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Beitrag vom 21.09.2007
Die Lehrjahre des Duddy Kravitz. Von Mordecai Richler
Sharon Adler
Der 1959 geschriebene knallharte Roman ist nun, sechs Jahre nach Richlers Tod, in der brillanten Übersetzung von Silvia Morawetz erschienen. Erzählt wird die Geschichte eines jüdischen Kleinganoven
...im jüdischen Viertel von Montreal, genauer: in der St. Urbain´s Street .
Duddy, ein einfacher Junge aus ärmlichen Verhältnissen stammend, verachtet und belächelt, aber auch bewundert von denen, die in der Hierarchie noch unter ihm stehen, ist eine bemitleidenswerte und hundsgemeine Gestalt. Grob ist das Bild, das der Autor bitterböse und nüchtern vom ihm zeichnet. Kein romantisch-verklärendes Klischee eines Schtetl-Juden erwartet die Leserin in diesem literarischen Meisterwerk Mordecai Richlers, sondern das eines fies-gleichgültigen Geschäftemachers.
Doch Duddy hat einen geheimen Traum, und um den zu verwirklichen, geht er über Leichen. Seit ihm eines Tages sein Großvater Simcha erzählt hatte, dass ein Mann ohne Grundbesitz ein absoluter Niemand sei, ist es sein erklärtes Ziel, dass er ein Stück Land erwerben muss, und bald hat er auch schon das passende Gebiet gefunden.
Von Ehrgeiz besessen sind ihm alle Mittel recht – er nimmt jede Tätigkeit an und Möglichkeit wahr, um an Geld zu kommen. Wie ein Spieler riskiert er alles, ist süchtig nach immer mehr Erfolg, und sein Arbeitspensum reicht locker für Zwei.
Dabei ist es ihm gleichgültig, wie er sein Ziel erreicht: Er arbeitet als Schmuggler oder Filmproduzent, als rasender Taxifahrer oder als Vertreter für Toilettenartikel.
Er geht bankrott, hat wieder neue Pläne und richtet sich selbst und die wenigen, die ihm nahe stehen, zugrunde, ohne es auch nur zu merken.
Fast möchte man Mitleid haben mit der schäbig-tragischen Gestalt Duddy Kravitz und verachtet ihn doch zutiefst für seine skrupellose, intrigante Art, mit Menschen umzugehen.
AVIVA-Tipp: Mordecai Richlers Romane sind wie frühe Robert de Niro-Filme. Schonungslos und konstatierend zeichnen sie ein knallhartes und dichtes Bild über Träume und Enttäuschung und lassen dabei den LeserInnen Raum, Sympathien mit den Figuren zu entwickeln.
Das frühe Meisterwerk über den vermeintlichen Aufstieg des Protagonisten zieht die Leserin unweigerlich in einen Sog von Faszination und Abscheu. Fassungslos verfolgt man das Geschehen um den Abenteurer Duddy Kravitz und seiner Mischpoche. Es ist unmöglich das Buch aus der Hand zu legen, bevor man nicht auch den letzten Buchstaben gierig verschlungen hat!
Zum Autor:
Mordecai Richler, als Sohn eines Schrotthändlers 1931 in Montreal in einer Familie russisch-jüdischer Einwanderer geboren, ist einer der meistgelesenen Gegenwartsautoren Kanadas. Nach einem abgebrochenen Literaturstudium lebte er einige Jahre als freier Schriftsteller und Kolumnist in Paris, bevor er sich in London niederließ. Anfang der siebziger Jahre kehrte er in seine Heimatstadt zurück, wo er bis zu seinem Tod im Jahre 2001 lebte. Zu seinen bekanntesten Werken zählen neben "Duddy Kravitz" die Romane "Solomon Gursky war hier" und "Wie Barney es sah", für den er 1998 mit dem renommierten Commonwealth Writers Prize ausgezeichnet wurde.
Zur Übersetzerin: Silvia Morawetz, geb. 1954 in Gera, studierte Anglistik, Amerikanistik und Germanistik und ist die Übersetzerin von u.a. Janice Galloway, James Kelman, Hilary Mantel, Joyce Carol Oates und Anne Sexton. Sie erhielt Stipendien des Deutschen Übersetzerfonds, des Landes Baden-Württemberg und des Landes Niedersachsen. (Quelle: Verlagsinfo).
Mordecai Richler
Die Lehrjahre des Duddy Kravitz
Originaltitel: The Apprenticeship of Duddy Kravitz
Aus dem Englischen von Silvia Morawetz
Liebeskind Verlag, erschienen Februar 2007
432 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Euro 22,- / sFr. 37,-
ISBN 978-3-935890-42-7