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Beitrag vom 30.07.2013
Natasa Dragnic - Immer wieder das Meer
Kristina Tencic
Geschwisterliebe mal anders: Nach Dragnic´s sensationell erfolgreichem Erstlingswerk "Jeden Tag, jede Stunde", widmet sich die Autorin nun der Liebe dreier Schwestern zu ein und demselben Mann.
"Heute heirate ich Alessandro Lang, den berühmten italienischen Dichter"
Wagemutig, ja fast waghalsig enthüllt die Autorin Natasa Dragnic bereits im ersten Satz das Ende ihres über 300 Seiten umfassenden Liebesromans. Doch bleibt sie ihren LeserInnen keineswegs exzellente Unterhaltung schuldig, wie sie mit ihrem sehr erfolgreichen Debutroman "Jeden Tag, jede Stunde" schon unter Beweis gestellt hat. Noch vor dessen Erscheinen wurde er in 27 Sprachen übersetzt und somit zum deutschsprachigen Überraschungsbestseller 2011.
Nun versucht die Autorin die Fortsetzung ihres Erfolgs, den frau Dragnic ihrem neuen Werk nur wünschen kann. In ihrer sehr genuinen, klaren und direkten Sprache entwirft sie eine Familienchronik, die viele Drehungen, Wendungen und einige Überraschungen bereit hält.
Der wenig klassische Familienplot begleitet die deutsch-italienischen Alessis über einen Zeitraum von knapp 30 Jahren, angefangen in den 1980er Jahren, über große geografische Entfernungen hinweg. Roberta ist die älteste der drei Schwestern, eine strebsame Medizinstudentin, die sich nach einer magischen Begegnung um Kopf und Kragen in den Dichter Alessandro Lang verliebt. Sie geht eine Fernbeziehung mit ihm ein, die bald schmerzlich endet und sie nicht mehr loslässt. Waren sie denn nicht bestimmt füreinander? Lucia, die mittlere Schwester, sucht nach einer Erklärung, doch verfällt dabei dem mysteriösen Charme Alessandros. Zu guter Letzt ist da die Jüngste, Nannina, die eigentlich eine neutrale Vermittlerinnenrolle einnehmen möchte in dem festgefahrenen Schwesternkrieg um die Gunst des Dichters, doch dabei selbst zur Nebenbuhlerin wird. Schweigen setzt ein zwischen den Alessi-Schwestern, das von Krankheit, Todesfällen und Schicksalsschlägen in der Familie begleitet wird und nur eine Konstante zulässt: Das Meer Italiens direkt vor der Insel Elba, an das alle immer wieder zurückkehren.
Die kroatisch-stämmige Autorin schreibt auf Deutsch, was ihren Roman nur noch lesenswerter macht. In ihren rhythmischen, kurzen Sätzen kann frau die Einflüsse einer anderen kulturellen Prägung förmlich mitlesen. Durch diese Direktheit gelingt es ihr auch, jeder Kitschfalle schon frühzeitig auszuweichen und das Genre des Liebesromans für eine breitgefächerte LeserInnenschaft zugänglich zu machen. Es drängt sich allerdings die Frage auf, warum es auch heutzutage die Hochzeit ist, bei der die Handlung ihre Klimax erreicht. Verwunderlich ist auch, warum die Autorin nicht weiter auf die charakterlichen Parallelen ihrer Figuren eingegangen ist. Es bleibt der Leserin überlassen, den Schnittpunkt aller drei Frauen zu finden, der den Kernpunkt Alessandros Anziehungskraft und deren Resonanz bildet.
AVIVA-Tipp: Erzählerisch sicher nimmt Dragnic die Leserin mit auf eine emotionale Berg-und-Tal-Fahrt. Es geht dabei in schwindelerregender Geschwindigkeit von einer Schwester zur anderen, von einem Kontinent zum nächsten und von einer Krise zur noch größeren. "Immer wieder das Meer" beschreibt eine verschachtelte Liebesgeschichte, die untypische Züge mit amüsanten Wendungen und tragischen Schicksalsschlägen zu einem unterhaltsamen Sommerschmöker vereint.
Zur Autorin: Natasa Dragnic wurde 1965 in Split (Kroatien) geboren. Nachdem sie ihr Studium der Romanistik und Germanistik in Zagreb und eine Diplomatinnenausbildung abgeschlossen hat, zog sie nach Deutschland. Seit 1994 lebt sie in Erlangen, wo sie bis 2011 als freiberufliche Fremdsprachen- und Literaturdozentin arbeitete. Mit ihrem ersten Roman "Jeden Tag, jede Stunde" gelang ihr überraschend eine literarische Sensation: Schon vor seinem Erscheinen wurde das Buch in 27 Sprachen übersetzt und zum Bestseller.
Natasa Dragnic
Immer wieder das Meer
Verlag: DVA Belletristik
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 368 Seiten
ISBN: 978-3-421-04582-9
19,99,- Euro
www.randomhouse.de
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