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Beitrag vom 02.06.2008
Bräute des Nichts – Der weibliche Terror
Anna-Lena Berscheid
Im Rahmen der Recherchen für die Performance "Bräute des Nichts" entstand dieses historische Essay Jutta Brückners, in dem sie zwei vollkommen unterschiedliche Biographien zusammenbringt.
Magda Goebbels und Ulrike Meinhof sind Frauen, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Eine, Magda Goebbels, galt zu ihrer Zeit als "erste Frau Deutschlands" , war Adolf Hitler treu ergeben und entschied am Ende des Krieges, sich durch Selbstmord aus der Verantwortung zu ziehen.
Die Andere, Ulrike Meinhof, hatte vom seriösen Journalismus in den Untergrund gewechselt, galt als intellektueller Kopf der Roten Armee Fraktion und erhängte sich in ihrer Zelle in der JVA Stammheim. Ein Selbstmord, der bis heute als Märtyrertod verklärt wird.
Jutta Brückner rekapituliert die Biographien dieser Frauen, deren beider Leben eklatante Wendungen genommen hatten: Magda Goebbels hatte vor ihrer Hinwendung zur NSDAP mit ZionistInnen sympathisiert, Ulrike Meinhof bewegte sich im glamourösen Hamburger Establishment, bevor sie sich der Extremen Linken zuwandte.
Die Autorin untersucht die Parallelen zwischen den zwei Frauen, indem sie psychoanalytisch deren Stationen durchleuchtet. Sie erklärt sowohl Goebbels als auch Meinhof zu Masochistinnen: Während die eine unter den Demütigungen ihres untreuen Gatten litt, nahm Meinhof im Nachrichtenaustausch während der Gefangenschaft eine starke Opferrolle ein. Ebenso attestiert Brückner in Freud´scher Manier beiden eine misslungene Abnabelung von der Mutter. Nach und nach stellt die Autorin so heraus, worin die Gemeinsamkeiten und Beweggründe Goebbels´ und Meinhofs lagen sich dem Terror anzuschließen, und resümiert: "Der Fanatismus beider Frauen war eine öffentlich gelebte Liebesgeschichte mit der Politik."
Zur Autorin: Jutta Brückner, geboren 1941 in Düsseldorf, studierte Politik, Geschichte und Philosophie und promovierte 1973. Seit 1970 arbeitet sie als Drehbuchautorin, Regisseurin und Produzentin ihrer eigenen Filme. Sie schreibt Drehbücher u.a. für Volker Schlöndorff ("Der Fangschuss", 1976), Hörspiele, Essays und Theatertext, führt Regie für Funk und Fernsehen. Seit 1984 ist sie Professorin an der Universität der Künste in Berlin, seit 2003 stellvertretende Direktorin der Akademie der Künste im Bereich Film- und Medienkunst. Ihre Filme haben zahlreiche Preise auf internationalen Filmfestivals gewonnen.
AVIVA-Fazit: Es ist spannend, die Biographien Magda Goebbels´ und Ulrike Meinhofs, die jeweils auf ihre Art verstören, in einem Buch vorzufinden. Leider ist die Betrachtung etwas einseitig, da offenbar zu Magda Goebbels, die in der Politik keine aktive Rolle einnahm, weit weniger Material verfügbar war als zu Ulrike Meinhof. Die Ausführungen Brückners setzen umfangreiches psychoanalytisches Vorwissen heraus und sind daher sehr anspruchsvoll. Daher ist das Essay für LaiInnen nur bedingt empfehlenswert.
Jutta Brückner
Bräute des Nichts. Der weibliche Terror
Verlag Theater der Zeit, erschienen 2008
Broschiert, ca. 160 Seiten
ISBN 978-3-940737-10-6
12 Euro