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Beitrag vom 23.06.2008
Sechzig Lichter - von Gail Jones
Clarissa Lempp
Lucy Strange und ihr Bruder Tom schlagen sich als Waisenkinder durch die britische Kolonialzeit. Auf ihren Reisen entdeckt das junge Mädchen ihren "besonderen Blick" auf das Fremde und Vertraute…
Australien im 19. Jahrhundert: Die Geschwister Tom und Lucy Strange verlieren auf tragische Weise ihre Eltern. Von der unheimlichen Hausdame umsorgt, warten die Kinder auf ihren Onkel, der aus Indien anreist um sie mit nach England zunehmen. In London angekommen, eröffnet sich den halb verwilderten Geschwistern eine neue Welt. Als Onkel Neville ein paar Jahre später vor dem Bankrott steht, suchen sich die Jugendlichen Lucy und Tom Arbeit. Aber Neville hat mehr Schulden, als sie durch ihren Lohn abdecken könnten. Er schickt Lucy nach Indien, wo sie seinen wohlhabenden Freund Isaac Newton heiraten soll. Auf der Schiffsreise lernt die 17-Jährige einen Mann kennen. Sie beginnt eine Affäre mit ihm und wird schwanger. Der gutmütige Newton nimmt sie trotzdem bei sich auf und erfüllt ihr den Wunsch einer fotografischen Ausbildung. Lucy beginnt die von ihr "besonders gesehenen Dinge" festzuhalten.
Die Szenen des Romans gleichen Fotografien. Als inspirierende Quellen nennt die Autorin Gail Jones Roland Barthes "Die helle Kammer" und Susan Sontags Essay über Fotografie. Lucys Wahrnehmung untersteht einer genauen Beobachtung und die Ereignisse ihres kurzen Lebens verspinnen sich zu Bildern aus Licht und Schatten. Ihr Kopfkissenbuch, das "Buch der besonders gesehenen Dinge", begleitet bereits das Mädchen Lucy Strange und offenbart ihren Blick für die Momente, die zwischen Zeit und Evidenz liegen. In ihnen findet Lucy eine Schönheit, die fern von makellosen Illusionen liegt. Der eigentümliche Blick der Protagonistin von "Sechzig Lichter" erzeugt eine sinnliche Spannung, die der Reise durch die Zeitgeschichte eine zärtliche Vertraulichkeit schenkt.
Zur Autorin: Gail Jones ist gebürtige Westaustralierin. Ihr erster Roman, Black Mirror, wurde mit dem "Nita B. Kibble Award" ausgezeichnet. Er war in der engeren Auswahl für den "IMPAC Award 2004" und nominiert für den "Age Book of the Year Award" und den "Brisbane Courier Mail Book of the Year Award". Ihr zweiter Roman Sixty Lights erschien 2004 und war für den "Booker Prize" nominiert. Bei Nautilus erschien 2006 ihr Roman Der Traum vom Sprechen. Gail Jones unterrichtet Englisch, Kommunikation und Kulturwissenschaft an der University of Western Australia.
(Quelle: Verlagsinformationen)
AVIVA-Tipp: Die poetische Sprache und das in sich vertiefte Erleben der Protagonistin machen diesen Roman zu einer wundersamen Weltreise in Bildern. Die Figuren sind von einer ergreifenden Zartheit durchdrungen, die den exotischen Orten widersteht und das Augenmerk auf das Geschehen zwischen den Wirklichkeiten lenkt. Ein lyrisches Ereignis, das von der Ästhetik des Makels erzählt.
Gail Jones
Sechzig Lichter
Originaltitel: Sixty Lights
Aus dem Englischen von Conny Lösch
Nautilus Verlag, Hamburg
Gebunden mit Schutzumschlag, 224 Seiten
ISBN: 978-3-89401-562-6
19,90 Euro