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Beitrag vom 18.07.2008
Merete Morken Andersen - Traumspiele
Tina Kosleck
Molly und Agnes sind Freundinnen seit Schultagen, inzwischen sind beide Mitte dreißig und ihr Leben könnte kaum verschiedener sein. Kann ihre Freundschaft dem standhalten?
Molly und Agnes sind Freundinnen seit Schultagen, seitdem die kühne, zornige Molly, die damals noch Mona Louise hieß, Agnes als Freundin erkor. Ihr Leben beginnt sich entscheidend auseinander zu entwickeln, als bei Agnes zum Ende der Schulzeit eine schleichende Krankheit diagnostiziert wird, die sie immer mehr schwächt und bald an den Rollstuhl fesselt, während Molly sich Hals über Kopf in eine besondere Liebesaffäre stürzt. Dennoch bleiben sie Freundinnen.
Zum Zeitpunkt des Erzählens, das erst Agnes, dann Molly und am Schluss noch einmal Agnes übernimmt, sind beide Mitte dreißig und ihre gegenwärtigen Lebenssituationen so unterschiedlich wie sie nur sein können. Während Molly fieberhaft - so wie sie alles tut - an dem Bühnenbild für eine Aufführung von August Strindbergs "Traumspiel" arbeitet, das Sommerhaus ihrer kürzlich verstorbenen Großmutter bezieht und versucht, ihre Schwangerschaft zu verdrängen, widmet Agnes sich zu Hause eingeigelt und verbissen - so wie sie alles tut - ihrem "Schicksalsprojekt", in dem sie alles über den Zusammenhang von Leid und Schicksal herausfinden will.
Vorerst stellt Agnes zu Hause Mollys Leben in Modellen und mit Pappfiguren nach, malt sich alle Geschehnisse bis ins kleinste Detail aus, bringt Molly dann aber dazu, sie zu sich ins Sommerhaus zu holen, wo diese auch kurzzeitig die Kinder aus der geschiedenen Ehe des Vaters ihres ungeborenen Kindes versorgt, während deren Vater Aksel sich um seine Ex-Frau kümmert, die sich einer Krebsoperation unterziehen muss. Erschwerend kommt hinzu, dass Aksel auch Agnes Krankenpfleger ist und von ihr mit verbohrt-schwärmerischer Zuneigung verehrt wird. So buhlen die Freundinnen um die Gunst der beiden Kinder und ihr Zusammentreffen lässt des Öfteren die Emotionen hochkochen.
Der Perspektivenwechsel ermöglicht es den LeserInnen die verschiedenen Sichtweisen der beiden Protagonistinnen zu erkennen und verdeutlicht auch noch einmal ihre unterschiedlichen Lebensweisen. Während Agnes in ihrer Erzählung viel auf Vergangenes zurückblickt und über das Leiden der Welt grübelt, übernimmt Molly die Schilderung der spannungsgeladenen Tage im Sommerhaus, wobei aber auch sie Erinnerungen an Vergangenes wachruft. Nicht immer sind Gefühle und Verhalten der Personen dabei nachvollziehbar, manchmal scheinen sie gar merkwürdig und befremdlich, aber nie unmöglich. Obwohl die eigentliche Handlung nur einige Tage umfasst und viel in und mit Erinnerungen spielt, ist "Traumspiele" dennoch auch eine spannende Lektüre, da der Fortgang der Freundschaft der beiden Frauen offen zu sein scheint.
Weiterlesen: Merete Morken Andersens Roman "Ein Meer aus Zeit" ist im Sommer 2007 auch als Taschenbuch erschienen.
AVIVA-Tipp: "Traumspiele" ist die spannende Schilderung einer Freundschaft zwei verschiedener Frauen mit leicht philosophischen Anklängen an Themen wie Leid, Schicksal und jedwede Art zwischenmenschlicher Beziehung. Der etwas zu versöhnliche Schluss vermag dabei den vorher so intensiv entwickelten Spannungen leider nicht ganz zu entsprechen.
Zur Autorin: Merete Morken Andersen, 1965 geboren, ist eine ungewöhnlich vielseitige Künstlerin. Sie arbeitet als Lektorin, verfasst Romane, Lyrik, Hörspiele, Theaterstücke, Sachbücher und ist darüber hinaus eine hervorragende Pianistin. Für "Ein Meer aus Zeit" wurde sie in Norwegen mit dem renommierten KritikerInnenpreis, dem "Brage-Preis", ausgezeichnet. Ihr Roman erschien in zahlreichen Übersetzungen. In England wurde "Ein Meer aus Zeit" für den "Preis des besten ausländischen Romans 2005" nominiert. Merete Morken Andersen lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Oslo.
[Quelle: Verlagsgruppe Random House]
Merete Morken Andersen
Traumspiele
Originaltitel: Mandel
Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs
btb Verlag, erschienen: April 2008
Gebundenes Buch, 448 Seiten
ISBN 978-3-442-75177-8
19,95 Euro