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Beitrag vom 17.07.2008
Margaret Atwood - Moralische Unordnung
Stefanie Denkert
Kanadas berühmteste Schriftstellerin gewährt einen Einblick in ihr Leben, dazu versammelt die 69-Jährige biographisch eingefärbte, semi-fiktionale Kurzgeschichten mit loser Verbindung in einem Werk.
Mit der feministischen Dystopie "Der Report der Magd" (OT: "A Handmaid´s Tale") erlangte Margaret Atwood Mitte der 1980er internationale Bekanntheit. Dabei veröffentlichte die kanadische Schriftstellerin bereits seit Anfang der Sechziger Jahre sowohl Romane als auch Poesie und Kurzgeschichten. In ihren Texten stehen zumeist Frauenfiguren im Zentrum, so auch in dem biographischen Roman "Moralische Unordnung". Die elf Kapitel stellen verschiedene Episoden aus Margaret Atwoods Leben dar, die durch die wiederkehrenden Charaktere verbunden sind und sich insgesamt zu einem subjektiven Familienportrait zusammenfügen. Dabei wechselt sie sowohl in der Chronologie als auch in der Erzählperspektive. Wie aus dem Nachwort zu erfahren ist, hat die in Toronto lebende Autorin mehrere Episoden bereits als Kurzgeschichten in diversen Magazinen veröffentlicht.
Im ersten Kapitel geht es um ein älteres Paar, Nell und Tig, die uns in den folgenden Episoden in jungen Jahren begegnen. Zunächst erzählt jedoch Nell von ihrer Kindheit und Jugend sowie von ihrer Familie: einer klugen, jedoch unterkühlten Mutter, einem pragmatischen Vater und der elf Jahre jüngeren psychisch labilen Schwester. Als Nell ihr Elternhaus verlässt, lebt sie selbstbestimmt und zieht nomadenhaft umher, noch bevor die wilden 1960er mit ihrer sexuellen Revolution ausbrechen. Nach diversen Jobs, in denen sie sich ausprobiert, verdient sie schließlich ihr Geld mit freier Lektoratsarbeit.
Ihr Nomadendasein wird beendet, als sie mit dem Ehemann einer Autorin, die sie lektoriert hat, verkuppelt wird. Oona, die dank Nell nun eine erfolgreiche Schriftstellerin ist, lebt schon seit Jahren mit Tig nebeneinander her und sucht eine geeignete Partnerin für ihren Ehemann, die auch gut zu den zwei Söhnen passt. Der Plan geht auf, denn Tig und Nell verlieben sich und ziehen zusammen. Doch bis Oona endlich bereit ist sich scheiden zu lassen - aus finanziellen Gründen - vergeht eine quälend lange Zeit. In weiteren Episoden erzählt Atwood von Nells und Tigs Leben auf einer kleinen Farm, von weiteren Problemen mit Oona und den Stiefsöhnen, vom Ein- und Auszug ihrer schizophrenen Schwester, vom gemeinsamen Umzug in die Stadt und von der mittlerweile schwerkranken, über 90-jährigen Mutter.
AVIVA-Tipp: Da es sich größtenteils um Margaret Atwoods eigenes Leben handelt, scheint "Moralische Unordnung" auch das zu sein, als was sie dieses selbstironisch bezeichnet. Das überrascht nicht, denn der Kern des Buchs ist die schwierige Beziehung zwischen Nell und Tig, in der Nell zunächst jahrelang den ´unmoralischen´ Status der Geliebten einnimmt. Der Clash zwischen eigener Sicht im Gegensatz zu den herrschenden Moralvorstellungen wird von Atwood clever mit dem Wechsel von der Ich- zur allwissenden Erzählperspektive konterkariert.
Insgesamt nimmt die mehrfach ausgezeichnete Autorin ihr eigenes Leben mit viel Scharfsinn und Ironie sowie stilistisch virtuos unter die Lupe.
Zur Autorin: Margaret Atwood (geb. 1939 in Ottawa), ist die wohl bekannteste Autorin Kanadas. Nach dem Studium in Toronto und Harvard lehrte sie an verschiedenen nordamerikanischen Universitäten englische Sprache und Literatur. Ihr umfangreiches Werk umfasst Romane, Kurzgeschichten, Gedichte, Essays und Kinderbücher und wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Margaret Atwood erhielt mehrere Ehrendoktortitel und internationale Preise und Auszeichnungen, darunter den höchsten kanadischen Literaturpreis, den Governor General´s Award, den Giller Prize und im Jahr 2000 den Booker Prize. 2005 wurde sie für den ersten Man Booker International Prize nominiert. Margaret Atwood lebt mit ihrer Familie in Toronto.
Weitere Infos:
Offizielle Margaret Atwood Reference Site: www.owtoad.com
(Verlagsinfo)
Margaret Atwood
Moralische Unordnung
Originaltitel: Moral Disorder
Ãœbersetzt von Malte Friedrich
Berlin Verlag, erschienen im April 2008
Gebundene Ausgabe, 256 Seiten
ISBN-10: 3827007097
ISBN-13: 978-3827007094
19,90 Euro