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Beitrag vom 12.09.2007
Blicke die ich sage
Clarissa Lempp
Frida Kahlos Tagebuch war Kladde, Skizzenbuch und Poesiealbum. Renate Kroll, Frauenforscherin und Professorin für Romanistik, hat nun einen bemerkenswerten Kommentar zu Kahlos Diario entworfen.
Frida Kahlo sammelte in ihrem Tagebuch Eindrücke der äußeren und inneren Welt, Briefe, Erinnerungen, Gedanken und ihre eigenen Gedichte. Sie beschrieb, malte und collagierte darin ihre letzten zehn Lebensjahre. Nun wird dieses Dokument erstmals in Auszügen durch eine kommentierte Version zugänglich gemacht.
Kahlos Mal- und Tagebuch ist in eine Mischung aus Texten, Formen und Farben. Spielerisch und in ungeordneter Form und Abfolge finden sich Briefe an FreundInnen, politische Kommentare, fiktive Liebesbriefe und lyrische Ergüsse zwischen ausgemalten Tintenklecksen und Zeichnungen mit Ölkreide oder Blei- und Buntstiften. Dabei stehen sich die Themen, Bilder und Texte gegenüber und bedingen sich gleichzeitig. Die einzelnen Seiten des Tagebuchs sind im Faksimile-Druck wiedergegeben und durch Renate Kroll transkribiert, übersetzt und mit einem Kommentar versehen. An exemplarischen Beispielen zeigt sie wiederkehrende Motive Kahlos auf und bietet Deutungsansätze und Interpretationen der Texte im Hinblick auf Leben und Schaffen der Künstlerin. Dabei geht Kroll sehr behutsam mit Zuschreibungen um. So vermeidet sie zum Beispiel die dialogische Form von Fridas Texten durchgehend einem direkten Gegenüber zuzuschreiben, sondern verweist stattdessen auf mögliche, aber nicht immer bestimmte Menschen in Kahlos Umfeld. Die Kommentare bieten dadurch einen Blick auf das Geschriebene an sich als Textexperimente und erfassen Kahlos explosiven Umgang mit Wörtern, als Teil einer eigenen Kunstform, die nicht nur durch Frida Kahlo erschaffen, sondern auch einzigartig besetzt wurde.
Zur Autorin: Prof. Dr. Renate Kroll studierte Romanistik und Anglistik in Gießen, wo sie 1983 auch in Romanischer Literaturwissenschaft promovierte. Seit 1996 ist sie Universitätsprofessorin an der Universität Siegen für Romanische Literaturwissenschaft, unter besonderer Berücksichtigung der Interdisziplinären Frauenforschung in der Romanistik.
AVIVA-Tipp: Die Textinterpretation zu Kahlos Tagebuch, entstanden aus dem wissenschaftlichen Blick auf das Schreibverhalten und dessen Funktion der Identitätskonstruktion einer Künstlerin. Also keine laue Nachmittagslektüre, sondern zu empfehlen als ein wissenschaftlicher, feinsinnig und aufmerksam geschriebener Kommentar zum "Journal intime" einer der populärsten Künstlerinnen des letzten Jahrhunderts.
Lesen Sie auch "Neues von Frida" zum 100. Geburtstag der Künstlerin.
Renate Kroll
Blicke die ich sage
Frida Kahlo: Das Mal- und Tagebuch
Reimer Verlag, erschienen Juli 2007
ca. 260 Seiten, mit 100 Farb- und schwarz-weiß-Abbildungen
Format 15 x 23,5 cm, gebunden
ISBN: 978-3-496-01371-6
29,90 Euro