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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 02.01.2012


Susanna Alakoski – Bessere Zeiten
Marie-Luise Wache

In ihrem mit dem Augustpreis ausgezeichneten Debütroman schildert die finnisch-schwedische Autorin die Kinderarmut und -verwahrlosung inmitten des industriell aufblühenden Volksheims Schweden...




... inmitten des industriell aufblühenden Volksheims Schweden in den 1960er Jahren und bringt somit ein Sujet zu Tage, dem in Schweden bis zum Moment der Veröffentlichung nur wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde.

Als die 12-jährige Leena mit ihren Eltern und den Geschwistern Sakari und Markku nach Ystad, eine kleine Stadt im Süden Schwedens zieht, scheint eine glücklichere und sorgenfreiere Zeit zu beginnen. Die fünfköpfige Familie bewohnt, zusammen mit anderen GastarbeiterInnenfamilien, eine Sozialwohnanlage am Rande der Stadt. Zum ersten Mal in ihrem Leben können sie sich in modernen vier Wänden, samt Innentoilette, fließend-warmen Wasser, Einbauschränken, sauberen Tapeten und vor allem genug Raum heimisch fühlen.
Jedoch stellt sich kein Gefühl des Ankommens ein, die erhoffte Akzeptanz durch schwedische MitbürgerInnen und ArbeitskollegInnen bleibt aus. Das hart erarbeitete und nach außen hin geordnet erscheinende Alltagskonstrukt, das die Eltern Leenas aufzubauen versuchten, bricht auseinander und alte Gewohnheiten, die man hinter sich gelassen wähnte, stellen sich ein. Die Eltern ertränken ihre gescheiterten Träume in Alkohol und überlassen sowohl sich als auch die Kinder einem Strudel aus Gewalt, Verwahrlosung und Verzweiflung.
Sich in ihre eigenen Welten flüchtend, versuchen die drei jüngsten Familienmitglieder die Umstände auszublenden. Markku, indem er sich nur noch selten zu Hause blicken lässt, Sakari, der Jüngste, indem er aufhört zu sprechen und schließlich Leena, die sich in schulischen Erfolgen und Schwimmwettbewerben die Anerkennung holt, die zu Hause ausbleibt und auf den Moment hin träumt, in dem sie das Elternhaus und die lebensunwürdigen Umstände hinter sich lassen kann.

Die Erkenntnis, dass der Alltag aus dem Ruder läuft und das Familienidyll lediglich vom Alkoholkonsum der Eltern abhängt, kommt jedoch erst mit der Zeit, in der Leena gezwungen ist, schneller erwachsen zu werden, als ihr lieb ist. Susanna Alakoski beschreibt den Alkoholismus als fast etwas Alltägliches, die Sucht wird von jedem erwachsenen Charakter gelebt und es existiert kein beispielhafter Gegenpol.

Der stilistische Herangehensweise von Susanna Alakoski ist bemerkenswert. Unverschleiert und dabei sehr deutlich formuliert sie die Schreckensszenarien und den wilden Strudel aus Hoffnung, Enttäuschung und der Konsequenz eines zu früh zu hart gelebten Alltags für ein Kind. Die Autorin macht in dem Interview mit AVIVA-Berlin deutlich, dass ihr die Kindheitsperspektive der Erzählung besonders am Herzen liegt. Dadurch, dass sie dieses Anliegen nie aus den Augen lässt, bildet sich ein extremer Kontrast zwischen der Sprache und dem Erzählten, sodass die Ereignisse und die realen Schilderungen auf die Leserin unbeschönigt einprallen.

AVIVA-Tipp: Intelligent, realitätsnah und mit einer stilistisch ungewöhnlichen Herangehensweise berührt "Bessere Zeiten" ganz besonders. Denn ohne zu sehr an das Mitleid der Leserin zu appellieren, vereint die Autorin Themen der Gewalt, des Alkoholmissbrauchs, der Kindervernachlässigung und dem Leben von GastarbeiterInnen in der Fremde in einer emotionalen Erzählung.



Zur Autorin: Susanna Alakoski geboren in Finnland, ist im schwedischen Ystad aufgewachsen und lebt heute in Stockholm. Sie arbeitete unter anderem als Genderwissenschaftlerin und war politisch auf höchster Ebene aktiv. Heute gehört sie zu den bekanntesten und meistgelesenen schwedischen Autorinnen und erhielt für ihren Debütroman "Svinalängorna" (dt. "Bessere Zeiten") im Jahr 2006 den renommiertesten schwedischen Literaturpreis, den Augustpreis. 2010 ist ihr zweiter Roman "Håpas du trifs i fengelset" in Schweden erschienen. Susanna Alakoski ist darüber hinaus auch als Redakteurin der Anthologien "Tala om klass", "Lyckliga slut" und "Fejkad orgasm" bekannt.
Weitere Infos unter:
www.susannaalakoski.se

Susanna Alakoski
Bessere Zeiten

Aus dem Schwedischen von Sabine Neumann
dt. Erstausgabe, 304 Seiten
Leinenband mit Banderole und Lesebändchen
ISBN 978-3-942374-10-1
19,90 Euro
www.editionfuenf.de


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Literatur

Beitrag vom 02.01.2012

AVIVA-Redaktion