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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 24.12.2011


Corinna Waffender - Sterben war gestern
Gabriele Kiebgis

Corinna Waffenders dritter Kriminalroman mit Hauptkommissarin Inge Nowak. Die Berliner Autorin lenkt ihre Figuren einmal mehr in Hochspannung an menschliche Abgründe und schafft mit ihrem gewohnt..




... schwarzen Humor den Dreh zum alltäglichen Wahnsinn.

Hauptkommissarin Inge Nowaks dritter Fall führt sie in eine psychosomatische Klinik an der Ostsee. Dort ermittelt sie auf Krankenschein und rettet ungeplant nicht nur ihr eigenes Leben: Schon der Titel hält, was er verspricht: Es wird gemordet, entführt und kaltblütig gekillt, einfach gestorben wird nicht.

Und so feinsinnig und stilsicher wie dieser Kriminalroman die Grenze zwischen Leben und Tod zieht, so sensibel beschreibt die Autorin das Innenleben von Opfer und TäterIn. Als Leserin kommt man nicht umhin, Mitgefühl mit den depressiven, erschöpften und psychisch angeschlagenen PatientInnen der Ostseeklinik und ihren Sorgen, Schmerzen und Traumata zu entwickeln. Zu sehr erscheinen sie immer wieder auch in jenem brutal therapeutischen Licht, das sie zu verstörenden Opfern kranker gesellschaftlicher Verhältnisse macht. Jede/r von uns könnte dort stationär behandelt werden, denn Burnout, Schlaflosigkeit, Sportsucht, Essstörungen, Panikattacken oder die Spätfolgen unterdrückter Gefühle sind uns allen keine unbekannten Phänomene.

Trotzdem wird nicht jede/r deshalb zum MörderIn, und hier liegt das Meisterhafte in der literarischen Komposition von Corinna Waffender: Nichts geschieht zufällig, Schicksalswege werden von persönlichen Entscheidungen geprägt, und gute Menschen unterscheiden sich von vermeintlich weniger guten nur durch die Fähigkeit, sich selbst Einhalt zu gebieten. Es sind ausgefeilte und minutiös dargestellte Hintergründe, die einen Menschen bei Corinna Waffender zu dem machen, was er ist, kein Charakter wird bloß als die Summe seiner Anteile dargestellt. Und so folgt die Leserin einem Mörder oder einer Mörderin aufmerksam in die grausame Logik seiner Taten und dem eigentlich für den Fall zuständigen Kommissar amüsiert auf lustvolle Wege fernab des Tatorts.

Auf Inge Nowak, die traumatisierte Berliner Hauptkommissarin selbst, blickt mensch mit einer Mischung aus Verständnis, Ungeduld, vor allem aber mit dem Wunsch, sie möge endlich auf ihr Herz hören. Zwischen Entführung, Totschlag, Mord und Selbstmord schiebt sich leidenschaftlich ein Gefühl: der unbändige Wille, dieses Leben in vollen Zügen zu genießen. Das sollte man auch mit diesem Buch von Corinna Waffender tun, denn jenseits der spannenden kriminalistischen Handlung ist es ein literarischer Hochgenuss.

Zur Autorin: Corinna Waffender, 1964 geboren in Mainz, lebt nach mehrjährigem Aufenthalt in Spanien heute in Berlin. Sie wurde mehrfach literarisch ausgezeichnet. Romane: Zwischen den Zeilen (2002), Schnitt (2005), Flüchtig bleiben (2007), Laut gedacht (2008) sowie die beiden Kriminalromane Tod durch Erinnern (2009) und Töten ist ein Kinderspiel (2010). Herausgeberin verschiedener Anthologien, u.a. Kanzlerinnen schwindelfrei (2005), Angst (2007), Heimat (2010). Weitere Infos und Kontakt: www.textwaren.de

AVIVA-Tipp: Wer mehr als nur einen spannenden Krimi lesen möchte, sondern sich einlassen will auf eine außergewöhnlich eindringliche Sprache, für den ist auch dieser Roman von Corinna Waffender genau das Richtige. Schnörkellos und punktgenau, unerbittlich und dabei immer wieder außergewöhnlich poetisch – für viele Krimileserinnen inzwischen eine der Top-Ten!

Corinna Waffender
Sterben war gestern
(Kriminalroman)
Querverlag, erschienen im September 2011
Taschenbuch, 268 Seiten
ISBN 9 793896 561909
12,90 Euro
www.querverlag.de


Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

"Töten ist ein Kinderspiel""Tod durch Erinnern", "Laut gedacht", "Sappho küsst die Sterne" (2004), "Schnitt", "Minutenromane"(2005), "Hirnfick" in "Bisse und Küsse 4" (2006), "Flüchtig bleiben", alle im Querverlag. Darüber hinaus hat Corinna Waffender die Anthologie "Kanzlerinnen, schwindelfrei" herausgegeben, erschienen 2005 im Transit Verlag.





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Beitrag vom 24.12.2011

AVIVA-Redaktion