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Beitrag vom 28.05.2008
Warnung vor dem Freunde. Von Marcia Pally
Britta Leudolph
Marcia Pally führt durch die Geschichte der US-amerikanischen Außenpolitik und erläutert die missionarische Tradition, die die Haltungen von RepublikanerInnen wie DemokratInnen bis heute prägt.
Eine lehrreiche Analyse, die einen wichtigen Beitrag zum Verständnis amerikanischer Mentalität und den daraus resultierenden Handlungen leistet.
Die Sicht vieler West-EuropäerInnen auf die USA im allgemeinen und die Amerikanische Außenpolitik im speziellen, war lange Zeit von den Wohltaten geprägt, die Europa nach dem Zweiten Weltkrieg durch den "Marshall-Plan" empfing.
Nach den Anschlägen auf amerikanischem Territorium am 11. September 2001 und dem nachfolgenden Feldzug gegen den Terror, zunächst in Afghanistan, später im Irak, unter Präsident George W. Bush änderte sich diese Anschauung. Insbesondere EuropäerInnen reagierten irritiert auf die fundamentalistische Rhetorik der "Administration Bush", vor allem aber auf die Folgen ihres Handelns: Präventivschläge und Alleingänge ohne die Legitimation durch die UNO ließen die USA rücksichtslos erscheinen.
Doch handelte die "Administration Bush" wirklich so anders als andere amerikanische Regierungen vor ihr? Wird sich die Außenpolitik unter einer neuen, eventuell demokratischen, Regierung signifikant ändern? Nein, erklärt Marcia Pally in ihrem Buch "Warnung vor dem Freunde. Tradition und Zukunft US-amerikanischer Außenpolitik": "Die in Europa gern gehegte Vorstellung, die Außenpolitik der Demokraten sei ´besser´ als die der Republikaner, hängt mit der Nachkriegszeit zusammen. [...] Sicher war die US-Außenpolitik in vieler Hinsicht brillant und überaus produktiv, doch sie ist eben keine Norm, kein Modell zu dem die USA zurückkehren könnten. Diese Rückkehr ist nicht deshalb unmöglich, weil dem innenpolitische Veränderungen im Weg stünden, sondern weil die Nachkriegspolitik so außergewöhnlich war, dass sie sich nicht einfach auf andere Zeiten und Regionen übertragen lässt. Zudem nützte sie zwar Europa, war andernorts aber weit weniger wohltätig."
Die amerikanische Hochschulprofessorin und Journalistin Marcia Pally zeigt anhand der Geschichte der US-Außenpolitik die tiefe Verwurzelung der Gesellschaft in der evangelikalen Weltanschauung auf. Die religiöse Mission und die Haltung, zu "Liberalisieren, wo es geht [...]" und zu "[...] befreien, wo es sein muss", sind wesentlicher Bestandteil amerikanischer Kultur und dies seit dem achtzehnten Jahrhundert.
Die Autorin verdeutlicht, dass die Grundwerte und Überzeugungen einer Gesellschaft tief im Bewusstsein ihrer BürgerInnen verwurzelt sind und auch den Handlungsspielraum ihrer politischen VertreterInnen bestimmen, innerhalb dessen sie agieren können.
Zur Autorin: Marcia Pally ist Professorin für Kulturwissenschaft an der New York University. 2003 erschien ihr Buch "Lob der Kritik. Warum die Demokratie nicht auf ihren Kern verzichten darf". Sie schreibt regelmäßig für "Cicero", die "Frankfurter Rundschau", "Die Zeit" und die "taz".
AVIVA-Tipp: Marcia Pally erklärt den LeserInnen die grundlegenden Haltungen und Werte, die nicht nur die amerikanischen Außenpolitik bestimmen. Der in Europa etwas befremdlich wirkende Evangelikalismus basiert auf der historischen Entwicklung der USA und der Autorin gelingt es, diese Entwicklung nachvollziehbar darzustellen. Pally leistet somit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis amerikanischer Politik. "Warnung vor dem Freunde" ist eine fundierte, sachliche Auseinandersetzung mit der amerikanischen Kultur und Weltanschauung jenseits von Populismus oder Anti-Amerikanismus - ein Plädoyer für eine eigenständige Politik Deutschlands und der EU, die sich eben nicht auf reaktionäre Handlungen beschränkt, sondern sich auf die eigenen kulturellen Erfahrungen und Werte bezieht.
Lesen Sie auch unser Interview mit Marcia Pally.
Warnung vor dem Freunde. Tradition und Zukunft US-amerikanischer Außenpolitik
Marcia Pally
Mit einem Geleitwort von Elfriede Jelinek
Aus dem Amerikanischen von Michael Haupt
Parthas Verlag, erschienen März 2008
Broschiert, 272 Seiten
ISBN 978-3-86601-601-9
19,80 Euro