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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 23.08.2012


Volker Koop - Hitlers Muslime. Die Geschichte einer unheiligen Allianz
Claire Horst

Dass Antisemitismus auch in der muslimischen Welt verbreitet ist, ist kein Geheimnis. Wie die Nazis diese Gemeinsamkeit nutzten, um Muslime für ihre Zwecke einzuspannen, zeigt der Publizist Volker...




... Koop in seinem sorgfältig recherchierten Buch, das die Hintergründe der Kooperationen zwischen dem Dritten Reich und der muslimischen Welt aufzeigt.

Für die meisten LeserInnen ist wahrscheinlich Amin al Husseini, der "Mufti von Jerusalem", die erste Assoziation zur Verbindung zwischen Hitler und der muslimischen Welt. Dass es neben dieser fragwürdigen Gestalt, die von glühendem Antisemitismus geprägt war, noch weitere, sehr unterschiedliche Kontakte gab, ist vielen wahrscheinlich unbekannt – ebenso wie die Tatsache, dass der Mufti keineswegs so viele Muslime vertrat, wie er die Nazis glauben machen wollte.

Man muss schon ein eiskalter Ideologe sein, um den Glauben an ein "Untermenschentum" mit der gleichzeitigen Nutzung der so klassifizierten Personen als Kanonenfutter zu verbinden. Nichts anderes taten die Nationalsozialisten, die gezielt um Muslime als Soldaten für die Wehrmacht warben. Denn sie sahen in ihnen ideale Soldaten, die sich für das Paradies opfern und so für den Nationalsozialismus sterben würden. Anreiz für die Muslime sollte dabei zum einen der gemeinsame Kampf gegen das "Weltjudentum" sein, zum anderen der Widerstand gegen Kolonialregime oder gegen die Unterdrückung der Muslime in den Sowjetrepubliken. Um die Muslime für sich einzunehmen, wurden sogar Imame ausgebildet und in den Kompanien eingesetzt.

Dass die Muslime für die Nazis aber lediglich untergeordnetes Mittel zum Zweck, minderwertiges, aber verwertbares Menschenmaterial waren und der rassistischen Klassifizierung niemals entkommen konnten, zeigen Zitate wie dieses: "Im Gegensatz zu den Untermenschentypen einer russisch-asiatischen Vermischung stellen die Vertreter der zentralasiatischen Völker ein – natürlich asiatisches – aber wertvolles, ungebrochenes Menschenmaterial dar, das traditionsgebunden und von tiefer Heimatliebe beseelt ist." (aus einem Papier des Reichssicherheitshauptamtes).

Adolf Hitler sollte den Muslimen mit religiöser Begründung als Führer schmackhaft gemacht werden. Kaum zu glauben sind einige der Fundstücke, die Koop hierzu auftischt. So beauftragte Heinrich Himmler, der "Reichsführer-SS", Historiker, Koranstellen zu finden, die als Ankündigung der Ankunft Adolf Hitlers gelesen werden könnten. Offensichtlich war er der Meinung, gemeinsame Feinde, etwa Briten und Juden, reichten nicht aus, um Muslime zum Kampf für das Dritte Reich zu bewegen – und betrachtete die Muslime zugleich als unmündige Kinder, die mit Legendenerzählungen zu überzeugen wären. Koops Freude am Scheitern dieser Versuche kann er ebenso wenig verbergen wie sein Vergnügen am unfreiwilligen Humor der Gedichte und Gebete, die für Hitler, das "Licht des Propheten", verfasst wurden.

Zwar wurden einige wenige Freiwillige rekrutiert, angemessen am Aufwand, den die Nationalsozialisten mit der Ausbildung von Mullahs, der Kontaktaufnahme zu muslimischen Führern, der akribischen Suche nach Muslimen in Kriegsgefangenenlagern und dem Aufbau einer "Deutsch-Arabischen Lehrabteilung" betrieben, waren die Versuche jedoch erfolglos. Zu den bekannteren Versuchen gehört etwa das "Unternehmen Zeppelin", der Einsatz sowjetischer muslimischer Kriegsgefangener zu Sabotageaktionen in der Sowjetunion – das Unternehmen scheiterte an der geringen Beteiligung.

Koop zeichnet jedoch nicht nur die militärischen Nutzungsversuche der Muslime nach, sondern informiert auch über das muslimische Leben im Deutschen Reich. Zwar lebten – abgesehen von den Kriegsgefangenen – nur etwa 3.000 Muslime im Land, diese waren jedoch politisch und religiös gut organisiert und wurden von den Nationalsozialisten gezielt umworben.

Das Fazit, das Koop zieht, ist nicht überraschend, jedoch ein weiteres Beispiel für die menschenverachtende und bestens organisierte Vorgehensweis der Nazis. Ihm zufolge waren die Muslime lediglich Mittel zum Zweck. Mit Versprechungen wie der eines souveränen Nationalstaates sowohl für die Muslime in den besetzten arabischen Ländern als auch für diejenigen, die in den Sowjetrepubliken lebten, wollte man sie gewinnen – ohne eine solche Souveränität jemals anzustreben. So stellte Hitler schon 1942 fest, es sei Grundsatz, "jede staatliche Organisation zu vermeiden und die Angehörigen dieser Völkerschaften dadurch auf einem möglichst niedrigen kulturellen Niveau zu halten. Man müsse davon ausgehen, dass diese Völker uns gegenüber in erster Linie die Aufgabe haben, uns wirtschaftlich zu dienen."

Zugleich folgten auch die Muslime, die mit den Nazis kooperierten, weitgehend eigenen Zwecken. Wirklich überzeugt von der nationalsozialistischen Ideologie waren laut Koop die wenigsten. Einspannen für deren Weltkrieg ließen einige sich dennoch. Dass Koop betont, er wolle der verbreiteten Islamfeindschaft nicht zuspielen und daher verallgemeinernden Aussagen über "die" Muslime entgegentritt, ist zu begrüßen. Fragwürdig wird das, wenn er mit den Nazis kooperierende Gruppen ausschließlich als Opfer der Weltlage darstellt.

AVIVA-Tipp: "Hitlers Muslime" ist eine hochspannende Lektüre, die Licht in ein weitgehend unbekanntes Feld bringt und Verallgemeinerungen vermeidet. Dank der zahlreichen Zitate und umfassenden Quellenangaben kann das Buch durchaus zum Einstieg in eine weitergehende Beschäftigung mit dem Thema dienen.

Zum Autor: Volker Koop, geboren 1945 in Oberbayern, arbeitet seit 1994 als freier Buchautor und Publizist. Im Jahr 2003 erhielt er gemeinsam mit Marcel Reich-Ranicki in Rom den italienischen Kulturpreis "Capo Circeo". Zuletzt von ihm erschienen: "Himmlers letztes Aufgebot. Die NS-Organisation Werwolf", "Hitlers fünfte Kolonne. Die Auslands-Organisation der NSDAP" sowie "Hitlers Muslime. Geschichte einer unheiligen Allianz". Seine Bücher sind u.a. auch ins Japanische und Tschechische übersetzt worden. (Verlagsinformationen)

Volker Koop
Hitlers Muslime. Die Geschichte einer unheiligen Allianz

Bebra Verlag
Erschienen im Frühjahr 2012
ISBN 978-3-89809-096-4
288 Seiten, 27 Abb., gebunden
24,95 Euro



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Beitrag vom 23.08.2012

Claire Horst