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Beitrag vom 17.06.2008
Am liebsten nach Süden – Eine Reise mit Sybille Bedford
Andrea Petzenhammer
Die Essay-Sammlung Sybille Bedfords führt nach dem Zweiten Weltkrieg quer durch Europa. Zwischen Gaststätten, Hotels, Straßen und Cafés beschreibt die Autorin das Glück, unterwegs zu sein.
Sybille Bedford, weitgereist und Vorbild für jede/n WeltenbummlerIn, ist im Alter von 94 Jahren am 17. Februar 2006 in ihrer Wahlheimat London gestorben. Zu ihren zeitlosen Reisebeschreibungen gehört der Band "Am liebsten nach Süden", der einen Einblick ins Reisen im europäischen Ausland gibt – aus kultureller, kulinarischer und persönlicher Sicht.
In acht Essays beschreibt Sybille Bedford prägnant das Reisen und Leben in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihre Erzählungen führen sie von Neapel und Rom über die Normandie, Genf, Dänemark, Portugal und Jugoslawien nach Venedig. Die Autorin ist eine neugierige Kosmopolitin, überall und nirgendwo zu Hause und immer auf der Suche nach neuen Erkenntnissen und Eindrücken an ihr unbekannten Orten.
Sybille Bedford pflegt das ungeplante Reisen, sie versucht so wenig wie irgendwie möglich im Voraus festzulegen. Die Genießerin und Weinkennerin liebte die Unabhängigkeit, die ihr ein Auto ermöglichte. Gutes Reisen heißt, "sich frei entscheiden zu können". Sie verachtet Reservierungen sowie Öffnungszeiten und streicht einige ihrer geplanten Vorhaben, wenn es ihr an einem Ort besonders gut gefällt. Zwischen Aufbruch und Rückfahrt hat man alle Freiheit: "Wenn wir schließlich mit beiden Beinen auf dem Kontinent stehen, die Hände auf dem Lenkrad, bricht der neue Tag an. Wir fühlen uns vielleicht nicht so frisch wie die schaumgeborene Venus, die aus dem Meer steigt, aber wir sind hoffnungsfroh".
In ihren Essays verbindet die Autorin Kultur, Menschen und Kulinarisches in amüsanten Reiseberichten, die von einer leidenschaftlichen Beobachtungsfreude zeugen. Sie lobt und empfiehlt Küchen und erklärt anhand der Zubereitung der Gerichte historische Hintergründe des Landes. Sie amüsiert sich über die Franzosen, deren umfangreiche Küche und Zubereitung normalerweise keine Wünsche offen lässt, konstantiert aber "gekochter Reis: unmöglich." Bedford liebt Rom, kann jedoch nicht umhin, die Italiener als laut und manchmal als "schrecklich an den Tourismus angepasst" zu beschreiben.
Eine der ReisebegleiterInnen Bedfords war Martha Gellhorn, Kriegsreporterin und Weggefährtin Ernst Hemmigways. Für die Autorin wurde sie zur einer bewunderten Freundin und bot ihr die Möglichkeit, den Erlebnissen noch einen zweiten Blickwinkel zu geben. "Martha" macht aus den von Bedford als recht konservativ und ordentlich empfundenen Städten Genf und Luzern eine abenteuerliche Sight-Seeingtour, auf der auch die Autorin beginnt, die Schweiz noch einmal neu zu betrachten.
Zur Autorin: Sybille Bedford wurde 1911 als Tochter der reiselustigen Engländerin Elizabeth Bernard und Baron von Schoenebeck geboren, sie wuchs in Deutschland, England, Italien und Frankreich auf. Nach dem Tod ihres Vaters lebte sie bei ihrer Mutter, die in zweiter Ehe mit einem Italiener verheiratet war, an der Côte d´Azur.
Wenn sie nicht für ihre Romane und Reiseerzählungen unterwegs war, arbeitete sie in London als Gerichtsreporterin und Schriftstellerin. Sie begleitete als Reporterin den Auschwitz-Prozess in Frankfurt 1963-65. Ihr Buch "The Faces of Justice" wird bis heute an juristischen Fakultäten gelesen. Sybille Bedford hat eine umfangreiche Anzahl an Erzählungen veröffentlicht, auf Deutsch sind bisher erschienen "Ein Liebling der Götter" (2005), "Ein trügerischer Sommer" (2006), "Treibsand. Erinnerungen einer Europäerin" (2006) und "Zu Besuch bei Don Otavio. Eine mexikanische Reise" (2007).
AVIVA-Tipp: Die Erzählungen sind eine gelungene Zusammenfassung der Reisen zwischen 1948 und 1967. Sybille Bedford verliert zwischen allen kulinarischen und landschaftlichen Beschreibungen nie die Menschen aus den Augen, erzählt auf unterhaltsame Art und Weise von ihren Besonderheiten und dem jeweiligen Umgang der Ansässigen mit Reisenden. Stilsicher und prägnant trifft sie mit wenigen Worten die Stimmung und die Mentalität der Bevölkerung und verbindet dabei immer den Werdegang eines Landes mit dem Befinden der Menschen zur Reisezeit. Bedford reist um des Reisens willen – und das merkt man ihren Erzählungen an. Es ist ein Vergnügen, sich in ihre Erinnerungen hinein zu finden, von der ersten bis zur letzten Seite werden die LeserInnen glänzend unterhalten. Selbst wenn man nicht der entstehenden Lust, selbst unterwegs zu sein, nach geben kann, nimmt man doch ein bisschen Erholung und eine Menge neuer Eindrücke aus dieser amüsanten Lese-Reise mit.
Sybille Bedford
Am liebsten nach Süden
Originaltitel: Pleasures and Landscapes. A Traveller´s Tales from Europe.
Ãœbersetzung: Matthias Fienborck
SchirmerGraf Verlag, erschienen März 2008
Gebunden, 219 Seiten, Lesebändchen
ISBN-10: 3865550509
ISBN-13: 9783865550507
17,80 Euro
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