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Beitrag vom 20.02.2013
Anne Siegel - Frauen, Fische, Fjorde. Deutsche Einwanderinnen in Island
Britta Leudolph
Die Journalistin, Dokumentarfilmerin, Hörspiel- und Drehbuchautorin portraitiert sechs Frauen, die sich wenige Jahre nach dem 2. Weltkrieg nach Island aufmachen und dort eine neue Heimat finden.
Im Frühjahr 1949 sind die Zerstörungen des Krieges auch in Norddeutschland noch allgegenwärtig. Für viele junge Frauen ist die Situation beklemmend: Sie haben in den Kriegs-und Nachkriegsjahren in vormaligen Männerberufen gearbeitet, nun sollen sie sich wieder in das konventionelle Frauenbild fügen und sich unterordnen. Ein Großteil der jungen Männer ist im Krieg ums Leben gekommen oder befindet sich in Kriegsgefangenschaft.
Ganz anders ist die Situation in Island. Das Land hat das erste Mal in seiner Geschichte Autonomie erlangt. Durch finanzielle Unterstützung im Rahmen des Marshall-Plans blühen die Fischindustrie und die Landwirtschaft auf. Und es fehlen Frauen, denn viele junge Isländerinnen haben während der Besatzung durch Großbritannien und die USA Briten oder Amerikaner geheiratet und die Insel verlassen oder sind in die Städte gezogen. In Anbetracht des Arbeitskräftemangels auf dem Lande erarbeitet die isländische Bauernpartei den Plan, junge Frauen und Männer aus Schleswig-Holstein für die Arbeit in Island zu gewinnen.
Anne Siegel portraitiert sechs Frauen, Hildur, Úrsúla, Anita, Alma, Hildegard und MarÃa, die sich mit dem Schiff auf den Weg in ein neues Leben auf Island begeben. Dort treffen sich nicht nur auf eine wilde, unberührte Landschaft, sondern auch auf eine Gesellschaft, in der die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern traditionell verankert ist.
Die Erzählungen der Einwanderinnen sind sehr unterschiedlich und geben einen Einblick in die Erlebnisse dieser Generation. So war Hildur vor ihrer Emigration Feuerwehrfrau und Kaufmannsgehilfin in Lübeck, Anita war auf eigene Faust aus dem sowjetisch besetzten Bitterfeld geflohen. Alma, die Kapitänstochter, plant eigentlich nur einen einjährigen Aufenthalt in Island, um zu Hause die Gemüter darüber zu beruhigen, dass sie sich ausgerechnet in einen Katholiken verliebt hat. "Alma ist zwar erst siebzehn, aber sie weiß, was sie will, vor allem aber, was sie nicht will. Beeindruckt von so viel Willensstärke, erlauben ihr die Eltern das Jahr auf Island."
Alle fünf Frauen werden in Island bleiben und das Land nicht nur um schöne Vorgärten und Rezepte bereichern. Sie werden isländische Männer heiraten und Familien gründen und ihre neue, wilde Heimat lieben.
Zur Autorin: Anne Siegel, geboren 1964 in Norddeutschland, studierte Volkswirtschaft, Sozialwissenschaften und Psychologie. Sie lebte und arbeitete in England, Israel und den Niederlanden, war Dozentin, Werbetexterin und Ghostwriterin für PolitikerInnen und KabarettistInnen. Heute lebt sie in Köln und San Francisco. Sie arbeitet als Journalistin und Hörspielautorin für öffentlich-rechtliche Sender in Deutschland als auch als Drehbuchautorin und Dokumentarfilmerin für US-Produktionen.
AVIVA-Tipp: "Frauen, Fische, Fjorde" ist eine interessante Sammlung von Lebensgeschichten isländischer Einwanderinnen aus Deutschland. Sie gewährt einerseits Einblicke in die Situation junger Frauen in Nachkriegsdeutschland, die mit vielerlei Entbehrungen und auch Traumata zu kämpfen haben. Andererseits erfährt die Leserin viel über das harte Landleben im Island der 1950er und 60er Jahre und die Vorzüge der isländischen Gesellschaft.
Anne Siegel
Frauen, Fische, Fjorde. Deutsche Einwanderinnen in Island
Vorwort von Kristin Steinsdottir
Hohenems Verlag, Wien, erschienen Dezember 2011
Hardcover, 236 Seiten
19,90 Euro
ISBN 978-3-99018-084-6
Mehr Infos unter: www.frauenfischefjorde.de
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