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Beitrag vom 03.04.2012
Aharon Appelfeld - Der Mann, der nicht aufhörte zu schlafen
Sabine Grunwald
Der für sein literarisches Werk vielfach ausgezeichnete Schriftsteller und Schoah-Überlebende dokumentiert in seinem autobiografischen Roman den Versuch, das Trauma der Vergangenheit schreibend ..
... zu verarbeiten.
1946. Der sechzehnjährige Erwin hat im Holocaust seine gesamte Familie verloren und sich in einen langen, nicht enden wollenden Schlaf geflüchtet. Der Krieg ist gerade vorbei, und während der schlafende Junge von anderen Flüchtlingen mitgeschleppt wird, hält er im Traum Zwiesprache mit seinen ermordeten Eltern und hütet seine Erinnerungen an die verlorene Heimat, die Bukowina.
"Mein Körper war es gewohnt, gestört zu werden. Den ganzen Weg hatten die Leute versucht, mich zu wecken, mir Brot in den Mund zu stopfen, mit mir zu sprechen und mich davon zu überzeugen, dass der Krieg vorbei sei und ich die Augen öffnen müsse. Ich wusste nicht, wie ich ihnen klarmachen sollte, dass ich in einem tiefen Schlaf gefangen war. Manchmal versuchte ich, ihm zu entfliehen, aber die Müdigkeit war jedes Mal stärker als ich."
Die beschwerliche Reise führt bis zu einem Flüchtlingslager in Neapel, wo Erwin allmählich wieder ins Leben zurückfindet. Er schließt sich einer Gruppe von Jugendlichen an, die durch hartes körperliches Training und Hebräischunterricht auf ein neues Leben in Palästina vorbereitet werden. Ihre neue Identität wird durch hebräische Namen manifestiert, und so wird aus Erwin Aharon. Individualität wird wenig geschätzt, die Gemeinschaft und der Zusammenhalt sind wichtiger als die Belange der Einzelnen. Der neue Pragmatismus und das Unvermögen, über die Vergangenheit zu sprechen, fordert bald das erste Opfer: Aharons Zeltgenosse, der verschlossene Marek, nimmt sich das Leben.
Die Jugendlichen werden im Umgang mit Waffen ausgebildet und zur Verteidigung der jüdischen Siedlungen auf Patrouille geschickt. Schon bei seinem ersten Einsatz wird Aharon schwer verwundet. Nach mehreren Operationen wird er in ein Sanatorium verlegt, wo er beschließt, ebenso wie sein Vater Schriftsteller zu werden. Durch die Bibel lernt er Hebräisch, Wort für Wort. Diese uralte Sprache verhilft ihm schließlich dazu, seinen in Schlaf und Traum verschlossenen Erinnerungen Raum zu geben: Erzählend lässt er die ausgelöschte Welt wiedererstehen.
AVIVA-Tipp: Ebenso wie Aharon Appelfelds frühere Werke ist auch "Der Mann, der nicht aufhörte zu schlafen" eine Geschichte vom Verlust der Heimat und der Sprache. Die Zwiegespräche, die der Autor im Schlaf mit seinen ermordeten Eltern führt, sind erfüllt von Trauer und Zärtlichkeit, die tief berühren. Dies ist das wohl persönlichste Buch des großen Erzählers, meisterhaft erzählt.
Zum Autor: Aharon Appelfeld wurde 1932 in Czernowitz geboren. Nach Verfolgung und Krieg, die er im Ghetto, im Lager, dann in den ukrainischen Wäldern und als Küchenjunge der Roten Armee überlebte, kam er 1946 nach Palästina. In Israel wurde er später Professor für Literatur. Seine hochgelobten Romane und Erzählungen sind in vielen Sprachen erschienen, auf deutsch zuletzt "Elternland", "Blumen der Finsternis" und "Katerina". Aharon Appelfeld, unter anderem Träger des Prix Médicis und des Nelly-Sachs-Preises, lebt in Jerusalem. Am 16. Februar feierte Aharon Appelfeld seinen 80. Geburtstag. (Quelle: Verlagsinformation)
Zur Übersetzerin: Mirjam Pressler, geboren 1940 in Darmstadt, studierte an der Akademie für Bildende Künste in Frankfurt und Sprachen in München und lebte für ein Jahr in einem Kibbuz in Israel.
Mirjam Pressler hat mehr als 30 eigene Kinder- und Jugendbücher verfasst, darunter "Bitterschokolade" (Oldenburger Jugendbuchpreis), "Novemberkatzen", "Wenn das Glück kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstellen" (Deutschen Jugendliteraturpreis), "Malka Mai" (Deutscher Bücherpreis) und die Romane "Golem stiller Bruder", "Shylocks Tochter" und "Nathan und seine Kinder" sowie die Lebensgeschichte der Anne Frank "Ich sehne mich so". Außerdem hat sie viele Bücher aus dem Niederländischen, Englischen und Hebräischen übersetzt.
Für ihre "Verdienste an der deutschen Sprache" wurde sie 2001 mit der Carl-Zuckmayer-Medaille ausgezeichnet, für ihr Gesamtwerk als Übersetzerin mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises und für ihr Gesamtwerk als Autorin und Übersetzerin 2004 mit dem Deutschen Bücherpreis. 2010 erschien anlässlich ihres 70. Geburtstags die Jubiläumsausgabe "Novemberkatzen – Wenn das Glück kommt". Sie lebt als freie Autorin und Übersetzerin bei München.
Weitere Infos und Kontakt: www.mirjampressler.de
(Quelle: Autorinnenhomepage Mirjam Pressler)
Aharon Appelfeld
Der Mann, der nicht aufhörte zu schlafen
Originaltitel: Ha´ish sche´lo pasak lishon
Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler
Rowohlt Berlin Verlag, erschienen 16.01.2012
Gebunden, 285 Seiten
ISBN 978-3-87134-732-0
19,95,- Euro
www.rowohlt.de
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