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Beitrag vom 26.12.2007
Allein unter allen. Miriam Katin
Sharon Adler
Die Erinnerungen einer Jüdin und ihrer Tochter an das (Über)Leben in Ungarn während des zweiten Weltkrieges verarbeitet die 1941 geborene Miriam Katin in eindringlichen Schwarzweiß-Zeichnungen
Wie dem unaussprechlichen Grauen einen Namen geben, wie Dinge verarbeiten, die so furchtbar sind, dass man sie niemals mehr vergessen wird? Können Scham und Trauma der Überlebenden jemals geheilt werden? Gesehenes, Gehörtes und Erlebtes hat sichtbare und unsichtbare Spuren in der Seele und im Körper hinterlassen, und auch die nachfolgenden Generationen haben ihrem kollektiven Gedächtnis die Schrecken der Shoah gespeichert.
Beim Carlsen Verlag sind die autobiografischen Erinnerungen von Miriam Katin "Allein unter allen" unter dem Label "Graphic Novel" erschienen, und es ist eine bewegende Geschichte von der Rettung zweier Überlebender in Ungarn während des zweiten Weltkrieges. Die Autorin war noch ein kleines Mädchen, als sie 1944/45 mit ihrer Mutter vor den deutschen Truppen aus Budapest fliehen musste. Sie konnte nicht verstehen, was mit ihrem Hündchen Rexy passiert ist, und warum die Mutter nachts heimlich alle Familienfotos verbrannt hatte. Die jüdische Zeichnerin erzählt sechzig Jahre später von den grauenvollen Erfahrungen, aber auch von Barmherzigkeit, die ihnen auf ihrer Flucht erwiesen wurde.
Mit falscher Identität flieht die Jüdin Esther Levy mit ihrer Tochter Lisa vor der heranrückenden deutschen Armee von Budapest aufs Land. Auf ihrer Flucht begegnen ihnen sowohl Hass als auch Hilfe. Jeden einzelnen Tag und jede Nacht leben sie in der Angst vor der Entdeckung und dem Verrat. Esther nimmt alle erdenklichen und entwürdigenden Opfer auf sich um die Tochter zu retten, doch die Schrecken der Verfolgung prägen sich für immer in die Erinnerungen von Esther und Lisa ein, und beide verlieren auf ihrem Weg den Glauben an Gott. In wunderschön angelegten Schwarzweiß-Zeichnungen schildert Miriam Katin diese Erfahrungen. Durch den Einsatz von Farbe verknüpft sie dabei kunstvoll Vergangenheit und Gegenwart, indem sie Zeichnungen aus ihrem Leben in den USA heute mit einfließen lässt.
"Allein unter allen" wurde mit dem "Grand Prix de la critique BD 2008" ausgezeichnet, und die Verfasserin hat es ihrer Mutter gewidmet, "die mich lehrte zu lachen und zu vergeben."
AVIVA-Tipp: Die Zeichnerin Miriam Katin hat mit "Allein unter allen" nicht nur ihrer Mutter ein Denkmal gesetzt, die nur eines wollte: ihre kleine Tochter vor dem Tod und der Grausamkeit bewahren. Die 66-jährige hat auch ein bedeutendes Werk von filigraner Schönheit geschaffen, das sowohl die Übel der Welt als auch das unerwartete Gute im Menschen dokumentiert.
Zur Autorin
Miriam Katin wurde 1941 in Ungarn geboren. Ihr Vater diente während des zweiten Weltkrieges als Soldat in der ungarischen Armee. 1956 wanderte ihre Familie nach Israel aus, wo sie für "Ein Gedi Films" arbeitete, die Trickfilme produzieren. 1963 zog Miriam Katin nach Amerika, wo sie auch heute lebt. Dort arbeitete sie für Jumbo Pictures (Nickelodeon), MTV und Disney. Ihre Zeichnungen werden in verschiedenen Magazinen veröffentlicht, zudem illustriert Miriam Katin Kinderbücher. Weitere Infos unter: http://miriamkatin.com
Lesen Sie auch unsere Rezension zu Bernice Eisenstein – Ich war das Kind von Holocaustüberlebenden.
Miriam Katin
Allein unter allen
Erinnerungen von Miriam Katin
Originaltitel: We are on our own
Aus dem Englischen von Jutta Harms
Carlsen Verlag, erschienen Dezember 2007
136 Seiten, Hardcover
Euro (D) 19,90 / Euro (A) 20,50 / sFr 34,70
ab 14 Jahren
ISBN 978-3-551-75046-4