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Beitrag vom 15.04.2012
Schulamit Meixner - ohnegrund
Sharon Adler
Der Debutroman der österreichischen Autorin spielt in Wien, Tel Aviv und London. Er erzählt die Geschichte einer jungen Frau und einer Familie, die keine ist. Sprachlosigkeit, die Unfähigkeit ...
... zur Empathie oder Kommunikation zeichnen die Charaktere aus. Gemeinsam ist ihnen Verlust und die Suche nach etwas nicht Greifbarem
Wetteransagen dienen als Indikator für deren Emotionen, indem sie den Entwicklungen der ProtagonistInnen kapitelweise vorangestellt sind. Der zeitliche Handlungsrahmen wird durch die Koordinaten 2009 und 1999 bestimmt, und in nicht-linearer Abfolge nimmt die Autorin die LeserInnen mit auf die Reise von England nach Israel. Und wieder zurück.
"ohnegrund" zeichnet den Weg von Amy nach, einer jungen Frau, die im Jahr 1999 von ihren prominenten und als KünstlerInnen überaus erfolgreichen Eltern nach Tel Aviv geschickt wurde. Dort soll sie, arrangiert durch deren gute Beziehungen, an der renommierten Kunsthochschule für Mode und Design Innenarchitektur studieren. Als sie jedoch am Flughafen nicht wie verabredet von ihrem Onkel Zvi abgeholt wird, macht sie sich allein auf den Weg - nicht auf den ihr vorgegebenen. Dieser führt sie zum ersten Mal in ihrem Leben in eine Form von Unabhängigkeit, ermöglicht jedoch vor allem durch die Kreditkarte ihres Vaters. Die Freiheit währt nicht lange, denn schon bald gibt sie diese zugunsten eines charmanten Israelis auf, Nimrod.
Die verwöhnte aber emotional ausgehungerte Amy, eigentlich Emily, wird schon bald schwanger mit Sharona, heiratet Nimrod und arbeitet in einer Galerie. Obwohl nach außen glücklich, bleiben die Figuren isoliert, scheinen egozentrisch, beinahe narzisstisch. Das Erbe der dritten Generation ist wie selbstverständlich Thema des Romans, ebenso wie der Verlust von Intimität, Liebe und Vertrauen.
Die Figuren nähern sich nicht an, entfernen sich aber auch nicht wirklich voneinander, alles bleibt in der Schwebe. "ohnegrund" bezeichnet eben genau diesen Zustand der Schwebe und Entwurzelung bis zu dem Moment, als der idealistische Sozialarbeiter Nimrod beschließt, nach Indien zu gehen, um dort ein Anti-Drogenprogramm für israelische Traveller aufzubauen. Von dort wird er nie mehr zurückkommen und sowohl Amy als auch Sharona gehen im Jahr 2009 mit diesem Verlust und der Ungewissheit schweigend um, geben einander keinen Trost.
Familie ist das große Thema dieses Romans, wobei die jüdische Familie im Besonderen von der Autorin in ihrem Erstlingswerk in den Mittelpunkt gestellt wurde. Doch genau das wirkt häufig zu konstruiert, so etwa dann, wenn Amy ihrer jüdischen Tante erklärt, warum sie nach jüdischem Gesetz nicht geschieden werden kann.
AVIVA-Fazit: "ohnegrund" hat Potential, wirkt aber streckenweise zu bemüht, und lässt die Leserin zurück in einem diffusen Gefühl, diese Geschichte sei noch nicht zuende erzählt worden.
Zur Autorin: Schulamit Meixner, geboren 1968, studierte Judaistik und Theaterwissenschaft in Wien. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin im Jüdischen Museum Wien, wo sie auch Jüdische Geschichte an einem Gymnasium sowie in der Erwachsenenbildung unterrichtete. Seit 2006 lebt sie mit ihrer Familie in London.
Schulamit Meixner
Ohnegrund
Picus Verlag, Wien, erschienen 2012
Gebunden, 192 Seiten
ISBN 978-3-854-52681-0
19,90 Euro