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Beitrag vom 27.08.2003
Hannah March: Als wär´s der Teufel selbst
Ilka Fleischer
Im zweiten historischen Kriminalroman um den Gelehrten Robert Fairfax werden Weltanschauungen und Glaubensfragen vor dem Hintergrund eines blutigen Postkutschenüberfalls auf die Probe gestellt...
Northamptonshire 1761. Sein jüngster Gelegenheitsjob führt den grüblerischen Privatlehrer und Hobby-Detektiv Robert Fairfax in das Herrenhaus des lebenslustigen Friedensrichters Sir Edward. Dort soll er eigentlich die beiden pubertierenden Töchter unterrichten und den wertvollen, aber chaotischen literarischen Nachlass des verstorbenen Vaters in eine Bibliothek konvertieren.
Auf dem Weg zu seiner neuen Anstellung wird er allerdings Zeuge eines brutalen Postkutschenüberfalls: Zwei Insassen wurden kaltblütig erschossen, eine Passagierin ist spurlos verschwunden, der Kutscher stirbt in seinen Armen. Die Bluttat scheint auf das Konto eines Räubers zu gehen, der die Gegend um Northamptonshire schon monatelang in Atem hält. Bisher war dabei jedoch kein Blut geflossen und so hegt Fairfax Zweifel an der naheliegenden Theorie seines neuen Arbeitgebers, der keine Zeit mit weitschweifigen Ermittlungen vergeuden will.
Ungeachtet dessen macht sich unser gelehrter Ermittler auf, den oder die wahre TäterIn zu stellen und begibt sich in die teils schillernden, teils grauen Alltagswelten der kleinstädtischen Bevölkerung: Was haben die junge theatralische Witwe und der burschikose Compagnion des ermordeten Mr. Honeyman zu verbergen? Aus welchem Grund hatte sich Tom Honeyman als Mr. Twelvetree ausgegeben - ein Mitbürger, der für seine skrupellose Geldgier bekannt war? Welche Rolle spielt die verschollene Passagierin, Margaret Parry - wurde sie entführt? Und warum befand sich der psychisch kranke Bruder des Laien-Predigers Griggs auf der Todes-Kutsche?
Hannah March gelingt mit "Als wär´s der Teufel selbst" ein zugleich historisches wie zeitloses Setting: Ihr Held Robert Fairfax bietet eine komplexe Identifikationsfläche für die zahllosen diplomierten Taxifahrer und promovierten Kellnerinnen unserer Tage: Mit dem Bewusstsein realer gesellschaftlicher Ungerechtigkeit wie mit philosophischem Weltschmerz ringend, sucht der Überqualifizierte seine Genugtuung in "kleinen Siegen" auf Ersatz-Schauplätzen - in seinem Fall bei der Verbrechensaufklärung. Im Spannungsfeld der beiden Antagonisten - Sir Edward als genießerischer Lebemann auf der einen Seite und Griggs als strenggläubiger Methodist andererseits - wird Fairfax Kampf um Selbstverortung überzeugend in Szene gesetzt.
Ein ganz besonderes Lesevergnügen ist außerdem der Darstellung der damaligen Geschlechterverhältnisse geschuldet. In seinen Selbstreflexionen hadert Fairfax immer wieder mit den gesellschaftlichen Erwartungen an das Mannsein. Das Aufbegehren gegen das Korsett der weiblichen Rolle, das Hannah March mit der tatkräftigen Zeitungsherausgeberin Cordelia Linton verknüpft, gewinnt nicht zuletzt dadurch an Reiz, dass unser (Anti-)Held sein Herz an die "Emanze" verliert:
"Und jetzt dürfen Sie mich mit Lob überhäufen, Sir - soviel Sie wollen, innerhalb vernünftiger Grenzen."
Lächelnd brachte er eine kleine Bosheit unter. "Ich hätte das selbst nicht besser machen können."
"Oh, Sie eingebildeter Mann! Hm, eine Tautologie. Männer und Einbildung, das gehört zusammen wie..."
"...wie Frauen und Spiegel."
"Ich sollte Sie jetzt wahrscheinlich tadelnd mit meinem Fächer schlagen, aber ich habe keinen Fächer."
Die AVIVA-Berlin-Empfehlung:
Mit oder ohne Fächer: Ab in die teuflische Zeitmaschine!
Hannah March:
Als wär´s der Teufel selbst
Deutscher Taschenbuch Verlag 2003
ISBN 3-423-20593-8
10 Euro200915385375" .