Sandra Kreisler - Das Chansonbuch. Interpretation und Bühnenpräsentation - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur





 

Chanukka 5785




AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 26.09.2012


Sandra Kreisler - Das Chansonbuch. Interpretation und Bühnenpräsentation
Ingeborg Morawetz

Die preisgekrönte Wiener Diseuse und "Stimme Österreichs" erklärt, was zur Kunst der gelungenen Chanson-Darbietung dazugehört und wie mensch sich auch als AnfängerIn mit Genre und Bühne vertraut...




... macht.

Sandra Kreisler ist seit nunmehr fast zwanzig Jahren mit einem eigenen Chansonprogramm auf den Bühnen der Welt unterwegs. Dennoch hat sie die Hürden der ersten Auftritte und die unvermeidlichen AnfängerInnenfehler nicht vergessen. Für SängerInnen, Interessierte und auch für wirkliche Diseusen – denn so lautet der Fachbegriff für ChansonsängerInnen – hat sie ihre Erfahrungen in den drei Kapiteln, genannt drei Akten, ihres Ratgebers "Das Chansonbuch" gesammelt und aufgearbeitet.

Bereits in ihren einführenden Worten vermittelt Kreisler, dass sich hier keine Bühnenpersönlichkeit profilieren oder mit ein paar vertraulichen Ratschlägen schnelles Geld verdienen möchte, ihre Herangehensweise an die Thematik ist vielmehr systematisch und sachlich.

Gleiches gilt für den Aufbau des "Chansonbuchs":

Der "Erste Akt" begleitet die LeserInnen von der Auswahl des richtigen Liedes über eine kurze Sprechkunde hin zu der Fähigkeit, den Inhalt eines Chansons nicht nur wiederzugeben, sondern zu fühlen. Er erläutert alles, was auch im Stillen passieren kann, fern von ZuschauerInnen und Scheinwerfern.
Im "Zweiten Akt" werden Verhalten und Haltung auf der Bühne, Mimik, Gestik und das Spiel mit dem Publikum auseinandergesetzt.
Der "Dritte Akt" schließlich beginnt mit "Dem Drumherum" und dreht sich um Dinge, die eben auch noch notwendig sind, aber nicht mehr zur eigentlichen Kunst einer Diseuse zählen. In diesem Kapitel bringt Kreisler unter anderem die Frage des UrheberInnenrechts oder den Umgang mit übermäßiger Nervosität zur Sprache. Auch Auswahl von Kostüm und Requisiten bleiben nicht unerwähnt.

Die Erklärungen Kreislers sind bildlich und eindeutig. Sie drückt sich schlicht, aber nicht einfach aus und gestattet sich, auch im Schriftlichen ab und zu in ihren muttersprachlichen Dialekt, das Österreichische, zu verfallen. Ob das gefällt ist Geschmackssache, aber der Autorin muss zugestanden werden, dass sie umgangssprachliche Formen und wenig ernst gemeinte Fußnoten nur sporadisch und sehr gezielt einsetzt.
Der Großteil ihrer Ausführungen ist trotz lockerer Worte stringent didaktisch, immer logisch nachvollziehbar und bei Zitaten stets mit Quellen belegt. Kreisler scheut sich nicht, Fachbegriffe aus der Theater- und MusikerInnenwelt zu benutzen, legt sie den LeserInnen aber konsequent und verständlich dar. So enthält der "Erste Akt" auch einen Exkurs zu Tempo, Rhythmus und Dynamik. Terminologische Ausflüge dieser Art werden von Kreisler stets angekündigt. Wen es nicht interessiert, die oder der blättert einfach weiter.
Nicht, dass das anzuraten wäre – trotz vieler Wiederholungen, derer sich die Autorin aber bewusst ist und die sie humorvoll kommentiert, ist das Buch ein in sich geschlossener Leitfaden von der Probe bis zum Auftritt.

Die Tipps zur Chansoninterpretation enthalten Grundlegendes zu jeder Form der Darbietung vor Publikum, und die Kapitel zur Vorstellung auf den Brettern, die die Welt bedeuten, veranschaulichen weit mehr als das Vermögen, vor ZuhörerInnen einen Chanson zu singen. Sandra Kreisler gibt wertvolle Hinweise zu Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung in jeder Situation, in der mensch das Vergnügen hat, sich zu präsentieren.

Beim Lesen des "Chansonbuches" gewinnt mensch zudem wie nebenbei einen Überblick über die legendärsten Chansons und ChansonsängerInnen im deutschsprachigen Raum. Die Beispiele, die Sandra Kreisler in angemessener Dosierung zur Verdeutlichung ihrer Ratschläge wählt, sind niemals unbekannte. Herangezogen werden neben ihrem Vater Georg Kreisler unter anderen Bertolt Brecht und Friedrich Hollaender. Bewusst führt sie die LeserInnen nicht nur in die Kunst des Singens, sondern auch in das ein, was hinter dem Genre steht:

Viele Generationen großartiger Diseure und Diseusen, von denen mensch, wie sie bescheiden zugibt, noch viel mehr lernen könne als von ihr.

Zur Autorin: Sandra Kreisler geboren 1961 in München, beschäftigt sich neben ihren regelmäßigen Bühnen-, Funk- und Fernsehauftritten seit 2002 zunehmend mit dem Unterrichten von Acting-While-Singing, einer aus der amerikanischen Ausbildungspraxis stammenden Methode der Chanson-Interpretation. Sie ist Lale-Andersen-Preisträgerin.
Weitere Infos zu Sandra Kreisler finden Sie unter:
www.sandrakreisler.de und www.wortfront.de

AVIVA-Tipp: Leicht zu lesen und einfühlsam geschrieben ist das "Chansonbuch" auch für unmusikalische LeserInnen interessant. Sandra Kreislers psychologische, aber nicht psychologisierende Analyse ihres Metiers und ihrer Kunst verleiht ihren Erläuterungen Leben und macht auf Vieles aufmerksam, was zuvor im Dunkeln lag.

Sandra Kreisler
Das Chansonbuch. Interpretation und Bühnenpräsentation.

Henschel Verlag, erschienen August 2012
Broschiert, 181 Seiten
ISBN-13: 978-3894877187
16,90,- Euro
www.henschel.de

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Interview mit Sandra Kreisler (2009)

Georg Kreisler gibt es gar nicht- die Biographie


Literatur

Beitrag vom 26.09.2012

AVIVA-Redaktion