groben Plan, Prinzessin zu werden oder Hollywoodstar – auf jeden Fall eine geschminkte Frau mit sehr vielen Federn am Kragen und schwarzen Puscheln auf den Hausschuhen, der man auch aus nichtigen Anlässen applaudiert."

Selbstdarstellung hin oder her: Selbst wenn ein gewisses narzisstisches Potenzial überhand zu nehmen droht, ist es doch eine zentrale Qualität des Buches, unverstellt und ehrlich daher zu kommen. Ohne Scham und wie selbstverständlich bekennt sich die Autorin zu dem, was sie ist. "Apple zum Frühstück" ist eine fast schon aberwitzige Mischung aus schlau geschriebenem Szeneblog und den Aufzeichnungen einer Zwölfjährigen. Erstaunlicherweise gelingt dieser Mix, dem frau lediglich an manchen Stellen eine leicht erhöhte Dosis Sozialromantik vorwerfen darf. Doch noch bevor das Kokettieren der Bloggerin über das Dauerminus auf ihrem Konto wirklich stört, liefert ein neuer Schwenk in die Kindertage eine willkommene und berührende Abwechslung.

AVIVA-Tipp: Vor allem KennerInnen des Berliner Nachtlebens sei dieses Buch empfohlen. Sicherlich ist das Debüt von Jackie A. kein literarischer Hochgenuss – das will es aber auch nicht sein. Die klug beobachteten und spitzzüngig beschriebenen Eskapaden der hauptstädtischen Clubszene und die ans Herz gehenden Tagebucheinträge schaffen das, was sie wollen: mit leichter Kost gut zu unterhalten.

Zur Autorin: Jackie Asadolahzadeh, geboren 1978, feierte mehrere Jahre lang in fast jedem Berliner Club ihre Ankunft in Westberlin, wohin sie 1989 aus der DDR geflohen war. Sie schlug sich als Türsteherin, Süßwarenverkäuferin, Fotomodell und Gogotänzerin durch, präsentierte die Sendung Berlin Beat im SFB, studierte Schauspiel und verfasste in der Rolle einer Meerjungfrau Geschichten für radio eins. Seit 2001 schreibt sie für die Berliner Zeitung und das Stadtmagazin Tip. (Quelle: Verlagsinformationen)
Der Blog von Jackie A unter: www.tip-berlin.de

Jackie A.
Apple zum Frühstück. Mein Leben zwischen Disco und Dispo

Blumenbar im Aufbau Verlag, erschienen Oktober 2013
Hardcover, 236 Seiten, mit 38 Abbildungen
ISBN-13: 978-3-351-05007-8
16,99 Euro
www.aufbau-verlag.de

Diesen Titel können Sie online bestellen bei FEMBooks



Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Undine Zimmer - Nicht von schlechten Eltern. Meine Hartz-IV-Familie

Franziska Seyboldt - Müslimädchen. Mein Trauma vom gesunden Leben

Bettina Vibhuti Uzler - Party am Abgrund
















Literatur

Beitrag vom 07.11.2013

AVIVA-Redaktion