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Beitrag vom 17.11.2008
Sabine Friedrich - Immerwahr
Constanze Geißler
Clara, geb. 1870, ist eine Frau ihrer Zeit: abhängig vom Mann, behindert in der Entfaltung ihrer beruflichen Karriere. Tatenlos muss sie mit ansehen, wie ihr Gatte für den Krieg arbeitet.
Wir schreiben das Jahr 1914. Es ist der Beginn des 1. Weltkrieges. Es ist zugleich der erste, moderne Krieg, der mit Panzern und Kampfflugzeugen geführt wird - und mit Giftgas. Die Hölle von Verdun wird nur eine von vielen sein.
Dr. Fritz Haber, Ehemann von Clara Haber, ehemals Immerwahr, arbeitet nicht unweit von seiner Villa an der Herstellung und Optimierung von Giftgas. Clara geht unterdessen ihren häuslichen Pflichten nach, worunter sie sehr leidet. Denn auch Clara ist Wissenschaftlerin, genauer: Chemikerin. Und als Wissenschaftlerin zweifelt sie an der Integrität ihres Mannes, der sich mit seiner Forschung ganz in den Dienst des Krieges stellt und weitreichenden Ruhm erntet.
Claras wissenschaftliche Karriere endete mit Vorlesungen, die sie an der Breslauer Universität für Frauen hielt, indem sie diese in die chemisch ablaufenden Prozesse im Haushalt unterrichtete. Eine Frau, die an der Universität Vorlesungen hält, war grandios für die damalige Zeit. Doch zugleich leidet Clara Haber an Depressionen und einer schlechten Gesundheit, vergräbt sich zu Hause und spricht kaum über ihre Ängste. Die Tätigkeit ihres Mannes tut ihr übriges dazu. Sie hat nicht die Möglichkeit, Fritz ins Gewissen zu reden oder einen Kontrapunkt zu seiner Tätigkeit aufzubauen.
Mit der historisch belegten Clara zeichnet die Autorin Sabine Friedrich ein Frauenbild, das sich dem Manko der Gleichberechtigung bewusst ist, aber keinen Ausweg aus der Unmündigkeit bestreiten kann. "Ist es denn ohne Bedeutung, dass sie an seiner Seite gelebt hat? Sind demnach ihre Opfer, ist ihr ganzes Leben ohne Bedeutung gewesen?" Diese Fragen lassen die junge Frau in ihrem Zimmer nicht zur Ruhe kommen, während im unteren Stockwerk die Party zu Ehren ihres Mannes in vollem Gange ist.
Zur Autorin: Sabine Friedrich, 1958 in Coburg geboren, studierte Germanistik und Anglistik und promovierte 1989 in München. Nach zahlreichen Wohnungs-, Orts- und Berufswechseln quer durchs In- und Ausland lebt sie heute mit ihrer Familie wieder in Coburg. Ebenfalls bei dtv von ihr erhältlich sind "Familiensilber" und "Puppenhaus".
AVIVA-Tipp: Sabine Friedrich hat ihren Roman ganz aus der Perspektive ihrer Protagonistin geschrieben. Stück für Stück erfahren die LeserInnen mehr über das Leben dieser Frau, die gern als Wissenschaftlerin gearbeitet hätte. Dabei hätten Clara Immerwahr etwas weniger Selbstzweifel gut getan. Doch wäre dies ein Ausweg aus der Krise gewesen?
Sabine Friedrich
Immerwahr
Deutscher Taschenbuch Verlag, erschienen Oktober 2007
Kartoniert, 240 Seiten
ISBN 3423246103
Euro 14,00